Gesundheitsversorgung
Mit dem gesetzlich eingeführten Gesundheitsfonds wird jetzt ein Beschluss des Europäischen Parlaments (A 5-0266/2000) vom 16. November 2000 umgesetzt, der besagt, dass es in Europa eine einheitliche Basisversicherung für die medizinische Grundversorgung und zusätzliche Krankenversicherungen geben soll [1] .
Neben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) muss auch die Private Krankenversicherung (PKV) eine Basisversicherung anbieten.
Status der Krankenkassen
Mit dem gleichen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) werden die Krankenkassen zu insolvenzfähigen Unternehmen erklärt. Dieses bedeutet das vollzogene Ende der deutschen Selbstverwaltungsorgane im Gesundheitswesen; denn die Europäischen Verträge kennen keine Selbstverwaltungsorgane, nur Unternehmen oder staatliche Einrichtungen.
Status der Kassenärztlichen Vereinigungen
Mit dem GKV-WSG werden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und ihre KVen zu Behörden der medizinischen Grundversorgung. Insbesondere ist es ihre Aufgabe, die Gesamtvergütung, die sie für die Grundversorgung erhalten, unter die Ärzte zu verteilen. Sie werden damit Verteilungsbehörden und nicht mehr Interessenvertretung der an der GKV teilnehmenden Ärzte sein.
Hierzu passt, dass die KBV das Ambulante Operieren aus der Grundversorgung herauslösen will. Nur so ist der Vorschlag des KBV-Vorsitzenden Dr. Köhler zu verstehen, eine „Spezialisierte fachärztliche krankenhausnahe Versorgungsebene“ außerhalb der Grundversorgung einrichten zu wollen [2] .
In die gleiche Richtung geht der Beschluss des Bayerischen Schiedsamts vom 6. November 2008, den Punktwert für das Ambulante Operieren nicht über den Punktwert der Grundversorgung (3,5 Cts.) hinaus anzuheben. Mit diesem Punktwert sind die meisten Sachkosten für das Operieren nicht gedeckt und ein Arztlohn entfällt ganz. Das Schiedsamt hat sich also gegen eine kostendeckende Vergütung der ambulanten Operationen in der Grundversorgung entschieden; es wird damit den Exodus der Ambulanten Operteure und Anästhesisten aus der Grundversorgung beschleunigen.
Das Ambulante Operieren wird also dem freien Wettbewerb ausgeliefert. Aus dieser Tatsache müssen die Ambulanten Operateure und Anästhesisten Konsequenzen ziehen.
Medizinproduktegesetz (MPG)
Das MPG bezeichnet in Deutschland und Österreich die nationale Umsetzung der europäischen Richtlinien 90/385/EWG. Medizinprodukte sind also nach dem neuen europäischen Recht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftunion verkehrsfähig. Die Operateure und Anästhesisten haben dieses z.B. an den neuen Sterilisierungsvorschriften zu spüren bekommen.
Patienten-Freizügigkeit
Mehrere EuGH-Urteile zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen ermöglichen die Patienten-Freizügigkeit innerhalb von Europa und legen die Kostenerstattung für ambulante Leistungen, u.a. ambulante Operationen, fest [3] .
Unternehmerstatus Ärzte
Niedergelassene Ärzte sind nach europäischem Recht Unternehmer [4] . Den Status des „Freiberuflers“ gibt es in Europa nicht, auch wenn die deutsche Steuergesetzgebung an diesem Begriff noch festhält. Die Konsequenzen aus diesem europäischen Recht werden jedoch immer deutlicher, u.a. bei der Umsatzsteuer.
Umsatzsteuer auch für Ärzte
Ärzte müssen laut Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Umsatzsteuerpflicht in der Humanmedizin (C-384/98 vom 14.09.2000) grundsätzlich wie jeder andere Steuerzahler Umsatzsteuer zahlen. Es gibt nur eine Ausnahme: Eine konkrete Heilbehandlung.
Dies bedeutet, dass nicht nur Vortrags-, Gutachter- und Verbandstätigkeit, sondern auch Fortbildungsveranstaltungen (auch der eigenen Praxis!), ärztliche Kongresse etc. der Umsatzsteuer unterliegen. Die Rechtsprechung läuft darauf hinaus, dass alles, was von der Krankenkasse und der PKV im Rahmen der Grundversorgung (sog. notwendige Heilbehandlung) nicht bezahlt wird, umsatzsteuerpflichtig ist. Dabei ist zu bemerken, dass nicht nur der Gewinn (eines Kongresses), sondern der ganze Umsatz steuerpflichtig ist. Finanzämter können, z.B. bei Gemeinnützigkeit, Ausnahmen machen.
Für die Operateure bedeutet dieses u.a., dass Operationen, die von Gerichten nicht als notwendig eingestuft werden, wie z.B. Brustvergrößerung [5] oder Brustverkleinerung [6] , umsatzsteuerpflichtig sind.
Konsequenzen für ambulante Operateure und Anästhesisten
Jetzt, da absehbar ist, dass Leistungen des Ambulanten Operierens im Rahmen der Grundversorgung nicht mehr ausreichend honoriert werden, sind unternehmerische Entscheidungen gefordert. Folgende Überlegungen mögen bei der Entscheidungsfindung helfen:
Kostenerstattung
Am besten wäre eine Kostenerstattung für spezialisierte Leistungen wie ambulante Operationen und Anästhesien. Die Kostenerstattung erinnert Patienten und Krankenkassen daran, dass Kosten beim Arzt anfallen und der Arzt vernünftigerweise Leistungen nicht unter Verlust erbringen darf.
Verträge
Die Operateure und Anästhesisten sollten anstreben, Vergütungsverträge mit Krankenkassen und ggf. auch Privat-Versicherungen abzuschließen.
Praxiskosten = Betriebskosten + Unternehmerlohn
Ziel jeglicher Verträge - auch bezüglich der Entscheidung über die Ablehnung einer möglichen Leistungserbringung muss eine praxiskostendeckende Vergütung sein. Dazu müssen die Praxiskosten bekannt sein, und zwar für jede Kostenstelle (OP-Abteilung, Praxis-Abteilung), am besten als Kosten pro Nutzungsminute [7] .
Erst wenn die Kosten/OP-Minute für jede zu verhandelnde Operationsart bekannt sind, kann man beurteilen, welche „Base rate“ (Grundlage für die Vergütung im DRG-System) für welche Operationsart kostendeckend für die Praxis/Tagesklinik ist.
Keine Leistungen in roten Zahlen
Aus unternehmerischer Sicht sollten Arzt-Unternehmer bis auf seltene Ausnahmen - keine Leistungen in roten Zahlen erbringen. Bei der Durchsetzung dieser Maxime sollte man klug vorgehen, damit die Krankenkassen keinen Grund finden, den Arzt aus dem System der Gesetzlichen Krankenkasse rauswerfen zu lassen.
Patienten mobilisieren
Patienten merken schnell, wenn sie gewünschte Leistungen nicht mehr „auf Chipkarte“, d.h. ohne Zuzahlung erhalten. Wenn der Arzt seine Kosten benennen kann, richtet sich der Unwillen von Patienten meist gegen die Krankenkasse oder „das System“. Über Kosten kann man sachlich argumentieren.
Praxen duchorganisieren
Das gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsmanagement in Praxen sollte zügig umgesetzt werden, damit auch durch bessere Organisation Einsparungen erfolgen können. Im Rahmen dieses Qualitätsmanagements sollten auch die Kostenstellen definiert werden, die für die Kostenermittlung und Verhandlungsführung für Verträge notwendig sind.
Praxismanagement kostet Zeit oder Geld
Es ist wenig sinnvoll zu hoffen, dass Berufs- oder Praxisverbände quasi als KV-Ersatz für die niedergelassenen Ärzte Verhandlungen mit Kostenträgern aufnehmen werden. Der Arzt-Unternehmer muss sich selbst um Einkünfte kümmern oder er muss eine(n) Praxismanager/in einstellen oder Hilfe durch eine Managementgesellschaft bezahlen.
Zukunft
Die praktizierenden Ärzte von heute sind Vorreiter einer neuen, unternehmerisch denkenden Ärztegeneration. Betriebswirtschaft haben sie erst durch harte Erfahrungen in der Praxis lernen müssen. Deswegen sollten sie sich dafür einsetzen, dass Betriebswirtschaft Teil der medizinischen Ausbildung wird, damit zukünftige Arzt-Generationen es einfacher haben. Jeder Handwerk-Meister muss zumindest Grundkenntnisse in Betriebswirtschaft bei der Meisterprüfung nachweisen. Gleiches sollte für Arzt-Unternehmer gelten.