EuGH-Urteile zur grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen

Eine ausgezeichnete Zusammenfassung der EuGH-Urteile

2007 +++ Anna Englaender +++ Quelle: Internet

In den letzten Jahren hat der EuGH einige richtungsweisende Entscheidungen zur Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen durch Unionsbürger im EU-Ausland gefällt und damit nachhaltig in die nationalen Gesundheitssysteme eingegriffen. Anna Englaender vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) e.V. (Beobachtungsstelle des Observatoriums für die Entwicklung der sozialen Dienste in Europa) erstellte eine Zusammenfassung der folgenden Urteile.

Rechtssache Datum Inhalt
Rs. C-160/96 („Molenaar“)
EuGH, Slg. 1998, I-843
05.03.96 Pflegeversicherung;

Pflegegeld = Geldleistung bei Krankheit auch bei Wohnsitz im Ausland, aber keine Sachleistungen

Rs. C-120/95 („Decker“)
EuGHE 1998, I-1831
28.04.98 ambulanter Sektor; Erfordernis vorheriger Genehmigung unzulässig; mögliche Rechtfertigungsgründe:
  • erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der soz. Sicherheit
  • Gesundheitsschutz
Rs. C-158/96 („Kohll“)
EuGHE 1998, I-1931
28.04.98 ambulanter Sektor; Erfordernis vorheriger Genehmigung unzulässig; mögliche Rechtfertigungsgründe:
  • s.o. Urteil Decker
  • Aufrechterhaltung einer ausgewogenen allen zugänglichen ärztl. und klinischen Versorgung
Rs. C-368/98 („Vanbraekel“) EuGH, Slg. 2001, I-05363 12.07.01 Stationärer Sektor; Anspruch auf günstigsten Erstattungstarif
Rs. C-157/99 („Geraets- Smits u Peerboms“) EuGH, Slg. 2001, I-05473 12.07.01 Stationärer Sektor; Dienstleistungsfreiheit auch bei Sachleistungsprinzip anwendbar Erfordernis vorheriger Genehmigung grundsätzlich unzulässig, aber Rechtfertigung möglich:
  • erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der soz. Sicherheit
  • Aufrechterhaltung einer ausgewogenen allen zugänglichen ärztl. und klinischen Versorgung

bezogen auf Krankenhausbehandlung: wegen der Notwendigkeit der Planbarkeit der Krankenhäuser ist Genehmigungserfordernis notwendiges und angemessenes Mittel

außerdem Rechtfertigung für die an die Erteilung der Genehmigung geknüpfte Voraussetzungen: wenn objektive, nicht diskriminierende Kriterien im Voraus bekannt

- übliche Behandlung = wenn diese in der internationalen Medizin als hinreichend erprobt und anerkannt angesehen sind

- medizinisch erforderlich = gleiche oder ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig in einer vertraglich gebundenen Einrichtung

Rs. C-326/00 („Ioannidis“) 25.02.03 Ungeplante Krankenhausbehandlung eines chronisch kranken Rentners bei Auslandsurlaub; Genehmigungspflicht und Bedingung, dass Krankheit plötzlich auftritt, als Voraussetzung der Kostenübernahme unzulässig
Rs. C-385/99 („Müller- Fauré u. van Riet)
EuGH, Slg. 2003, I-4509
13.05.03 Ambulanter Sektor und stationärer Sektor, Sachleistungsprinzip;

- Krankenhausversorgung:
Anwendung der Kriterien aus dem Urteil Geraets- Smits u. Peerboms, zusätzlich Erläuterung des Begriffs „rechtzeitig“

- Behandlung außerhalb eines Krankenhauses: Genehmigungserfordernis = Verletzung der Dienstleistungsfreiheit, dafür keine Rechtfertigung

Rs. C-56/01 (“Inizan”)
EuGH, Slg. 2004, I-12403
23.10.03 Krankenhausbehandlung im Ausland;

Anwendung der Kriterien aus den Urteilen Geraets- Smits u. Peerboms und Müller-Fauré u. van Riet

Keine Verweigerung der Genehmigung, wenn Behandlung zum Leistungskatalog gehört und wenn gleiche/gleichwirksame Behandlung rechtzeitig nicht möglich

Rs. C-8/02 („Leichtle“)
EuGH, Slg. 2004, I-2641
18.03.04 Beamtenbeihilfe;

unzulässig, die Erstattung von Aufwendungen im Zusammenhang mit Heilkur im Ausland von Gutachten über größere Erfolgsaussichten und davon abhängig zu machen, dass gerichtliches Verfahren zur Anerkennung abgewartet wird

Rs. C-372/04 („Watts“) 16.05.06 Kostenerstattungspflicht für Krankenhausbehandlung in anderem Mitgliedstaat gilt auch für einen Nationalen Gesundheitsdienst, der derartige Behandlungen kostenfrei erbringt

Rs. C-466/04 („Herrera“) 15.06.06 kein Anspruch auf Ersatz der Reise-, Aufenthaltsund Verpflegungskosten über Kosten der Unterbringung und Verpflegung im Krankenhaus hinaus, es sei denn Übernahme bei Behandlung im Wohnmitgliedstaat