Seit Jahren versucht das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), eine elektronische Gesundheitskarte flächendeckend einzusetzen und bekommt deshalb Streit mit den Ärzten (Brökelmann 2004). Jetzt hat der Ärztetag die eGK in der bisher vorgeschlagenen Form abgelehnt und fordert eine Neubesinnung (Deutsches Ärzteblatt vom 25. Mai 2007, A 1520). Der Ärztetag hat also der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (BMG) den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen. Eine Woche nach diesem Beschluss ist noch keine Reaktion aus dem BMG veröffentlicht worden. Ist dieses ein Zeichen dafür, dass das BMG sich seiner Sache nicht mehr so sicher ist?
Europäische Vorgaben müssen befolgt werden
Die Europäische Krankenversichertenkarte EHIC wurde als Sichtausweis seit 2004 für ca. 420 Millionen EU-Bürger eingeführt (Tavakolian et al. 2007). Dieses ist eine reine Krankenversichertenkarte für den europäischen Raum. Alle Nationalstaaten sind verpflichtet, nationale Server für diese Krankenversichertenkarten aufzubauen und sie innerhalb von Europa zu vernetzen. Dieses ist die europäische Vorgabe, die auch die Bundesrepublik Deutschland erfüllen muss. Der Aufbau von nationalen Servern für Krankenversichertenkarten ist also eine europäische Aktion, zu deren Durchführung sich die Bundesregierung verpflichtet hat und die auch wegen der angestrebten Freizügigkeit für die EU-Bürger notwendig ist.
BMG will die Krankenversichertenkarte EHIC um medizinische Daten erweitern
Den beschlossenen Aufbau von nationalen Servern für die EHIC will das BMG nun dazu benutzen, um auf der EHIC auch medizinische Daten zu speichern. Sie nennt diesen deutschen Sonderweg "Elektronische Gesundheitskarte" und veröffentlicht dazu im Internet folgende Beschreibung (BMG 2007):
"Gesundheitskarte AKTUELL
Schrittweise wird die elektronische Gesundheitskarte eingeführt und die bisherige Krankenversichertenkarte abgelöst. Für die 80 Millionen Versicherten verbessert sich dadurch vor allem die Behandlungsqualität. Denn die neue elektronische Gesundheitskarte unterscheidet sich nicht nur äußerlich durch das Lichtbild des Inhabers von der alten Krankenversichertenkarte: Insbesondere ihr Funktionsumfang wurde erweitert. Die Versicherten haben die Möglichkeit, persönliche Gesundheitsdaten mit der Karte zu verwalten und einzelnen Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen."
Zu obigen Aussagen ist im Einzelnen folgendes zu bemerken:
Dokumentierte medizinische Daten sind ärztliche Leistungen
In der Diskussion um die Speicherung von Krankheitsdaten wurde bislang wenig beachtet, dass die Krankheitsdaten durch Ärzte erhoben und dokumentiert werden und die Ärzte deshalb Urheberrechte an diesen Krankheitsdaten haben. Die Ärzte sind außerdem die Hüter dieser Daten im Arzt-Patienten-Verhältnis. Sie müssen diese Daten an die betreffenden Patienten/Innen wegen des Informationsrechtes weitergeben; sie dürfen diese Daten jedoch nicht an Nicht-Ärzte weitergeben und an andere Ärzte nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Patienten (Musterberufsordnung, Ratzel, Lippert 1998).
Folgerungen
Für uns Ärzte ergeben sich nachstehende Folgerungen:
Inhalte der Versichertenkarten beachten
In der Diskussion um die Versichertenkarte müssen die Inhalte sauber getrennt werden:
Die Krankenversichertenkarte ist ein Sichtausweis und spiegelt die Beziehung eines Bürgers zu einer Versicherung wieder.
Die elektronische Gesundheitskarte ist ein Sichtausweis plus ein Speicher mit Patientendaten. Letztere stammen aus einer Arzt-Patienten-Beziehung und haben mit der Krankenversicherung wenig zu tun. Diese beiden Beziehungsgeflechte Versicherter-Krankenversicherung und Arzt-Patienten-Verhältnis dürfen nicht vermengt werden. Wenn Patienten Daten aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis an ihre Krankenversicherer weitergeben, so ist das ihre persönliche Entscheidung, die das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht belastet. Wenn der Staat die persönlichen Krankendaten seiner Bürger einsehen und verwalten will, muss er diese Daten also von den Patienten einholen, nicht von den Ärzten.
Merke!
] Krankenversichertenkarte (health insurance card): Diese so genannte Chipkarte ersetzt seit 1995 bundesweit den bis dato geltenden Krankenschein.
http://www.aok-bv.de/lexikon/k/index_02266.html
] Europäische Krankenversichertenkarte (EHIC): Krankenversichertenkarte gilt für ganz Europa, benutzt nationale Server, die europaweit vernetzt sind
] Elektronische Gesundheitskarte (eGK) erweiterte Krankenversichertenkarte des BMG, die auch persönliche medizinische Daten enthält, die von Ärzten erhoben werden und die unter die ärztliche Schweigepflicht fallen.
Zusammenfassung:
Die vom Staat geförderte elektronische Gesundheitskarte stellt den Versuch dar, Staatsmedizin auf Kosten der Individualrechte der Ärzte und Patienten zu betreiben. Gegen diese Absicht ist Widerstand geboten.
Literatur
Ratzel R, Lippert H-D. Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte (MBO). 2. Auflage Springer 1998