Ärzte müssen ihre Freiberuflichkeit verteidigen

Das Gesundheitsreformgesetz 2006 führt zu Staatsmedizin, ist nicht nachhaltig und widerspricht den europäischen Grundfreiheiten

2006 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: BAO-MAO-Aktuell-Extra vom 31.10.2006

Teil 1: Kommentare zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)

Quelle Gesetzestext: Webseiten der Bundesregierung

Auszug aus dem Gesetz Seite 1-2

Die in diesem Gesetz vorgesehenen Reformmaßnahmen stellen sicher, dass auch in Zukunft soziale Sicherheit im Krankheitsfall für alle gewährleistet wird. Insbesondere ist vorgesehen:

Kommentar: Das Gesetz verspricht einen umfassenden, am Fortschritt orientierten Versicherungsschutz für alle Einwohner Deutschlands – das ist die Einheitsversicherung oder Bürgerversicherung für 95% der Bevölkerung.

Auszug Seite 3

Der Beitragssatz wird per Rechtsverordnung festgelegt.

Gleichzeitig wird abgesichert, dass jeder Kranke auch in Zukunft nicht nur die notwendige Behandlung unabhängig von seinen wirtschaftlichen Verhältnissen erhält, sondern auch am allgemeinen medizinischen Fortschritt teilhaben kann. Mit dem beibehaltenen Schutz vor Überforderung bleibt der Grundsatz wirksam, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gesundheitswesens beiträgt.

Kommentar: Der Beitragssatz für die Einheitsversicherung wird staatlich festgesetzt. Jeder Bürger muss nur nach seiner Leistungsfähigkeit zur Finanzierung des Gesundheitssystems beitragen.

Auszug Seite 217

Der Basistarif muss Varianten für Personen, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Beihilfe haben sowie deren berücksichtigungsfähige Angehörige, vorsehen, bei denen die Vertragsleistungen auf die Ergänzung der Beihilfe beschränkt sind.

Kommentar: Der Basistarif ist auch für Beihilfeberechtigte und ihre Angehörige vorgesehen.

Auszug Seite 230

Der Umfang des bestehenden Leistungskatalogs in der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt im wesentlichen bestehen.

In bestimmten Bereichen wie z.B. der Palliativversorgung werden neue Leistungen in den Leistungskatalog aufgenommen.

Alle Personen ohne Absicherung im Krankheitsfall erhalten eine Rückkehrmöglichkeit in ihre jeweils letzte Versicherung, der sie angehört haben - sei es eine gesetzliche oder private Krankenversicherung. Fehlt eine frühere Krankenversicherung, werden sie in dem System versichert, dem sie zuzuordnen sind. Die private Krankenversicherung wird hierfür einen dem Leistungsumfang der GKV entsprechenden Basistarif mit Kontrahierungszwang zu bezahlbaren Prämien anbieten - ohne Risikozuschläge und ohne Leistungsausschlüsse. Sie ersetzt den bisherigen, in seiner Wirkung unzureichenden Standardtarif in der privaten Krankenversicherung.

Kommentar: Der Umfang der Einheitsversicherung ist der jetzige Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuzüglich neuer Leistungen wie Palliativmedizin etc.

Die privaten Versicherungsunternehmen werden  per Gesetz gezwungen, eine staatliche Basisversicherung auf eigene Kosten einzuführen und zu finanzieren.

Auszug Seite 231

Versicherte in der GKV haben künftig Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Geriatrische Rehabilitationsleistungen, empfohlene Schutzimpfungen sowie Mutter-Vater-Kind-Kuren werden von Satzungs- und Ermessensleistungen zu Pflichtleistungen der Krankenkassen überführt. Häusliche Krankenpflege wird künftig auch in neuen Wohngemeinschaften oder Wohnformen sowie in besonderen Ausnahmefällen in Heimen als Leistung gewährt.

Mehr Eigenverantwortung wird bei Folgeerkrankungen aufgrund nicht notwendiger medizinischer Eingriffe wie z.B. Komplikationen in Folge von Schönheitsoperationen oder Piercing eingefordert. Hier haben die Krankenkassen den Leistungsumfang einzuschränken.

Kommentar: An neuen Leistungen werden u. a. Palliativmedizin, Schutzimpfungen, Mutter-Vater-Kind-Kuren und häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften eingeführt. Im Gegenzug sollen Folgen von Schönheitsoperationen ausgegliedert werden.

Auszug Seite 232

Die integrierte Versorgung als Instrument zur besseren Verzahnung zwischen verschiedenen Leistungsbereichen und unterschiedlichen Heilberufen wird fortgeführt und künftig insbesondere im Hinblick auf eine bevölkerungsbezogene Flächendeckung ausgebaut. Bis zum Inkrafttreten eines neuen Vergütungssystems im ambulanten Bereich wird die Anschubfinanzierung verlängert. Die Pflege wird in die integrierte Versorgung eingebunden. Krankenhäuser können künftig - ohne an weitere Voraussetzungen gebunden zu sein - im Rahmen der integrierten Versorgung hochspezialisierte Leistungen nach § 11 6b SGB V ambulant erbringen.

Kommentar: Die integrierte Versorgung wird zum Zukunftsmodell erhoben, auch ohne die Mitwirkung von Vertragsärzten.

Auszug Seite 233

Mit dem neuen Vergütungssystem wird das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übertragen. Die bisherige Budgetierung, die an die Grundlohnsumme anknüpft, wird abgeschafft. Die Finanzvolumina der vertragsärztlichen Versorgung sind künftig an der Morbidität der Versicherten orientiert...

Kommentar:  Das Morbiditätsrisiko liegt zukünftig bei den Krankenkassen, d. h. beim Staat, der die Krankenkassenbeiträge festsetzt. Auch die Finanzvolumina der vertragsärztlichen Versorgung werden (indirekt) vom Staat festgelegt.

Auszug Seite 234

Die Kosten- und Mengensteuerung erfolgt durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen im künftigen Vergütungssystem.

Kommentar:  Die Kosten- und Mengensteuerung erfolgt nicht über den Freien Markt, sondern über das zukünftige staatlich-organisierte Vergütungssystem. Dadurch wird ein Wettbewerb auf dem Europäischen Markt zumindest behindert.

Auszug Seite 237

In der integrierten Versorgung werden Krankenhäuser stärker als bisher für die ambulante Versorgung geöffnet. Krankenhäuser können künftig im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung hochspezialisierte Leistungen, Leistungen zur Behandlung seltener Erkrankungen und von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen ambulant erbringen, unabhängig davon, ob ein Vertragsarzt an der integrierten Versorgung teilnimmt und einen entsprechenden Zulassungsstatus in den Vertrag einbringt.

Kommentar:  Die Krankenhäuser werden für die ambulante Versorgung geöffnet. Das Monopol der Vertragsärzte für die ambulante Versorgung wird gebrochen.

Auszug Seite 238

Ein Leistungsanspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung wird eingeführt und damit die palliativmedizinische Versorgung in der GKV deutlich verbessert. Der Leistungsanspruch umfasst neben ärztlichen und pflegerischen Leistungen - bei Bedarf rund um die Uhr - auch die Koordinierung der einzelnen Teilleistungen.

Kommentar: Der neue Anspruch auf Palliativmedizin umfasst nicht nur ärztliche und pflegerische Leistungen, sondern auch die Organisation dieser Leistungen, sprich das Marketing. Marketing wird zur (staatlichen) GKV-Leistung – der Streit mit der europäischen Wettbewerbskommission ist vorprogrammiert.

Auszug Seite 244

Mehr gesamtgesellschaftliche Solidarität durch Steuerzuschüsse.

Mit der Einrichtung des Gesundheitsfonds verbunden sind Fortführung und Ausbau der teilweisen Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben - insbesondere der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern - über Steuermittel.

Gleichzeitig gelingt es, in der GKV gesamtgesellschaftliche Solidarität zu verwirklichen.

Die Sicherung der Finanzierung erfolgt in der nächsten Legislaturperiode.

Kommentar:  Der Gesundheitsfonds wird zur Durchsetzung von gesamtgesellschaftlichen, d. h. politischen Aufgaben eingesetzt und wird damit zu einem politischen Instrument für die jeweilige Regierung.

Die Finanzierung der Reform wird auf die Zukunft verschoben. Die Reform ist nicht nachhaltig geplant.

Auszug Seite 301

Um eine einheitliche Vergütungsregelung für alle im Basistarif Versicherten zu ermöglichen, hat der Verband der privaten Krankenversicherung mit Wirkung für die beteiligten PKV-Unternehmen und im Einvernehmen mit den Beihilfekostenträgern vertragliche Vereinbarungen zur Vergütung der im Basistarif versicherten ärztlichen Leistungen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen zu treffen.

Kommentar: Eine einheitliche Vergütungsregelung soll für alle – GKV-Mitglieder, Basistarifversicherte und Beihilfeberechtigte - , d. h. für 95% der Bevölkerung gelten.

Teil 2: Die Bedeutung des Gesetzes der Großen Koalition

Einheitskrankenkasse

Die geplante einheitliche Gesundheitsversorgung für ca. 95% der deutschen Bevölkerung (GKV, Basistarif + Beihilfeberechtigte) ist eine Einheitskrankenkasse oder „Bürgerversicherung“, deren Umfang „alles medizinisch Notwendige“ einschließlich des medizinischen Fortschrittes enthält.

Leistungsausweitung der GKV

Zusätzlich zum bisherigen Leistungsumfang der GKV soll jetzt jeder Bürger - ob versichert oder nicht! - einen Anspruch und damit ein einklagbares Recht auf jede medizinisch notwendige Behandlung gemäß dem medizinischen Fortschritt erhalten. Insbesondere hat mit dem neuen Gesetz jeder Bürger ein Anrecht auf

  1. Rehabilitation
  2. Palliativmedizin 
  3. Prävention, u.a. Schutzimpfungen
  4. Mutter-Vater-Kind-Kuren
  5. häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften
  6. ambulante Entbindungen
  7. Verbesserung der Kinderhospize
  8. gleiche Behandlung, wie sie die Privatpatienten zur Zeit erhalten, also eine „optimale“ statt der bisherigen „ausreichenden Kassen-Medizin“.

Diese Ansprüche gelten unabhängig vom Versichertenstatus oder dem Leistungswillen des Einzelnen. 

Das Gesetz ist damit für die Bürger eine Freischein für „optimale“ Medizin.

Finanzierung des Gesundheitssystems

Die Finanzierung des Gesundheitswesens baut laut Gesetzesvorlage auf der Leistungsfähigkeit des Einzelnen, nicht auf  die in Anspruch genommenen Leistungen auf. Es sollen also

die Leistungen je nach Bedürftigkeit staatlich verteilt werden und

die Kosten

  1. „solidarisch“ je nach Leistungsfähigkeit der einzelnen Bürger über lohnabhängige Beiträge und
  2. über Steuerzuschüsse finanziert werden.

Dieses stellt ein Gesundheitssystem dar, in dem Kosten von den Leistungen getrennt werden. Diese Beziehung zwischen Kosten und Leistungen ist jedoch Grundlage eines Freien Marktes wie dem Gemeinsamen Europäischen Markt.

Außerdem erfolgt die Finanzierung über 2 Solidarsysteme,

  1. dem solidarischen Beitragssystem der GKV und
  2. dem Steuersystem.

Es war gerade das Ziel der Herzog-Kommission, aus Kostengründen nur ein Solidarsystem, dasjenige über Steuern, einzuführen (http://www.arzt-in-europa.de/pages/2003JAR_HerzogKommission.html ). Der vorliegende Gesetzesentwurf zementiert die zwei Systeme und vergrößert damit die Bürokratie und ist gegen den Europäischen Markt gerichtet.

Außerdem ist es höchst fraglich, ob ein solidarisches, auf individuelle Leistungsfähigkeit aufgebautes Gesundheitssystem solide finanzierbar ist. Denn die deutsche Bevölkerung verabschiedet sich seit Jahren still und klammheimlich aus dem Solidarsystem, indem sie nicht genügend Kinder in die Welt setzt, um den Generationenvertrag zu erfüllen und das Solidarsystem zu finanzieren: Über 50% der 30-40-Jährigen will keine Kinder haben (http://www.arzt-in-europa.de/pages/2006FA_Kinderwunsch.html ). Wenn über die Hälfte der Bevölkerung praktisch das Solidarsystem boykottiert, ist dieses System nicht zukunftstauglich.

Die Leistungsfähigkeit des Einzelnen ist ein schwammiger, subjektiver  Begriff und in vielem das Gegenteil von Eigenverantwortung. Wer beurteilt denn die Leistungsfähigkeit des Einzelnen? Welche Kriterien sollen für die Leistungsfähigkeit herangezogen werden? Soll das der Staat entscheiden?  Die vom Gesetz vorausgesetzte Solidarität je nach Leistungsfähigkeit scheitert meist an den Eigeninteressen der Individuen.

Die Finanzierung der Gesundheitsreform soll kostenneutral erfolgen, d. h. es kommt nicht mehr Geld ins GKV-System. Die Gesundheitsreform führt des weiteren zu einer Reduktion der Einnahmen u.a. für die Ärzte, denn die Hälfte der Privateinnahmen kommt über Beihilfeberechtigte, und letztere werden durch das Gesetz in den Basistarif gedrängt. Das bedeutet für die Ärzte 25-50% Einkommensverluste im Privatbereich je nachdem, ob Beihilfeberechtigte ganz in den Basistarif gehen oder bei bestehender Privatversicherung auf Beihilfe verzichten. Konkret werden diese Verluste auf 22 600 Euro pro Praxis pro Jahr beziffert (Köhler, Ärzte-Zeitung vom 25.10.2006).

Der Privatpatientenmarkt wird durch den Wechsel der Beihilfeberechtigten um 25-50% schrumpfen. Das bedeutet eine reale Existenzgefährdung für niedergelassene Ärzte, denn die Kostendeckung im GKV-Bereich ist schon jetzt nicht gegeben. Da die Privatpatienten die GKV indirekt mit etwa 9,5 Mia. Euro subventionieren (PKV 2006),  dürften für die GKV bei Umsetzung des Gesetzes einige Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Nutznießer dieser Verschiebung wären der Bund und die Länder, die weniger für Beihilfeberechtigte ausgeben müssen.

Fehlende Nachhaltigkeit

Wer soll bei festgeschriebenem Budget diese „optimale“ Medizin für 95% der Bevölkerung bezahlen? Die „Einsparungen“ wie

reichen bei weitem nicht für eine Nachhaltigkeit aus.

Durch die Gesetzesvorlage werden nämlich u. a. folgende Mehrkosten veranlasst:

Die Reform ist nicht sauber finanziert. Sie geht zu Lasten Dritter, nämlich der Leistungserbringer, und ist deswegen z. T. verfassungswidrig. Sie geht mit dem Rechtsanspruch auf „optimale“ Medizin zu Lasten nachfolgender Generationen und ist deshalb nicht nachhaltig.

Die geplante Staatsmedizin

Zwangsbewirtschaftung

Der Leistungsumfang der Einheitsversicherung sowie die Vergütungen für das Gesundheitssystem (Krankenkassenbeiträge, Finanzvolumen der Vertragsärzte) werden laut Gesetz durch den Staat mit Hilfe seiner Behörden (KVen, Krankenkassen etc.) durch Rechtsverordnung festgelegt. Das Gesetz spricht von „Versorgungsplanung“.

Die Kosten- und Mengensteuerung wird gesetzlich über „vertragliche Vereinbarungen“ geregelt, nicht über den Freien Markt. Es gibt also keinen Preis-Wettbewerb, wie er in der Europäischen Union gefordert wird.

Zwangsarbeit für Ärzte

Alle medizinischen Leistungen müssen laut Gesetz dem modernen Stand der medizinischen Versorgung entsprechen, auch wenn die Vergütung der Leistungen nicht gewährleistet ist und jetzt schon ca. 30% unter den von den Behörden im EBM 2000plus festgelegten, als kostendeckend kalkulierten Vergütungen liegt. Das hat zur Folge:

Freiberufler werden gezwungen, alle Patienten gleich und „optimal“ nach neuesten Erkenntnissen des Fortschritts zu behandeln, und dies unabhängig von der Vergütung. Dieses widerspricht der Marktwirtschaft. Der geforderte Ausgleich des bestehenden Unterschieds zwischen Privat- und Kassenmedizin geht zu Lasten der Ärzte oder wird aus ökonomischen Gründen zu  einer Qualitätsminderung führen müssen.

Ein ganzer Stand von Freiberuflern muss für das staatliche Gesundheitssystem arbeiten –  dieses ist Zwangsarbeit und verfassungswidrig. Es ist außerdem verfassungswidrig, dass die gesetzliche Krankenversicherung auf 95% der Bevölkerung anwächst, wenn aus verfassungsrechtlicher Sicht nur bis 50% der Bevölkerung in einer Solidarversicherung eingebunden sein sollten (Sodan 1997). Dieses Gesetz ist gegen die freiberuflich tätigen, niedergelassenen Ärzte gerichtet. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versucht, das umzusetzen, was sie 2003 angekündigt hat: Schluss mit der Ideologie der Freiberuflichkeit der Ärzte (Sodan 2006  http://www.arzt-in-europa.de/pages/2006HS_Berufsfreiheit.html).

Zwangsfinanzierung durch PKV

Nicht zuletzt muss die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsfinanzierung des Basistarifs der Privaten Krankenversicherungen hinterfragt werden.

Weitere staatliche Zwänge

Wenn ein bislang überwiegend freiheitliches Gesundheitssystem wie das deutsche durch Gesetz, d.h. durch staatlichen Zwang, zu einem staatlich dirigierten System umgewandelt wird, gibt es sicher etliche Leistungserbringer, die gegen diesen Systemwandel verfassungsrechtliche und europarechtliche Einwände haben werden. Die Klagen der Betroffenen bleiben abzuwarten.

Ist Gesundheit Privatsache oder Staatsangelegenheit?

Überhaupt darf die Frage erlaubt sein: Was spricht dafür, dass individuelle Gesundheit in erster Linie ein vom Staat zu schützendes Gut ist?

Vieles spricht nämlich für die These „Gesundheit ist in erster Linie Privatsache“, denn

Es ist nicht verständlich, warum der Staat ein Gut, das überwiegend vom Verhalten des Individuums abhängt, schützen soll und will, und das auch noch unter Verletzung der Grundrechte von Bürgern (u.a. Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit der Ärzte, Selbstbestimmungsrechte der Patienten).

Schlussfolgerung für Ärzte

Dieses Gesundheitsreformgesetz führt in ein staatlich-reglementiertes Gesundheitssystem (Staatsmedizin) und ist in vielen Punkten gegen die Grundrechte der Bürger gerichtet. Es ist unterfinanziert und nicht nachhaltig, weil die Finanzierung des Gesundheitssystems nachfolgenden Generationen aufgebürdet wird. Es steht den Grundfreiheiten der Europäischen Union – freier Wettbewerb und Dienstleistungsfreiheit – entgegen.

Offensichtlich sind die  politischen Waffen unserer Interessenverbände im Kampf gegen die Staatsmedizin stumpf geworden. Der Staat hört nicht mehr auf die Leistungserbringer. Deswegen müssen jetzt Ärzte ihre Freiberuflichkeit vor Ort in den Praxen verteidigen. Wirtschaftliche Notwendigkeiten haben Vorrang vor dem Wunsch, Zwei-Klassen-Medizin zu vermeiden. Erst wenn die Bevölkerung erfährt, was an „optimaler“ Medizin wirklich mit den GKV-Beiträgen geleistet werden kann, wird sie auf den Boden der Tatsachen anlangen und mit Gesundheitsgütern bewusster umgehen.

Ärzte sollten sich gegen dieses Gesetz mit folgenden Aktionen wehren: 

1. Sie unterstützen alle Aktionen, die das Gesetz verhindern können.

2. Freiberuflich tätige Ärzte  werden – entgegen den Intentionen dieses Gesetzes - ihre Praxen weiterhin nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten führen und deshalb ihre Leistungen in zeitlicher und qualitativer Hinsicht  der Höhe der Bezahlung anpassen. Wenn dabei eine Zwei-Klassen-Medizin herauskommt, ist das nicht Schuld der Ärzte, sondern Schuld der Politiker.