Rückbesinnung auf das durch die Verfassung geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit

Ulla Schmidt: Endlich Schluß mit der Ideologie der Freiberuflichkeit

2006 +++ Helge Sodan +++ Quelle: Internet

Vortrag im Rahmen des "Gesundheitspolitischen Aschermittwochs"  am 1. März 2006 in Bielefeld (auszugsweise nach Veröffentlichung in http://www.facharzt.de/ )

Auszüge:

Ein Positionspapier aus dem Bundesministerium für Gesundheit stellt die geplante Regelung einer privatärztlichen Behandlungspflicht zu abgesenkten staatlichen Gebührensätzen ausdrücklich unter den Vorbehalt einer verfassungsrechtlichen Prüfung. Das Ergebnis dieser Prüfung muß nach meiner festen Überzeugung eindeutig negativ ausfallen.

In der Rechtsprechung wird ein Rechtsanspruch auf eine angemessene Vergütung der einzelnen vertragsärztlichen Leistungen bislang nicht anerkannt. Es ist schon geradezu zynisch, wenn das Bundessozialgericht nur einen Anspruch auf eine angemessene Teilhabe an der Verteilung der Gesamtvergütung und damit des Mangels anerkennt. Und es ist in höchstem Maße befremdlich, daß das  Bundesverfassungsgericht die Sozialgerichte trotz mehrfacher Gelegenheit nicht zur Ordnung ruft. Dabei stellte das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1993 allgemein zutreffend fest, daß die grundrechtlich geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, untrennbar mit der Freiheit  verbunden ist, eine angemessene Vergütung zu fordern. Wie tief sind wir eigentlich in  Deutschland gesunken, wenn ein solcher elementarer Grundrechtsanspruch insbesondere  den Vertragsärzten aber beharrlich verweigert wird?

Im Jahre 2004 stellte der Heidelberger Staatsrechtslehrer Eberhard Schmidt-Aßmann zu  Recht fest: "Von der kontinuierlichen Liberalisierung, die die Grundrechtsrechtsprechung in andere Teile der Wirtschafts- und Sozialordnung hineingetragen hat, ist das Gesundheitsrecht ausgespart geblieben. ... Nach wie vor ist das Gesundheitsrecht in seinem Kern ein um sich selbst kreisendes Sonderrecht."

Die Freiberuflichkeit scheint der Bundesgesundheitsministerin ein Dorn im Auge zu sein. So führte sie im Rahmen einer Pressekonferenz der SPD in Berlin am 21. Juli 2003 bei der Vorstellung der "Eckpunkte der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform" wörtlich aus: Man müsse "endlich Schluß machen mit der Ideologie der Freiberuflichkeit".

Vor allem zeigt das Zitat, auf welchem geistigen Nährboden die sogenannte Gesundheitsreform aus dem Jahre 2003 erwachsen ist. Die Bemerkung der Bundesministerin, mit der offensichtlich besonders die beruflichen Rahmenbedingungen für Vertragsärzte gemeint waren, bringt eine Diffamierung des Freien Berufs an sich zum Ausdruck. Sie mißachtet zugleich die große Bedeutung, welche die Tätigkeiten von Freiberuflern als klassischen Mittelständlern für unser Gemeinwesen besitzen.

Kampf um die "Freiheit vom Staatszwang" ist im Gesundheitswesen aktueller denn je. Mit ihrer Forderung, endlich Schluß zu machen mit der Ideologie der Freiberuflichkeit, wollte die Bundesministerin offenbar die immer stärkere Inpflichtnahme Freier Berufe durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigen. Die stetige Zunahme der Restriktionen zu Lasten insbesondere von Vertragsärzten steht naturgemäß in einem Spannungsverhältnis zur Freiberuflichkeit. Wird die Freiberuflichkeit geopfert, so scheint der Weg frei zur vollständigen Sozialisierung vertragsärztlicher Tätigkeit. Hier liegt das grundsätzliche Problem, mit dem niedergelassene Ärzte konfrontiert werden, die ihre Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen.

Statt marktwirtschaftliche Elemente in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken, wird in diesem Bereich die Planwirtschaft immer stärker ausgeweitet.

Meinhard Miegel: "Die sozialstaatliche Bevormundung und Gängelung der Bürger ist ein feudalstaatliches Relikt, das in freiheitlichen Gemeinwesen einen Fremdkörper bildet. Der Sozialstaat gerade deutscher Prägung wurzelt in vordemokratischen Zeiten und hat die Entwicklung einer Bürgergesellschaft lange behindert."

Ganz bewußt hat der Verfassungsgeber den Grundrechtskatalog an die Spitze des Grundgesetzes gestellt. Bereits in Art. 1 Abs. 3 GG heißt es, daß die nachfolgenden Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Von einem sozialen Bundesstaat bzw. sozialen Rechtsstaat ist erst in Art. 20 und 28 GG die Rede. Das sogenannte Sozialstaatsprinzip steht nicht über den Grundrechten, sondern es entfaltet sich im Rahmen und damit unter Wahrung der Grundrechtsordnung.

Dringend geboten sind also – gerade im deutschen Gesundheitswesen – eine Renaissance der Freiheit und eine Rückbesinnung auf das durch die Verfassung geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit. Erst dann hätte auch die ärztliche Freiberuflichkeit wieder eine Chance.