Zahl der Operations-Fälle 2006 - es fehlen exakte Daten

Bundesweite Statistik von Operationen und Prozeduren wünschenswert

2008 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: ambulant operieren 3/2008, 141-145

Die letzten einigermaßen exakten Zahlen zu ambulanten Operationen in Deutschland wurden 2006 veröffentlicht [1] , [2] . Damals lieferte das Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) noch Daten zum Ambulanten Operieren im Kassenärztlichen Bereich für das Jahr 2004. Es war bekannt, dass mit der Einführung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs EBM 2000plus und dem Wegfall der OP-Zuschlagsziffern im Jahre 2005 eine Statistik nach Operationsfällen im Kassenärztlichen Bereich erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde. Dies mag auch der Grund sein, warum die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV und das ZI auf Anfragen keine Daten zu den Operationsfällen in 2005 geliefert haben.

Im Jahre 2004 gab es laut ZI 3.810.000 ambulante Operationen, genauer Operations-Fälle (OP-Fälle), die über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit den Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgerechnet wurden. Da damals die Zahl der ambulanten OP-Fälle gleichbleibend oder eher rückläufig war und die Situation in den Arztpraxen sich seither auch nicht spürbar gebessert hat, ist anzunehmen, dass die Zahlen für 2005 und 2006 nicht höher als 2004 lagen. Hier fehlen aber exakte Daten.

Verschiedene Zahlen zum Ambulanten Operieren

Jetzt erreichen uns immer wieder Anfragen, besonders aus der Industrie, wie viele ambulante Operationen es in Deutschland heute gibt. Gleichzeitig wird darüber geklagt, dass es im Internet die unterschiedlichsten Zahlen zum Ambulanten Operieren gebe. Über eine eigene Recherche wurden jetzt folgende Daten im Internet ermittelt:

Bundesministerium für Gesundheit BMG

Für 2004 werden 5.670.979 Abrechnungs- und Leistungsfälle für ambulante Behandlung [3] angegeben und 909.865 Leistungsfälle Ambulantes Operieren im Krankenhaus nach § 115b [4] .

Statistisches Bundesamt

Im Jahre 2006 fanden 5.389.936 Operationen bei vollstationären Patienten [5] statt. In einer anderen Quelle gibt das Statistische Bundesamt für 2006 12.617.955 Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern [6] an. In einer Pressemitteilung Nr. 164 vom 17.04.2007 werden 36,1 Millionen Operationen und medizinische Prozeduren bei stationären Patienten [7] genannt.

Gesundheitsberichterstattung Bund

Diese relativ neu eingerichtete Homepage gibt für 2006 1.145.694 ambulante Operationen im Krankenhaus bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, Leistungsfälle (Anzahl) [8] an. In einer weiteren Statistik nennt die Berichterstattung für 2006 1.513.716 ambulante Operationen unter dem Titel "Krankenhäuser mit ambulanten Operationen und Anzahl von ambulanten Operationen" [9] .

Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG

Die DKG veröffentlicht GKV-Ausgaben für Ambulante Operationen [10] .

Private Krankenversicherung PKV

Daten zu Operationsfällen sind nicht auffindbar.

Der Anteil der Privat-Versicherten am Gesamtkollektiv der Versicherten, der sog. PKV-Anteil wurde für 2006 mit 10,77 %berechnet; denn im Jahr 2006 gab es 70 Millionen GKV-Versicherte [11] und 8 Millionen PKV-Vollversicherte [12] . Unberücksichtigt bleibt der Anteil der Nicht-Versicherten.

Definitionen

Zu den Statistiken von Fällen, Operationen oder Prozeduren

Die unterschiedlichen Zahlen zum Ambulanten Operieren erklären sich dadurch, dass sie sich zum Teil auf Operationsfälle, also Patienten, und zum Teil auf Operationen bzw. Prozeduren, d.h. Eingriffe, beziehen.

Ein Beispiel mag dieses verdeutlichen: Wenn eine Patientin eine Ausschabung (Abrasio) vor einer Gebärmutterentfernung (Hysterektomie) erhält und zwar an ein und demselben Tag, dann ist dieses ein OP-Fall (Patientin), aber es sind zwei von einander getrennte Operationen (Eingriffe). Die Zahl der Operationen ist also gleich wie oder höher als die Anzahl der OP-Fälle. Dieses wird z.B. bei der Anzahl der Operationen im Krankenhaus deutlich (siehe oben Gesundheitsberichterstattung Bund): Im Jahre 2006 lag die Zahl der Operationen (1.513.716) um 368.000 höher als die Zahl der OP-Fälle (1.145.694).

Eine ähnliche Situation wurde vor Jahren im Kassenärztlichen Bereich beobachtet. Dort wurden aus abrechnungstechnischen Gründen möglichst viele Operationsziffern pro Fall angegeben, was zu der Entscheidung führte, dass nur ein einziger OP-Zuschlag pro Fall gegeben wurde und damit die Zahl der OP-Fälle an der Zahl der OP-Zuschläge gemessen werden konnte.

Auswertung von OP-Fällen

Arztpraxen

Für die OP-Statistiken im kassenärztlichen Bereich (EBM-Abrechnung über GKV) wurden bis 2004 vom ZI immer OP-Fälle ausgewertet. Im privatärztlichen Bereich (Abrechnung nach GOÄ über PKV) können praxisintern die OP-Fälle ebenfalls über die OP-Zuschläge erfasst werden. Es gibt jedoch keine offizielle OP-Statistik im privatärztlichen Bereich.

Krankenhausbereich:

a. Stationäre Behandlung

Für stationäre Behandlungen bzw. Operationen gibt das Statistisches Bundesamt zwei verschiedenen Statistiken heraus:

  1. Krankenhausstatistik,
  2. DRG-Statistik.

Beide Statistiken haben nichts miteinander zu tun und basieren auf verschiedenen Datenerhebungen.

Für stationär durchgeführte Operationen kommt zurzeit nur die Krankenhausstatistik in Frage, da sie auch Zahlen zu Operations-Fällen aufweist. Die DRG-Statistik gibt bislang nur Daten zu Operationen und Prozeduren wieder, die mit einer Statistik aus OP-Fällen nicht verglichen werden kann.

b. Ambulante Behandlung nach § 115 b SGB V im Krankenhaus

Hier gibt die Gesundheitsberichtserstattung des Bundes (www.gbe-bund.de) sowohl eine Statistik nach Leistungsfällen als auch eine nach Anzahl von ambulanten Operationen heraus.

Zahl der OP-Fälle

Die Zahl der ambulanten und stationären Operations-Fälle wurde in Tabelle 1 zusammengestellt:

Die stationären Operations-Fälle (GKV + PKV) stammen aus der Krankenhausstatistik des Statistischen Bundesamtes; die ambulanten Operations-Fälle der GKV im Krankenhausbereich (§ 115 b SGB V) sind der Gesundheitsberichterstattung Bund entnommen. Die Operationsfälle von Privatversicherten können nur hochgerechnet werden mit Hilfe des PKV-Anteils von 10,77 % am Kollektiv der Gesamtversicherten. Zusammen ergibt dieses 1.269.085 ambulante Operations-Fälle im Krankenhaus. Die ambulanten Operationen im Krankenhaus machen einen Anteil von 19 % an den Gesamtoperations-Fällen im Krankenhaus aus.

Für die ambulanten Operations-Fälle im GKV-Bereich der Arztpraxen gibt es leider keine neuen Zahlen. Deshalb wurden die Zahlen des ZI aus dem Jahre 2004 genommen, das sind 3,81 Millionen ambulante Operations-Fälle im Kassenärztlichen Bereich. Für Privatversicherte und Selbstzahler wurden die Operations-Fälle mittels des PKV-Anteils hochgerechnet. Für die Schönheitsoperationen wurden ebenfalls die Daten von 2004 genommen (270 000), obwohl das BMG mittlerweile auch Zahlen von 700.000 Schönheitsoperationen pro Jahr diskutiert [13] .

Zusammengefasst ergeben sich 5.759.422 ambulante Operations-Fälle in Deutschland (Krankenhaus und Arztpraxen). Der Anteil der ambulanten OP-Fälle im Krankenhaus an der Gesamtzahl der ambulanten OP-Fälle beträgt 22 %. Aus den Zahlen für ambulante und stationäre OP-Fälle ergibt sich ein Anteil von 52 % ambulant durchgeführter Fälle im Gesamtkollektiv der Operationen in Deutschland.

GKV-Abrechnungsfälle Ambulantes Operieren

Die Grundlagen dieser GKV-Statistik KG3 sind offenbar andere als die Operations-Fälle des ZI; denn beide Statistiken differieren zu stark. Die GKV-Statistik KG3 zeigt jedoch, dass die Abrechnungsfälle für Ambulantes Operieren in den letzten Jahren etwa gleichbleibend sind und am höchsten im Jahre 1998 waren (Tab. 2). Im Jahre 1998 konnten ambulante Operationen bei GKV-Versicherten auch über Kostenerstattung abgerechnet werden. Ob hier ein Grund für die vielen abgerechneten ambulanten Operationen liegt, bleibt offen.

Die Tabelle zeigt außerdem, wie das Ambulante Operieren auf die einzelnen Krankenkassen verteilt ist.

GKV-Ausgaben

Auf der Homepage der Deutschen Krankenhausgesellschaft DKG gibt es Angaben zu den GKV-Ausgaben für ambulante Operationen, und zwar für den Bereich

  1. außerhalb des Krankenhauses und
  2. im Krankenhaus.

Es fällt eine deutliche Zunahme der GKV-Ausgaben für Ambulantes Operieren im Krankenhaus bis 2005 auf (Tab. 3). Die Ausgaben 2005 betrugen 40 % der Ausgaben des kassenärztlichen Bereiches, obwohl nur 22 % der ambulanten Operations-Fälle im Krankenhaus stattfanden (Tab.1). Hier besteht Klärungsbedarf.

Diskussion

Ambulantes Operieren im Krankenhaus nach § 115 b SGB V hat zugenommen, nicht dramatisch, jedoch deutlich. Damit wurde der Anteil der ambulanten Operationen an der Gesamtzahl der Operationen auf 52 % gegenüber 40 % in 2004 verbessert. Jedoch liegt Deutschland nach wie vor weit hinter den Spitzenreitern Kanada und USA, die Anteile des Ambulanten Operierens bis 87 % aufweisen [14] .

Verbessert hat sich auch die Datenlage beim Ambulanten Operieren nach § 115 b SGB V, da es jetzt auch Statistiken über OP-Fälle gibt, die 2004 noch nicht vorlagen. Die Suche nach Gesundheitsdaten wurde über die Homepage Gesundheitsberichtserstattung Bund deutlich erleichtert.

Fehlende Daten

  1. Es fehlen Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV über Operations-Fälle seit 2005
  2. Es fehlen auch Daten über Operations-Fälle bei Privatpatienten und Selbstzahlern sowohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich.
  3. Es fehlen Daten zu Schönheitsoperationen.

Wünschenswert

  1. Die Erhebung statistischer Daten zum ambulanten und stationären Operieren sollte auf der Grundlage von Operations-Fällen, d.h. Zahl der operierten Patienten erfolgen. Eine Statistik nach OP-Fällen gibt eine bessere Abbildung des Leistungsgeschehens als diejenige nach Operationen bzw. Prozeduren (Eingriffen); sie vermeidet abrechnungsbedingte Verzerrungen und stellt eine Vergleichbarkeit mit fallbezogenen Daten aus dem GKV-Bereich her. Es wäre wünschenswert, dass auch die sog. DRG-Statistik des Statistischen Bundesamtes die Daten auf Operations-Fälle bezöge.
  2. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV müsste dringend die Operations-Fälle von 2005 und den nachfolgenden Jahren nach dem EBM 2000plus zusammenstellen. Dieses müsste technisch möglich sein, da sich alle Operationen in einem Abrechnungskapitel des EBM 2000plus befinden.
  3. Die KBV hat das Problem, dass Operationen in zunehmendem Maße außerhalb des kassenärztlichen Bereiches - u.a. Operationen im Rahmen der Integrierten Versorgung und anderer Verträge mit Krankenkassen - erfolgen und die Kassenärztlichen Vereinigungen diese OP-Fälle nicht mehr abrechnen. Deswegen ist eine deutschlandweite Leistungsstatistik von allen Op-Fällen - von GKV-Versicherten, Privatpatienten und Selbstzahlern - von Nöten.
  4. Auch Schönheits-Operationen sollten erfasst werden. Sie könnten wesentlich höher liegen als die angegebene Zahl von 270 000, denn sie wurden vom BMG auch auf 700.000 geschätzt.

OP-Statistik mit Qualitätssicherung kombinieren

Eine bundesweite Statistik von Operationen und Prozeduren sollte auf folgende Basisdaten aufgebaut werden:

  1. Zahl der Operations-Fälle (= Patienten)
  2. Charakterisierung der Haupt-Operation/Prozedur nach einem internationalen Klassifikationsschlüssel, und zusätzlicher Operationen/Prozeduren
  3. Durchführungsart
    1. Ambulant
    2. Stationär
  4. weitere Daten, z. B. Krankenversicherung

Ein solche OP-Statistik lieferte auch alle Daten für einen internationalen Vergleich, der zuletzt 2004 für 37 Index-Operationen/Prozeduren veröffentlicht wurde (Toftgaard, Parmentier 2006, siehe Fußnote 14).

Die für obige Statistik erforderlichen Daten sind in der Datenerhebung für die Qualitätssicherungssysteme AQS1 und SQS1 enthalten [15] . Es könnte also eine bundesweite Statistik von OP-Fällen und Operationen/Prozeduren mit einer in der Praxis bewährten Qualitätssicherung kombiniert werden. Dieses hätte folgende Vorteile:

  • Das Leistungsgeschehen in der operativen Medizin wird bundesweit abgebildet und kann international verglichen werden.
  • Bevölkerungsbezogene Daten zu Index-Operationen  können bei der Planung von Krankenhaus- und Praxis-Kapazitäten berücksichtigt werden (siehe Tabelle „Häufigkeit von ambulanten Operationen pro 100 000 Einwohner“. Brökelmann u. Reydelet 2006, Quelle in Fußnote 2).
  • Das Qualitätssicherungssystem AQS1/SQS1, bei dem Operateur, Anästhesist und auch Patient ihre jeweilige Beurteilung abgeben, dient in erster Linie der Verbesserung der Qualität der einzelnen Leistungserbringer. Die Anonymität der Daten ist gewahrt. Es ermöglicht jedoch einen bundesweiten und auch gruppen-individuellen Vergleich (Benchmarking) für verschiedene Index-Operationen [16] . Aufgrund der gewonnenen Erfahrungen wird ein bundesweites Projekt für 16 Qualitätsindikatoren vorgeschlagen [17]

Zusammenfassung

Eine exakte bundesweite Statistik zu Operationen im ambulanten und stationären Bereich ist aufgrund fehlender Daten nicht möglich. Mit den vorhandenen Einzelstatistiken und Hochrechnungen konnte eine Zunahme der ambulanten Operationen auf 52 % aller Operations-Fälle in Deutschland wahrscheinlich gemacht werden. Diese 52 % sind immer noch wenig im Vergleich zu international erreichbaren Anteilen von 80-87 %. Es wird vorgeschlagen, eine international vergleichbare, bundesweite  Operationsstatistik nach OP-Fällen mit einer in der Praxis bewährten und kostengünstigen Qualitätssicherung mit Benchmarking zu kombinieren.

Prof. Dr. Jost Brökelmann


[1] Zahl der Operationen in Deutschland - im Krankenhaus und in der Praxis

http://www.operieren.de/content/e3472/e3675/e11937/e11938/index_ger.html

[6] Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern ad-hoc-Tabelle, DRG-Statistik www.gbe-bund.de

[8] Ambulante Operationen im Krankenhaus bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, Leistungsfälle (Anzahl). http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/337474899/25210443

[9] Krankenhäuser mit ambulanten Operationen und Anzahl von ambulanten Operationen. ad-hoc-Tabelle (http://www.gbe-bund.de/oowa921-install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/37021919/41475799)

[13] Meldepflicht: Ärzte müssen petzen. kma 11/07.12 http://www.mao-bao.de/aktuell07/Aktuell43_07.html

[14] Toftgaard C, G. Parmentier. International Terminology in Ambulatory Surgery and its worldwide practice. In: Day Surgery. Development and Practice. P. Lemos, P. Jarrett, B. Philip, eds. International Association for Ambulatory Surgery (IAAS) 2006, 35-59

[15] http://www.medicaltex.de/Index.php

[16] Brökelmann J., Mayr R. Quality Assurance and Benchmarking in Ambulatory Surgery (www.ambulatorysurgery.org/Vol13-3.pdf)

[17] Brökelmann J, K Bäcker. Qualitätsindikatoren für ambulante Operationen – ein Projekt von BAO und medicaltex. Ambulant operieren 3/2007, 151-152 http://www.arzt-in-europa.de/pages/2007BAO_Qualitaetsindikatoren.html