"Öffentliche Armut" und "privater Reichtum" im Gesundheitswesen?

Deutschland hinterfragt die Rolle und die Aufgaben des Staates

2009 +++ Paul Andermann +++ Quelle: Studienarbeit im Modul European Health Care, MBA-Studiengang Health Care Management, Fachhochschule Deggendorf. Originalarbeit hier (pdf-Datei)

In Deutschland ist schon seit längerem eine Diskussion über 'öffentliche Armut' und 'privaten Reichtum' im Gesundheitswesen im Gange. In der Gesundheitsökonomie ist darunter in erster Linie die chronische Finanzarmut der öffentlichen Haushalte und der damit einhergehende Investitionsrückgang für die Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft zu verstehen, der ein stetig anwachsendes Geldvermögen von privaten Versicherungsunternehmen und privaten Anbietern von Gesundheitsleistungen gegenüberstehen. Die Knappheit öffentlicher Kassen und die zunehmende Staatsverschuldung führen notgedrungen auch zu Leistungs- und Qualitätseinbußen im Gesundheitswesen und machen eine Neudefinition staatlicher Kernkompetenzen erforderlich. Wir kommen um die Beantwortung der Frage nicht herum, ob der Staat für das gesamte Gesundheitswesen zuständig ist oder ob er nur für einen sozial gerechten Ausgleich zu sorgen hat. Damit wäre der Weg vom Wohlfahrtsstaat zum Gewährleistungsstaat vorgezeichnet.

Diese Diskussion wird auch in anderen europäischen Ländern geführt. Allen gemeinsam ist die Suche nach einer neuen Balance zwischen der Zukunftsfähigkeit ihrer Gesundheitssysteme auf einer soliden Finanzierungsbasis und der gesellschaftlichen Idealvorstellung von der Bürgersolidarität. Dabei werden unterschiedliche Wege beschritten, was anhand eines europäischen Ländervergleichs illustriert werden soll (Abb.).


Abb.: Steuern und Sozialbeiträge europäischer Länder in Prozent des BIP 2001.
(Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Wochenbericht 40/2002)

Dem beitragsfinanzierten, pluralistischen und korporatistischen deutschen Modell werden die überwiegend steuerfinanzierten Gesundheitssysteme Großbritanniens und Schwedens gegenübergestellt, wobei Schweden bereits seit Mitte der 1980er Jahre einen Sonderweg eingeschlagen hat. Damit ein Gesundheitswesen in Zukunft gut aufgestellt ist, müssen unweigerlich die Bürger selbst mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen und aktiver ihre Rolle mitgestalten. Der Staat wird nur noch eine Grund- oder Basisversorgung zur Verfügung stellen können, so wie es das Europäische Parlament als europaweit anwendbares Konzept bereits beschlossen hat.