Ärztliche Hilfe zur Selbsthilfe - über eine Mission in Ägypten 2007

Über das Vermitteln Moderner Medizin in einem schwierigen Umfeld

2008 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: BAO Depesche Heft 17 April 2008, 21-24

Nachdem der Deutsch-Ägyptische Ärzteverein im Jahre 2006 mit einem Operationsteam sehr erfolgreich Herzoperationen in Luxor durchgeführt hatte, plante er für 2007, die Mission mit Ärzten verschiedener Fachgebiete auf Assuan auszudehnen. Ziel war nach wie vor,  eine Woche lang bedürftige Leute, die für eine entsprechende Behandlung aus finanziellen Gründen nicht aufkommen konnten, zu operieren und zu behandeln. So sollte wieder ein Team von 10 Personen (Ärzte + Fachpersonal) nach Luxor zu Herzoperationen in der dort bestehenden kardio-chirurgischen Abteilung fliegen, während ein weiteres Team im staatlichen Lehrkrankenhaus Assuan tätig werden sollte.

Im Zuge der Vorbereitungen reifte dann die Idee, neben dem rein karitativen Ziel einen weiteren Schwerpunkt zu setzen: die Hilfe zur Selbsthilfe für Ärzte und Pflegepersonal vor Ort.

Die Mission wurde im Rahmen des Deutsch-Ägyptischen Wissenschaftsjahres 2007 nachhaltig von der Ägyptischen Regierung und insbesondere von der Ägyptischen Botschaft in Berlin unterstützt.

Mission in Assuan
Die Mission Assuan bestand aus 16 Teilnehmern - 11 Ärzten/Ärztinnen, 3 Assistenten/innen und 2 Organisatorinnen. Sie wirkte im Lehrkrankenhaus Assuan der Kena University of Upper Egypt. Die Haupttätigkeiten der einzelnen Fachgebiete waren:

Gynäkologie: Operative Laparoskopien. Operative Hysteroskopien. Sterilitäts-Sprechstunde. Präoperative Sonographie-Diagnostik, allgemeine gynäkologische Probleme

Chirurgie:      Cholezystektomien, Handchirurgische Eingriffe. Ein Notfall Milzruptur

Gastroenterologie:   ERCP ("Endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatiko-Graphie")

Urologie:       Nierenstein-Operationen

HNO:              keine Operationen, nur konservative Behandlungen

Augen:           einige Katarakt-Operationen

Radiologie:   keine Interventionen, nur Weiterbildung

Anästhesie:   Vollnarkosen bei überwiegend chirurgischen Fällen mit vorhandenen Narkosegeräten

Von Seiten des Krankenhauses waren (leider) nur Patienten/innen für die Fachgebiete Gynäkologie und Chirurgie einbestellt worden.

Erfahrungen im klinischen Alltag
Die Strukturqualität der Operationssäle könnte man durchaus als ausreichend bezeichnen; diejenige der übrigen Krankenhausabteilungen dürfte westlichen Standards wohl kaum entsprechen. So waren z. B. OP-Lampen jüngerer Bauart vorhanden. Jedoch wurden z. B. die Lampengriffe nicht sterilisiert, die OP-Lampen konnten deshalb vom Operateur nicht bewegt werden, dafür gab es dann „Assistenten“.

Die Organisation bzw.  Prozessqualität bereitete die größten Probleme für das Krankenhauspersonal, besonders in den OP-Sälen.

Was die Ergebnisqualität betrifft, so gibt es offenbar keine systematische Erfassung von Operationszahlen, Komplikationen, Prozeduren, und wahrscheinlich auch keine Infektionsstatistiken. Histologische Untersuchungen werden in Kairo durchgeführt. Es dauert in der Regel  eine Woche, bis das Ergebnis zurückkommt. Eine Schnellschnittdiagnose ist in Assuan z. Zt. nicht möglich.

Fortbildungsveranstaltungen
Bei den gynäkologischen Seminaren im Lehrkrankenhaus fanden praxisbezogene Themen wie „Tricks und Tipps in der operativen Hysteroskopie und Laparoskopie“, „Minimale Standards für kleine operative Einheiten“, „Qualitätssicherung und Benchmarking“ und „Kosteneffektivität beim Operieren“ lebhaftes Interesse. Die vom Bundesverband für Ambulantes Operieren (BAO) gespendeten Handbücher „Day Surgery“ der International Association for Ambulatory Surgery (IAAS) waren genau das Richtige für diese Ärzte, die Veränderungen in ihrem Land anstreben.

Initiativen zu Veränderungen werden aber offenbar nur im Privatsektor verwirklicht. So besuchten wir eine Praxis bzw. „Praxisklinik“, in der an diesem Tag eine Sectio caesarea stattgefunden hatte, und ein privates Hospital. In den OP-Räumen fanden wir Defibrillatoren und Endoskope, außerdem mit neueren Krankenhausbetten ausgestattete „Intensiv-Zimmer" vor. Diese Privatkliniken sind offensichtlich besser organisiert als die „staatlichen“ Kliniken.

Mögliche Konsequenzen für zukünftige Missionen
Der Wunsch nach Erwerb von technischem Know-how sowohl auf der ärztlichen als auch auf der pflegerischen Ebene ist bei den Ärzten eindeutig vorhanden. Jetzt, da wir motivierte Ärzte vor Ort kennen, sollten die Missionen auch besser vorbereitet werden können, d.h. unter anderem:

Als mögliche Sponsoren von ähnlichen Missionen kommen in Frage

Der Deutsch-Ägyptische Ärzte-Verein DÄÄV wird sich in Kürze mit möglichen Konsequenzen und den weiteren Zukunftsplänen beschäftigen.

Fazit
Das Deutsche Modell, speziell des Ambulanten Operierens in z. T. kleinen, privatwirtschaftlich geführten OP-Einheiten, ist im internationalen Vergleich so erfolgreich und kostengünstig, dass es in andere Länder exportiert werden sollte, z. B. im Rahmen solcher privater Missionen. Dazu bedarf es m. E. keines großen finanziellen Aufwandes. Wie wir bei der jetzigen Mission erfahren haben, unterstützt die Industrie solche Vorhaben, weil sie einen Markt für ihre Produkte sieht. BAO und IAAS könnten durch Öffentlichkeitsarbeit diese Missionen unterstützen. Nicht zuletzt finden sich (bislang noch) genügend motivierte Ärzte, Ärztinnen und Mitarbeiter, die eine Woche lang kostenlos für bedürftige Leute arbeiten wollen, wenn Reisekosten und Unterkunft gewährt werden.

Ähnliche Projekte bieten sich für andere Länder an, z. B. in Osteuropa. Es sind überwiegend solche Länder, in denen ein staatliches oder staatlich unterstütztes Gesundheitssystem eine gewisse Basisversorgung vorhält, ohne die nötigen Finanzmittel für eine flächendeckende Versorgung nach westlichem Standard  aufbringen zu können.

Die jetzige Mission hat gezeigt, dass es besonders die Infrastruktur ist, die verbessert  werden müsste. Dieses kann am effektivsten durch Hilfe zur Selbsthilfe bewirkt werden, also praktische Unterweisung auf allen Ebenen der Versorgung: Ärzte – Assistenzberufe – technische Hilfe bei der Wartung – Patientenmanagement. Dieses geschieht am besten im Rahmen der kleinsten funktionellen Einheit, z. B. des OP-Teams eines OP-Raumes (Brökelmann 2005).

Zusammenfassung
Der Deutsch-Ägyptische Ärzteverein hat 2007 zum 2. Mal eine Mission nach Ägypten gesandt, in diesem Jahr nach Luxor und Assuan. Die Ziele waren, bedürftige Menschen ehrenamtlich zu behandeln und den Ärzten Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Die Erfahrungen auch in diesem Jahr zeigten, dass ein mehr oder weniger komplettes OP-Team aus Arzt – Assistent – Techniker – Organisatoren dem Krankenhauspersonal vor Ort am besten zeigen kann, wie moderne Medizin effektiv umgesetzt werden kann. Die Dankesschreiben aus Assuan bekunden, dass der Wunsch nach Fortsetzung dieser Hilfe stark ist.


[1] Brökelmann J. Wirtschaftliche Praxisführung: Beispiel einer operativen Praxisklinik. In: Wirtschaftlich erfolgreich in der Arztpraxis. R.-R. Riedel et al., Hrsg. Deutscher Ärzte-Verlag 2005