Vor einem Jahr wurde auf dem Internationalen Kongress für Ambulantes Operieren die „Fast Track“ Chirurgie vorgestellt (Brökelmann 2007). Deren Konzepte sind ursprünglich für die Abdominalchirurgie entwickelt worden. Jetzt ist aus Kreisen der deutschen Versicherungsmedizin ein zusammenfassender Aufsatz von Dr. Slany et al. (2008) erschienen. Demnach holt „Fast Track“ Chirurgie nun das in der Krankenhaus-Medizin nach, was bei Ambulanten Operateuren und Anästhesisten schon seit Jahrzehnten bekannt ist: Einsatz mikrochirurgischer, ggf. endoskopischer Methoden, leichte Narkosen, Verordnung nur wirklich notweniger Medikamente und persönliche Betreuung und physikalische Maßnahmen. So schreiben die Autoren Dr. Slany et al. (Auszüge):
- „In der operativen Medizin finden sich Traditionen, Mythen, Rituale und Dogmen, welche Behandlungskonzepte definieren und Strategien festschreiben. Diese Vorgehensweisen werden von 'Schulen' gepflegt und tradiert, ohne dass sie in Studien überprüft oder validiert sind. Hierzu zählen präoperative Darmspülungen und Nüchternheit, postoperativ lange liegende Drainagen, Sonden und Katheter. Langzeitige Ruhigstellung des Darmes nach Abdominaleingriffen oder mehrtägige Immobilisierung. Neue operative Techniken und Verfahren in Chirurgie und Anästhesie einschließlich des postoperativen Schmerzmanagements wie laparoskopische Chirurgie und Regional-/Leitungsanästhesien verringern die Invasivität der Eingriffe und perioperative Morbidität.
- Die Fast Track Konzepte in der operativen Medizin vermitteln anschauliche Beispiele für den Bruch mit Traditionen und der Implementierung neuer Vorgehensweisen, sie reduzieren allgemeine Komplikationen wie Atem- oder Harnwegsinfekte sowie Thrombosen und verkürzen deutlich die stationäre Behandlungsdauer.
- Die Arbeitsgruppe um den dänischen Abdominalchirurgen Henrik Kehlet aus Kopenhagen hat sich systematisch mit Fragen der Verringerung des perioperativen Stresses und der Verbesserung der Rekonvaleszenzbedingungen mit dem Ziel einer Beschleunigung der postoperativen Rekonvaleszenz beschäftigt. Es entstand ein neues Konzept des perioperativen Managements als ein interdisziplinärer Ansatz einer multimodalen Verbesserung der Rehabilitation auch ERAS (enhanced recovery after surgery) genannt.
- Eine deutliche Verkürzung der Behandlungszeit als Resultat dieses Ansatzes begründet den Begriff der "Fast Track Surgery".
- Mittlerweile liegen erste Ergebnisse aussagefähiger deutscher klinischer Studien vor, welche belegen, dass Fast Track Konzepte bei elektiven Eingriffen die Rekonvaleszenz beschleunigen und somit die postoperative stationäre Behandlungsdauer deutlich verkürzen. Gleichzeitig wird die Quote allgemeiner Komplikationen wie Atem- und Harnwegsinfekte sowie Thrombosen verringert. Aus Viszeralchirurgie, Urologie und Kinderchirurgie werden beispielhaft für eine Vielzahl aktueller Publikationen Studien ausgewählt und diskutiert.
- Die Fast Track Konzepte beinhalten die Philosophie, mit Patienten und Angehörigen in einer besonders motivierten Weise zu kommunizieren und ihnen eine aktive Rolle in Ablauf, Reflexion und Beurteilung zuzugestehen.
- Die bisher weit verbreitet geübte Nahrungskarenz von 6 bis 12 Stunden vor allem bei abdominal-chirurgischen Eingriffen ist wissenschaftlich nicht begründet.
- Das kinderchirurgische Fast Track Konzept der Hannover-Studiengruppe beinhaltet die konsequente Vermeidung von Drains, Sonden und Kathetern.
- Die Fast Track Konzepte zu urologischen und abdominellen Eingriffen in der Kinderchirurgie, Kolonchirurgie und Prostatektomie beinhalten die frühe Mobilisation bereits am Operationstag.
Fazit aus versicherungsmedizinischer Sicht
- "Fast Track Konzepte führen zu einem früheren Erreichen der Entlassungskriterien wie Schmerzfreiheit, Mobilität und Wiederherstellung gastrointestinaler Funktion und haben eine deutliche Verkürzung der stationären Behandlungsdauer zur Folge. Besonders bei Kindern ist die Verkürzung der Trennungszeit von Eltern, Familie und häuslicher Umgebung ein bedeutender Zugewinn an Behandlungs- und Lebensqualität.
- Aus der Reduktion der Eingriffsmorbidität und der verkürzten Rehabilitation ergibt sich eine Verkürzung der Gesamtkrankheitsdauer und bei Erwachsenen im Erwerbsleben auch eine verkürzte Arbeitsunfähigkeit mit volkswirtschaftlichen Vorteilen, die bisher nicht objektiviert sind. In der Verminderung der allgemeinen Komplikationen wie Atem- und Harnwegsinfekte und Thrombosen ist eine Verbesserung der Ergebnisqualität abzuleiten, aus welcher sich eine Kostenersparnis ergibt.
- Fast Track Konzepte erfordern den für die Behandlung motivierten und aktiv mitarbeitenden Patienten. Der dafür notwendige Aufwand in Pflege, Physiotherapie und medizinischer Behandlung bedeutet eine Veränderung der Behandler-Patienten-Beziehung; es wird eine Verantwortungspartnerschaft gefördert, in der Selbstverantwortung des Patienten größere Bedeutung zugemessen wird.“
Der medizinische Fortschritt durch die „Fast Track“ Chirurgie ist also durch kürzere Behandlungsdauer und damit niedrigere totale Fallkosten belegt, ähnlich wie es Eichhorn und Eversmeyer (1999) für das Ambulante Operieren nachgewiesen haben. Doch wird auch hier die „bessere“ Medizin nicht durch eine angemessene Vergütung belohnt. So schreiben Slany et. al.:
- Bei einer Behandlungsstrategie "auf einer Schnellspur", welche eine erhebliche Verkürzung der Behandlungsdauer zur Folge hat, ergibt sich im Vergleich zur konventionellen Vorgehensweise eine besondere Problematik aus Sicht der Kliniken: Die regelhafte Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer um mehrere Tage mit der Konsequenz beträchtlicher Abschläge bedeutet für die MH Hannover besonders für Nierenbeckenplastik, Nierenentfernung und Darmanastomose Erlösminderungen, welchen keine gleichwertigen Kostenreduktionen gegenüberstehen.
- Aus Sicht der Kliniken besteht durch die deutliche Unterschreitung der unteren Verweildauer im DRG-Fallpauschalensystem ein ökonomischer Fehlanreiz, welcher die Einführung und weitere Verbreitung der operativen Medizin auf der Schnellspur behindert. Die Konsequenz ist bereits Realität: In Kliniken, welche Fast Track Konzepte auf den Weg gebracht haben, wird mittlerweile das Erreichen der unteren Verweildauer als Entlassungszeitpunkt abgewartet. Die mögliche Verbesserung der Behandlungsqualität durch die Verkürzung der stationären Behandlungszeiten ist in diesen Fällen faktisch neutralisiert.
- Den dargestellten Fehlanreiz beklagen auch diejenigen Kostenträger, welche an Behandlungsqualität ihrer Versicherten in Form von Schmerzfreiheit, früher Mobilisierung und Wiederherstellung gastrointestinaler Funktion als Voraussetzung früherer Entlassung orientiert und interessiert sind, obwohl sich die Möglichkeit einer Kostenersparnis ergibt.
Fazit aus Sicht der Ambulanten Operateure
Es ist traurig aber leider wahr, dass seit Jahrzehnten in Deutschland „Traditionen, Mythen, Rituale und Dogmen“ den Fortschritt in der chirurgischen Medizin sei es Ambulantes Operieren oder „Fast Track“ Chirurgie - behindern, indem moderne, bewährte Methoden nicht angemessen vergütet oder durch Abschläge „bestraft“ werden. Dabei wäre so leicht Abhilfe zu schaffen: Für jede Operationsart gibt es nur ein und dieselbe Bezahlung als DRG-Pauschale unabhängig davon, ob die Operation stationär oder ambulant durchgeführt wird. So machen es die Australier und schaffen einen enormen Anreiz, „Fast Track“ Chirurgie und Ambulantes Operieren zu praktizieren. Denn eingesparte Krankenhaustage bedeuten einen höheren Verdienst. Bei medizinischer Notwendigkeit gibt es dort Zuschläge für eine stationäre Betreuung.
3. Eichhorn S, Eversmeyer H. Evaluierung endoskopischer Operationsverfahren im Krankenhaus und in der Praxis aus Sicht der Medizin, des Patienten und der Ökonomie. Thieme 1999