Auszüge:
Nahezu gebetsmühlenartig wird jede Änderung in der Gesetzgebung unseres Gesundheitswesens als notwendiger und überzeugender Fortschritt in der Gesundheitsversorgung dargestellt. Die Forderung nach Rücknahme dieser Gesetzesänderungen gilt fast als Sakrileg und ist damit kaum Gegenstand der gesundheitspolitischen Diskussion. Wer will schon in den Ruf geraten, den vermeintlichen und nahezu automatisch eintretenden Fortschritt sabotieren zu wollen. Aber ist das, was als Fortschritt bezeichnet wird, auch als Fortschritt bewiesen, wissenschaftlich evaluiert und begründet? Oder geht es nur um eine als Fortschritt maskierte Umsetzung ideologischer Ziele?
Beginnen wir mit der Frage, was von dem bewiesen worden ist, was die Gesetzesflut der vergangenen Jahrzehnte und insbesondere das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) und das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) als Fortschritt, als eine bessere Versorgung des Patienten, bezeichnen. Zunächst führt es bei jedem Kenner der Materie zu ungläubigem Staunen, mit welcher Schnelligkeit und unter welchem Zeitdruck so umfangreiche Gesetze wie das GMG und das GKV-WSG den Status eines Referentenentwurfs erlangt haben und dann auch so oder in nur geringfügig veränderter Form vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden sind.
Das Gesetzesvorhaben wird dann, und es kann nicht anders bezeichnet werden, durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht. Die Berücksichtigung von Einwänden der Fachwelt wird offenbar nur als störend empfunden.
Von mindestens gleich großer Bedeutung ist die Gesetzestechnik, der Aufbau beider Gesetze, der grundlegende Forderungen an eine Gesetzesvorlage vermissen lässt.
Wissenschaftliche Begleitung fehlt
Vom Bundesgesundheitsministerium ist nicht einmal im Ansatz versucht worden, die Auswirkungen früherer Gesetze wissenschaftlich beurteilen zu lassen.
Zur Erinnerung: Dies ist, oder vielmehr war, ein staatsfernes, sich selbst verwaltendes, plurales und dezentral aufgestelltes Gesundheitssystem. Wo also liegen die Gründe dafür, dass dieses System abgeschafft und durch Systemelemente ersetzt werden soll, deren Wirksamkeit für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung zwar behauptet wird, aber nicht bewiesen worden ist.
ldeologie statt Sachlichkeit
Als einzige maßgebliche Schlussfolgerung aus der Vorgehensweise in der Gesundheitsgesetzgebung bleibt die Feststellung, dass auch nicht das geringste Interesse daran besteht, nachprüfbar zu begründen, dass so wie geschehen gehandelt werden muss.
Rücknahme ist Fortschritt
Was eingeführt worden ist, kann auch zurückgenommen werden. Was benötigt wird, sind der politische Wille und die politische Kraft zum Handeln. Was kann daran so falsch sein, wenn es doch dem Fortschritt dient.