Arztsein als Freier Beruf: Rückblick und Perspektiven

"Unfreie" Ärzte sind kein Gewinn

2007 +++ Ulrich Oesingmann +++  Quelle: Arzt & Wirtschaft 10/2007, 8

Der Beruf Arzt ist noch immer ein Traumberuf. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 407.000 approbierte Ärzte in Deutschland, im Jahr zuvor waren es erst 400.500. Auch die Zahl der selbständig tätigen Ärztinnen und Ärzte ist in den letzten Jahren um durchschnittlich 0,6 Prozent pro Jahr auf mittlerweile 127.048 gestiegen. Obwohl der Arztberuf eine hohe Qualifikation erfordert, ist die selbständige und in hohem Maße eigenverantwortliche Aufgabe, der Dienst am einzelnen Patienten sowie zum Wohle der Gemeinschaft, verbunden mit dem gesellschaftlichen Ansehen nach wie vor attraktiv.

Allerdings hat sich der Arztberuf verändert: Durfte sich ein Arzt zu meiner Zeit noch voll und ganz der Heilung seiner Patienten widmen, so unterliegt er heute Anforderungen, die Managerqualitäten abverlangen, gepaart mit technischen Verständnis und Organisationstalent: Politik, Banken und Krankenkassen fordern betriebswirtschaftliches Denken, die Gesundheitswirtschaft erwartet technisches Know-how. Zunehmende Reglementierungen und überbordende Bürokratie im Praxis- und Krankenhausalltag halten den Arzt immer mehr von seiner eigentlichen Aufgabe ab. Keine Frage: Die Freiberuflichkeit hat durch den Druck des Staates auf die Mediziner gelitten.

Ärzte von heute sind die Opfer einer blauäugigen Bevölkerungs- und Sozialpolitik. Doch ihre Bedeutung für die Gesellschaft ist enorm, angesichts einer alternden Bevölkerung.

Ärzte als sogenannte "Geisel" des Staates gab es schon immer: In Zeiten der großen Städteentwicklungen verpflichtete die Obrigkeit ihre Ärzte aus Angst vor Seuchen. Der Absolutismus fürchtete die Eigenständigkeit der Freiberufler – und verbeamtete die Ärzte. Heute steht der Gesetzgeber vor dem Problem des demografischen Wandels: Immer mehr alte Menschen mit "teuren" Krankheiten müssen finanziert werden. Und es gibt immer weniger junge Menschen, die dafür bezahlen können. Der Staat selbst ist in der Pflicht – aber er will nicht. Zu groß wären die Anstrengungen an die eigene Leistungsbereitschaft. So sollen Ärzte "bezahlen", zum Beispiel mit Bonus-Malus-Regelungen und unbezahlten Überstunden. Auch wurde der Ärzteschaft in den letzten 24 Jahren ein Honorarzuwachs von insgesamt 14 Prozent zugestanden. All dies, um öffentliche Haushalte zu entlasten.

Doch nur die Berufsfreiheit kann sicherstellen, dass der Dienst am Patienten auch in Zukunft nach bestem Wissen und Gewissen geschehen kann. Dafür haben die Ärzte gekämpft und tun es weiter. Die Neuregelungen im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sind ein erster Schritt in diese Richtung.

Die Geschichte beweist: Auf Zeiten von Reglementierungen folgten stets Zeiten der Freiheit, weil in Europa jeder Staat irgendwann zu der Erkenntnis kam, dass "unfreie" Ärzte kein Gewinn sind.