Gesundheitsreform: Das holländische Modell

Sind die Reformen im Nachbarland auch hierzulande geeignet?

2006 +++ Schütze-Brief +++ Quelle: Gesundheitspolitischer Info-Dienst 28. Februar 2006 Nr. 18/2006 / Seite 5-6

Hinter den Kulissen wird über die Reform des Gesundheitswesens intensiv diskutiert (und gerechnet). Hoch im Kurs steht nach wie vor das „holländische Modell“. Die vollständige oder teilweise Übernahme dieses Modells könnte allerdings daran scheitern, dass in den Niederlanden für dieses System eine hohe Belastung des Staatshaushaltes hingenommen wird.

Nachstehend ein Überblick über die zentralen Reformmaßnahmen in den Niederlanden im neuen Krankenversicherungsgesetz (ZVW), das am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist (Darstellung von Dr. Stefan Greß, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen in „Die Ersatzkasse“ Nr. 2/2006):

Privatisierung der Krankenkassen

Die Krankenkassen verlieren ihren öffentlich-rechtlichen Status und dürfen künftig Gewinne erwirtschaften. Die Unterscheidung zwischen privaten Krankenversicherern und Krankenkassen entfällt. Alle Regelungen des ZVW gelten für alle Krankenversicherer (sowohl für vormals öffentlich-rechtliche Krankenkassen als auch für vormals private Krankenversicherer).

Versicherungspflicht für die gesamte Wohnbevölkerung

Alle Einwohner der Niederlande müssen sich versichern. Ausnahmen sind nur aus Gewissensgründen möglich. Gleichzeitig dürfen die Krankenversicherer keine Antragsteller ablehnen.

Änderung der Kalkulation der Beiträge

Die Beiträge im Rahmen des ZVW werden unabhängig vom gesundheitlichen Risiko der Versicherten erhoben. Die Hälfte der Beiträge wird einkommensunabhängig von den Versicherten finanziert (rund 1.100 Euro pro Jahr). Die andere Hälfte wird einkommensabhängig von den Arbeitgebern aufgebracht (6,5 % für Unternehmen bzw. 4,5 % für Selbstständige bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze von rund 30.000 Euro pro Jahr).

Steuerfinanzierung der Beiträge für Kinder

Die Beiträge für Kinder werden komplett aus Steuermitteln finanziert.

Beitragssubvention für Personen mit niedrigem Einkommen

Versicherte mit niedrigem Einkommen erhalten steuerfinanzierte Transferzahlungen. Diese sollen verhindern, dass Versicherte übermäßig belastet werden. Die Transferzahlungen orientieren sich nicht an den tatsächlich gezahlten Beiträgen, sondern an den durchschnittlich erhobenen einkommensunabhängigen Beiträgen auf dem Krankenversicherungsmarkt. Damit sollen auch für die Versichertengruppen Anreize geschaffen werden, bei der Wahl der Krankenversicherung auf den Preis zu achten.

Mehr Wahlrechte für die Versicherten

Die Versicherten haben die Wahl zwischen Sachleistungsprinzip und Kostenerstattung. Darüber hinaus können sie wie in der Schweiz zwischen unterschiedlichen Versicherungstarifen wählen (freiwillige Selbstbehalte, Zugang zu einem ausgewählten Kreis von Leistungsanbietern).

Mehr Einfluss für die Krankenversicherer bei der Steuerung der Versorgung

Den Krankenversicherern werden mehr Möglichkeiten bei der Steuerung der Versorgung eingeräumt. Prinzipiell sollen sie in allen Versorgungsbereichen die Möglichkeit bekommen, selektive Verträge mit Leistungserbringern abzuschließen. Die Regierung behält sich jedoch vor, in einzelnen Versorgungsbereichen das Prinzip kollektiver Verträge für eine Übergangszeit beizubehalten.

Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich

Um Anreize zur Risikoselektion von Versicherten zu minimieren, wird der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) auf alle Krankenversicherer ausgeweitet.

Eignet sich dieses Modell für die Übernahme in Deutschland? Aus Sicht der Krankenkassen hat der Vorstandsvorsitzende der Techniker-Krankenkasse, Prof. Dr. Norbert Klusen, bereits darauf hingewiesen, das holländische Hausarztsystem mit einheitlicher Gebührenordnung in privater und gesetzlicher Krankenversicherung sei auf hiesige Verhältnisse nicht übertragbar.