Ärztliche Behandlungspflicht nicht verfassungskonform

PVS-Verband veröffentlicht Gutachten

2006 +++ Schütze-Brief +++ Quelle: Gesundheitspolitischer Info-Dienst 23.03.2006 Nr. 25/2006, S. 8-9

Sollte es zu der von der Bundesregierung geplanten Einführung einer ärztlichen Behandlungspflicht zu abgesenkten staatlichen Gebührensätzen kommen, dann ist das nach Ansicht des Verbandes der Privatärztlichen Verrechnungs-Stellen (PVS Verband) ein Verfassungsbruch.

Der PVS-Verband stützt sich dabei auf ein Gutachten des Staatsrechtlers Prof. Dr. Helge Sodan (Berlin). Wesentlich für diese Bewertung des Regierungsvorhabens seien die im Grundgesetz verankerten Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern.

Die Zuständigkeiten hinsichtlich des ärztlichen Berufsrechtes seien eindeutig verteilt. Ärztliches Berufsrecht sei Ländersache, der Bund habe Regelungskompetenzen ausschließlich für die Berufszulassung.

Die Einführung einer Behandlungspflicht entziehe sich damit der Zuständigkeit des Bundes. Eine Ausnahme bestehe für die Festsetzung der ärztlichen Gebührenordnungen (Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ / Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ). Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) sehe hier eine Bundeszuständigkeit, die sich aus der bestehenden Staatspraxis ableite. Es sei jedoch nicht möglich, in Analogie dazu dem Bund das Recht zuzusprechen, eine Behandlungspflicht einzuführen, denn diese wäre ein absolutes Novum des ärztlichen Berufsrechtes. Eine aus einer Staatspraxis herrührende Zuständigkeit des Bundes scheide damit aus.

Unterstellte man die Regelungskompetenz des Bundes, so Sodan, dann müsste der geplante Eingriff in die ärztliche Berufsfreiheit den hohen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen des Bundesverfassungsgerichtes genügen. Materiell wirke sich die Behandlungspflicht zu abgesenkten Gebühren wie eine Berufszulassungsregelung aus. Da durchschnittlich 20 bis 30 % der Umsätze in den Arzt- und Zahnarztpraxen aus der Behandlung von privat versicherten Patienten resultierten, würde dem wirtschaftlichen Betrieb vieler Arztpraxen die Basis entzogen.

Berufszulassungen seien nur legitim, wenn sie dem Schutz eines „überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes“ dienen würden. Genau dieses überragend wichtige Gemeinschaftsgut lasse sich aber nicht ausfindig machen. Angeführt werden könnte die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die die Kostenträger der Beihilfe seien.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zähle die Haushaltskonsolidierung aber nicht zu diesen besonders schützenswerten Gütern.

Und selbst wenn das der Fall wäre, wäre die Regelung nicht verfassungskonform. Denn dazu müsste sie erforderlich und angemessen sein. Da den Beihilfeträgern aber andere Möglichkeiten offen stünden, wie beispielsweise die Kostenerstattung zu begrenzen, würde das Vorhaben an den genannten Kriterien scheitern.

„Wir sehen mit großer Besorgnis, dass die Hemmschwelle in der Politik immer niedriger wird, auch rechtlich bedenkliche Wege zu gehen, um kurzfristig Haushaltslücken zu schließen“, so Stefan Tilgner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des PVS-Verbandes. Es könne nicht toleriert werden, dass die öffentliche Hand versuche, sich zu Lasten der Ärzte zu sanieren.

Das Gutachten „Privat(zahn)ärztliche Behandlungspflicht zu abgesenkten staatlichen Gebührensätzen als Verfassungsproblem“ von Prof. Dr. jur. habil. Helge Sodan erscheint als Band 5 der Schriftenreihe des PVS-Verbandes