Nichts bliebe so, wie es heute ist

Blaupause oder Modell ohne Wert - die niederländische Reform

2006 +++ Quelle: Gynäkologische Nachrichten 06-07/2006

Radikale Veränderungen der deutschen Krankenversicherungslandschaft und der Leistungsabrechnung in Arztpraxen und Krankenhäusern wären die Folgen, wenn das niederländische Krankenversicherungsgesetz (ZVW) zu einer Quelle der Gesundheitsreform 2006 würde.

Mit deutlichen Worten artikulierte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt kürzlich beim Berliner Hauptstadtkongress ihre Sympathie für zentrale Elemente des niederländischen Reformwerkes. Der niederländische Gesundheitsminister Hans Hoogervorst persönlich warb bei einem Arbeitsfrühstück mit dem Bundestags-Gesundheitsausschuss für sein Modell und stellte es kurze Zeit später auch den Teilnehmern des Hauptstadtkongresses vor.

Dramatisch ist die Zäsur in der Krankenversicherung. Im niederländischen Modell gibt es weder eine klassische private noch eine rein gesetzliche Krankenversicherung. Weder die PKV-Policen der Deutschen Krankenversicherung (DKV) noch die GKV-Policen der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) würden in diesem System in Zukunft noch möglich sein.

„Der erste wesentliche Schritt der Regierung war die Abschaffung des Unterschiedes zwischen Kassen- und Privatpatienten. Von diesem Moment an durften die Arzte für Privatpatienten nämlich keine höheren Sätze mehr in Rechnung stellen", stellte Hoogervorst klar. Die neue Krankenversicherung wäre eine Privatversicherung, die eine staatlich definierte Basisversicherung sowie Zusatzversicherungen umfasst. Beide Säulen kommen auf der Basis privatwirtschaftlicher Krankenversicherungsverträge zustande.

„Seit dem 1. Januar 2006", stellte Hoogervorst klar, „ist das Krankenversicherungssystem für alle niederländischen Bürger gleich."

Der Markt liege in den Händen von Privatversicherungen, die gewinnorientiert arbeiteten. „Die Krankenversicherer sind verpflichtet, jeden Versicherungsnehmer... aufzunehmen." Dieser Kontrahierungszwang lässt den Krankenversicherungen keine andere Wahl, als alle Versicherten - also gesunde wie kranke, junge wie ältere Menschen - ohne Unterschiede zu akzeptieren und mit ihnen identische Krankenversicherungsverträge abzuschließen. Für eine Grundprämie von derzeit 1038 Euro pro Jahr hat jeder Versicherte Anspruch auf ein staatlich definiertes und gesetzlich festgelegtes „Standardpaket".

Wer mehr haben möchte, kann Zusatzversicherungen mit den Kassen abschließen. Hier sind sowohl Versicherungsunternehmen als auch Versicherte frei in der Gestaltung der Angebote und der Wahl der Leistungen. Für die Grundversicherung bezahlt jede Niederländerin und jeder Niederländer 1038 Euro - unabhängig vom Einkommen. Diese Beiträge decken etwa 50 Prozent der Kosten.

Zusätzlich müssen 2006 noch 6,2 Prozent des Einkommens bis zu 30.000 Euro vom Einkommen gezahlt werden. Wer Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit beziehungsweise in Form von Sozialleistungen erhält, hat es gut: Der Arbeitgeber oder der Träger der Leistung zahlt diese Summe in voller Höhe. Es gibt keine Familienpolicen mehr: Nur Kinder unter 18 Jahren sind beitragsfrei mitversichert. Danach ist der Jugendliche voll versicherungspflichtig. Für Bedürftige zahlt der Staat Zuschüsse zur Grundprämie.

„Das neue System verschafft dem Bürger größere Wahlfreiheit. Er kann die Versicherungsgesellschaft frei wählen", machte Hoogervorst klar. Seit Jahresbeginn haben 4,5 Millionen Niederländer ihre Krankenversicherung gewechselt - das sind rund 30 Prozent der Gesamtbevölkerung.