Die holländische Reform - kein passgenaues Muster

Wichtige Unterschiede bei Ärztehonorar und Privatkassen

2006 +++ Florian Staeck +++ Quelle: Ärzte Zeitung 21.03.2006

Anfang des Jahres haben die Niederländer ein Mischmodell aus Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie eingeführt. Einzelne Elemente dieses System sind auch für die deutsche Reformdebatte interessant. Dass Ärzte in Holland gegen diese Fundamentalreform nicht auf die Straße gingen, hatte einen einfachen Grund: Sie waren durch das neue Gesetz direkt überhaupt nicht betroffen.

Holländer geben anteilig weniger für Gesundheit aus

Rahmendaten des Gesundheitssystems im Ländervergleich

 

Anteil der Gesundheits-ausgaben am Bruttoinlands-produkt (2003)

Durchschnittliche Steigerung der Gesundheits-ausgaben pro Jahr (1998 – 2003)

Hausärzte
pro 1000 Einwohner

Niederlande

9,8 %

4,6 %

3,1

Deutschland

11,1%

1,8 %

3,4

Quelle: OECD Gesundheitsdaten 2005, Tabelle: Ärzte Zeitung

Die Reform, die zum 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist, soll das Gesundheitssystem finanziell stabilisieren. Dazu wurden die bislang öffentlich-rechtlichen Kassen privatisiert und mit den privaten Krankenkassen unter einem Dach vereint. 49 private Krankenversicherungen ringen seitdem um die Gunst der 16,3 Millionen Niederländer: Dort sind alle abhängig Beschäftigten, Selbstständige, Rentner, Arbeitslose sowie Kinder versichert.

Die Versicherungsprämie für Kinder wird in den Niederlanden über Steuern finanziert. Dieser Zuschuss des Staates zum Krankenversicherungssystem beläuft sich pro Jahr etwa auf zwei Milliarden Euro.

Auf den ersten Blick scheint das niederländische Modell für Deutschland ideal - vereint es doch Elemente der Bürgerversicherung und der Gesundheitsprämie: Das niederländische Modell ist eine Mischung der beiden Konzepte, die in Reinform von SPD und Union vertreten wurden. Dennoch kann die Reform des Nachbarn keine Blaupause sein für einen Kompromiss in der großen Koalition. Denn zwei entscheidende Voraussetzungen, die in den Niederlanden einen Kompromiss möglich gemacht haben, sind in Deutschland nicht gegeben: Honorierung und Vertragsbeziehungen der Hausärzte mit den Versicherern in den Niederlanden wurden durch die Reform nicht verändert, berichtet der Gesundheitsforscher Greß. Ganz anders in Deutschland: Hier hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit einer Senkung der GOÄ-Sätze gedroht. Geringere Einnahmen durch Privatpatienten aber könnten die wirtschaftliche Grundlage vieler Praxen gefährden.

Die Zusammenlegung der Krankenkassen war in den Niederlanden deshalb möglich, weil die private Krankenversicherung dort nach dem Umlageprinzip funktioniert: Das heißt: Die privaten Kassen haben - im Gegensatz zu Deutschland - keine Rücklagen gebildet.

Die Zukunft der privaten Krankenkassen ist aus Sicht des Gesundheitsforschers Greß der "Kernpunkt der Reformdebatte in Deutschland". "Über alles andere kann man verhandeln." Fest steht nur: So, wie der niederländische Nachbar die Bürgerversicherung umgesetzt hat, wird es in Deutschland nicht gehen.