Für harte Einschnitte in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung plädiert der Kieler Gesundheitswissenschaftler Professor Fritz Beske. In seinem jüngsten Gutachten zur Neubestimmung des Leistungskatalogs der GKV plädiert er für eine klare Prioritätensetzung. Eine Leistungsausweitung ohne Gegenfinanzierung, wie sie gegenwärtig bei der Gesundheitsreform geschehe, sei nicht machbar.
Als aktuelle Beispiele dafür, dass politisch Prioritäten gesetzt werden müssen, nennt Beske:
Diese Vorgehensweise sieht Beske als unehrlich an. Er fordert, die Aufgaben der GKV ganz auf die Versorgung im Krankheitsfall zu konzentrieren. Aus diesem Grund soll Primärprävention eine rein staatliche Aufgabe werden.
Um die Eigenverantwortung zu stärken, müsse gesundheitliches Fehlverhalten finanzielle Konsequenzen haben. Hierfür sei jedoch gegenwärtig kein Konzept erkennbar. In diesem Zusammenhang hält Beske es für erforderlich, die Vergünstigung für chronisch Kranke, deren Selbstbeteiligung auf ein statt zwei Prozent des Einkommens begrenzt ist, abzuschaffen.
Ferner empfiehlt er, alle versicherungsfremden Leistungen aus dem GKV-Leistungskatalog zu streichen: medizinische Vorsorgeleistungen, Kuren für Mütter und Väter, medizinische Reha für Väter und Mütter, schließlich auch Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation außer bei medizinischer Indikation. Entfallen kann nach seiner Auffassung auch die hauswirtschaftliche Versorgung bei häuslicher Krankenpflege, das Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes, das Mutterschaftsgeld und die Selbsthilfeförderung.
Auch die Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung sollte gestrichen werden. Stattdessen würde Beske den Kassen zehn Prozent ihres Budgets als Extra-Geld zur Verfügung stellen. Damit könnten sie ihre Verwaltungskosten abdecken und Modelle wie die Integrierte Versorgung finanzieren.
Harte Einschnitte fordert der Kieler Professor bei Heil- und Hilfsmittel: für Heilmittel müssten evidenzbasierte Methoden gelten. Innerhalb von drei Jahren müssten die entsprechenden Richtlinien evaluiert werden. Die nach seiner Ansicht ausufernde Hilfsmittelversorgung soll durchforstet werden, die Versorgung auf dem neuesten Stand der Technik hält er für fragwürdig.
Die Psychotherapie müsse in die Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfung kommen. Grundsätzlich müssten Patienten "als Teil des therapeutischen Prinzips" an den Kosten beteiligt werden. Die Zuzahlung je Arzneimittel sollte mindestens fünf Euro oder zehn Prozent, jedoch höchstens 20 Euro betragen. Für chronisch Kranke soll es keine Ermäßigungen geben. Generell sollte eine Standard- und eine Wunschversorgung definiert werden. Nur die Standardversorgung müsste von den Kassen bezahlt werden.
Die Definitionsmacht über den GKV-Leistungskatalog und über die Aufnahme von Innovationen sollte beim Gemeinsamen Bundesausschuss liegen, über den das Gesundheitsministerium lediglich eine Rechtsaufsicht hat. Beraten lassen soll sich der GBA vom IQWiG. Dem wird ein zweiter Leiter für den Bereich Medizintechnik vorangestellt. Außerdem soll das IQWiG aus Bundesmitteln finanziert werden. Die Institutsleitung sollte durch ein wissenschaftliches Gremium berufen werden. Das Institut müsse deutlich aufgewertet werden, so Beske.
Obgleich die Leistungsbegrenzungen tiefgreifend erscheinen - gespart wird damit nicht sehr viel. Knapp 2,3 Milliarden Euro sieht Beske in jenen Leistungsbereichen, für die seriöse Berechnungen möglich sind. Das sind rund 1,5 Prozent der GKV-Leistungsausgaben.
Die Studie ist als Band 107 im igsf erschienen und kann gegen zehn Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden unter der Telefonnummer 04 31/ 80 06 00 oder unter info@igsf-stiftung.de.