Korruption als globales Problem im Gesundheitswesen

Transparency International veröffentlicht den 'Global Corruption Report 2006'

2006 +++ Deutsches Ärzteblatt +++ Ausgabe vom 1. Februar 2006 (Internet)

Die Korruptionsschutz-Organisation Transparency International (TI) hat in London ihren Jahresbericht veröffentlicht. Schwerpunkt des "Global Corruption Report 2006" ist die Korruption im Gesundheitswesen. Transparency International hält das Gesundheitswesen wegen seiner hohen Komplexität für besonders anfällig, was im Bericht an zahllosen Beispielen illustriert wird.

Global gesehen gibt es Korruption auf allen Ebenen des Gesundheitswesens vom Gesundheitsministerium bis zum Patienten. Der kriminellen Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Da werden öffentliche Gelder durch korrupte Beamte in private Kassen umgeleitet, oder Kliniken von den Mitarbeitern geplündert. Auf den Lohnlisten stehen Angestellte, die in Wirklichkeit gar nicht existieren. Besonders verbreitet sind Bestechungsgelder. In Bulgarien sowie in weiten Gebieten Südostasiens erwartet Ärzte ein Bakschisch, bevor sie tätig werden. Die Beträge liegen zwischen 10 und 50 US-Dollar, können aber auf bis zu 1.100 US-Dollar ansteigen, wobei eine Bestechung nicht immer eine qualitativ hochwertige Behandlung verspricht.

Auf den Philippinen ging ein Anstieg der Bestechungen an medizinisches Personal um zehn Prozent mit einem Abfall der Impfrate bei Kindern um bis zu 20 Prozent einher. In Kambodscha haben Unterschlagungen dazu geführt, dass sich bestimmte Gesundheitsindikatoren des Landes trotz einer Steigerung der Gesundheitsausgaben verschlechtert haben. Dagegen konnten in Großbritannien die Verluste infolge Korruption seit 1999 durch verschärfte Kontrollmaßnahmen um 300 Millionen US-Dollar gesenkt werden. In Costa Rica, das zu den Ländern mit dem höchsten Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttosozialprodukt gehört, sollen fast 20 Prozent eines internationalen 40-Millionen-Dollar-Kredits, der zur Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen gedacht war, in private Taschen gewandert sein.

Beispiele für Korruption sind für Transparency International auch Marktverzerrungen im Arzneimittelsektor sowie ein schwungvoller Handel mit gefälschten Medikamenten. Marktverzerrungen ergäben sich, wenn Hersteller durch Gewinne mit einzelnen gut verkauften Medikamenten ("blockbuster") in die Lage versetzt würden, die Marketingausgaben so weit zu steigern, dass Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit und Nutzen für den Patienten verordnet würden. In einigen Entwicklungsländern würden 50 bis 90 Prozent der Gesundheitsausgaben für Medikamente verwendet.

Die weitweite Korruption im Gesundheitswesen gefährdet nach Ansicht von Transparency International auch den Kampf gegen HIV/AIDS. Durch die Steigerung der Ausgaben allein sei die Krise in Afrika und anderen Ländern nicht zu lösen. Als Beispiel wird der National Aids Council in Kenia genannt, der völlig unter die Kontrolle von einigen hochrangigen Beamten geraten sei, welche die internationalen Fördergelder über Tarnfirmen systematisch in eigene Kanäle leiten würden. Die Korruption könnte die Ausbreitung der Epidemie sogar fördern, wenn etwa der Transport von sterilen Kanülen oder Bluttests behindert werde. Transparency International sieht drei der acht Millennium Development Goals der UNO durch die Korruption gefährdet. Neben dem Kampf gegen HIV/Aids behindere die Korruption die Senkung der Kindersterblichkeit und die Verbesserung der Müttergesundheit.

Als Gegenmittel empfiehlt die Nicht-Regierungsorganisation mit Sitz in Berlin vor allem eine Verbesserung der Transparenz. Geber und Empfänger sollten – am besten im Internet – offen legen, für wen Gelder bestimmt sind, so dass jedermann prüfen könne, ob die Gelder auch ankommen. Die Länder sollten klare Verhaltenskodizes für Angestellte des Gesundheitswesens und für Anbieter aufstellen. Es müsse Regeln zu Interessenskonflikten geben und die einzelnen Projekte sollten von externen Gutachten überprüft werden. Ausschreibungen müssten öffentlich und transparent gestaltet werden und jede erkannte Form der Korruption müsse hart bestraft werden.

Der TI-Bericht ist hier im Internet abrufbar.