Wie viel Sozialstaat können wir uns leisten?

Für eine langfristig garantierte Grundausstattung der Bürger

2005 +++ Ralf Dahrendorf +++ Quelle: Frankfurter Rundschau, 21.05.2005

Unter der Überschrift "Grundausstattung des Sozialstaates" hat Botschafter der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), Lord Ralf Dahrendorf, in der Frankfurter Rundschau (Ausgabe vom 21.05.2005) einen Beitrag zur Frage des Sozialen in einer Neuen Sozialen Marktwirtschaft veröffentlicht. Dahrendorf thematisiert darin die auch im Rahmen der Kapitalismuskritik diskutierte Frage, wie viel Sozialstaat die Gesellschaft vor dem Hintergrund von Globalisierung und Bevölkerungsrückgang finanzieren kann und will.

Auszüge:

Historisch ist die soziale Marktwirtschaft nicht aus einem Guss; ...deshalb ... konnten Teile der sozialen Marktwirtschaft sich verselbständigen. Es konnte am Ende eine Sozialpolitik geben, die die Dynamik der Marktwirtschaft selbst zerstört. Es konnte auch eine wirtschaftspolitische Konzeption geben, die die gewährten sozialen Leistungen bedroht.

Die entscheidende Frage für die Zukunft ist, wie wir die sozialen Ziele, die dank einer florierenden Marktwirtschaft finanzierbar sind, definieren. Die Frage ist nicht "Wie sozial ist die Marktwirtschaft?", auch nicht "wie sozial soll sie sein?", sondern: "wie viel Soziales erträgt eine wettbewerbsfähige Marktwirtschaft?" und "wer soll dieses Soziale wie bestimmen?".

Ich votiere an dieser Stelle für einen Grundausstattungs-Marktliberalismus.

Entscheidend ist bei alledem die Frage: welche Grundausstattung für alle Bürger lässt sich langfristig durch Umverteilung finanzieren?

Es liegt auf der Hand, dass Deutschland ein die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Steuerzahler überforderndes System der sozialen Sicherheit hatte und auch nach den eingeleiteten Reformen noch hat. Es überfordert, weil es schlicht aus den vorhandenen Mitteln nicht bezahlbar ist und zudem noch eine Spirale wachsender Kosten enthält.

Eine neue soziale Marktwirtschaft wird einem verantwortlichen, nämlich auf mittlere Sicht operierenden Kapitalismus den Vorzug geben.

Eine neue soziale Marktwirtschaft wird darüber hinaus ausloten, in welchem Maße die Bürger bereit sind, ein soziales Netz zu finanzieren.

Meine Präferenz ist die für ein hohes Maß an individueller Wahl- und Entscheidungsfreiheit, daher auch an Selbstbeteiligung, aber zugleich eine langfristig garantierbare Grundausstattung für alle Bürger.