Das Jahrzehnt der Schlaftherapie

Weltweit scheitern die Regierenden an notwendigen Reformen

2005 +++ KENNETH ROGOFF +++ Quelle: Financial Times Deutschland 16. Sept. 2005, Internet

Auszüge:

Wenn die 90er Jahre eine Ära der Schocktherapie waren, so wird man sich an das gegenwärtige Jahrzehnt  möglicherweise als eine Zeit wirtschaftlicher Reformlähmung erinnern.

Nein, das Problem geht tiefer. Tatsache ist, dass die Menschen überall Probleme haben, die rapiden Veränderungen zu akzeptieren, die durch Technologie und Globalisierung ausgelöst werden. Die Globalisierung schafft zwar  erheblich mehr Gewinner als Verlierer. Aber viele Menschen sind besorgt, und besorgte Menschen drängen ihre Führungen zu einem langsameren Vorgehen.

Man könnte den Menschen in den USA und Europa erzählen, dass sie sich an den grenzenlos billigen Waren und den billigen Krediten freuen sollen, die der Handel mit Asien hervorgebracht hat. Aber die Politiker scheint nichts anderes umzutreiben, als dass einige Landwirte oder Textilarbeiter ihre Arbeit verlieren.

Wenn Wandel unvermeidbar ist, müssen wir unsere Volkswirtschaften flexibler machen und bereit sein, mit den Folgen zu leben. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Warum also akzeptiert die Öffentlichkeit diesen Punkt nicht, um die es bei einer marktbasierten wirtschaftlichen Liberalisierung letztlich geht?

Das Problem ist, dass die meisten Menschen nicht begeistert davon sind, in einer Welt zu leben, die sich so rasant wandelt. Die meisten Menschen sind Gewohnheitstiere; die sehnen sich nach Vorhersagbarkeit.

Wird sich die derzeitige Reformlähmung außerhalb Asiens fortsetzen? Werden die Politiker ihren Bürgern endlich erklären, dass ihre Volkswirtschaften, wenn sie weiter schlafen, möglicherweise nicht wieder aufwachen werden?

Kenneth Rogoff war Chefökonom des IWF und ist heute Wirtschaftsprofessor in Harvard.