Ambulantes Operieren wird in der öffentlichen
Diskussion gerne aus unterschiedlicher Motivation heraus als besonders
innovatives Verfahren gepriesen, dennoch zumindest in Deutschland nicht
ernsthaft und in dem möglichen Umfang betrieben. Die Ursachen hierfür sind
relativ einfach. Wie so oft scheitert die Umsetzung an ökonomischen Grenzen.
Nach dem Eingriff zu Hause ausheilen
Tatsächlich unterscheidet sich das Ambulante Operieren in der rein technischen
Durchführung nicht von operativen Eingriffen im stationären Bereich. Der
einzige, wenngleich entscheidende Unterschied liegt in der Tatsache begründet,
dass der Patient den Ort des Geschehens am gleichen Tage verlässt. Insofern ist
der Vergleich mit dem Handwerk der mittelalterlichen Bader zum Zwecke der
Diskreditierung nicht zutreffend, da seinerzeit der „Therapeut“ meist aus gutem
Grund seine Opfer verließ, wogegen der ambulante Operateur für seine Patienten
auch dann dauerhaft erreichbar bleibt, wenn diese in heimischer Umgebung
genesen.
International anerkannt ist die Definition einer Ambulanten Operation als Eingriff, bei dem der Patient die Nacht vor und nach dem Eingriff zuhause verbringt. Bei der folgenden Betrachtung wird diese Definition verwendet, auch wenn es fließende Übergänge zu einer mehrtägigen vollstationären Behandlung in Form so genannter Kurzzeit- oder short stay surgery gibt. Diese definitorische Trennschärfe ist erforderlich, um die Probleme im Ambulanten Operieren zu verstehen.
Starre Trennung ambulant-stationär
Das deutsche Gesundheitssystem ist geprägt von einer starren sektoralen Trennung zwischen dem stationären und dem ambulanten Behandlungsbereich. Für beide gibt es relativ fest zugeteilte Mittel, die nicht gegeneinander verrechnet werden können, auch dann nicht, wenn es zu einer Verschiebung von Leistungen zwischen den Sektoren kommt. Das bedeutet in der Konsequenz, dass eine Verlagerung bisher stationär erbrachter Operationen in den ambulanten Sektor finanziell zum Kollaps der ambulanten Vergütung führt.
Gleichzeitig sind die Vergütungssysteme selbst unterschiedlich. Eine stationäre Behandlung wird nach Fallpauschalen in festen Beträgen vergütet, der gleiche Eingriff ambulant durchgeführt aber in einem kaum kalkulierbaren Punktesystem. Ohne auf die Einzelheiten einzugehen bleibt im Ergebnis eine durchschnittliche Differenz im Verhältnis eins zu sieben; für eine stationäre Behandlung kann der Krankenhausträger also einen siebenfach höheren Erlös erzielen. Es liegt auf der Hand, dass die Kosten-Nutzen-Betrachtung jeden Verwaltungsdirektor davon abhalten muss, stationäre Eingriffe zukünftig ambulant erbringen zu lassen.
Enormes Potential
Dabei haben zahlreiche Gutachten bestätigt, dass durch eine konsequente
Verlagerung ambulant möglicher Eingriffe jährlich Milliardenbeträge eingespart
werden könnten. Dies umso mehr, als durch dramatisch verbesserte Möglichkeiten
sowohl auf dem Gebiet der Anästhesie als auch durch verbesserte
Operationstechniken wie zum Beispiel die endoskopische oder minimal-invasive
Operation auch das Spektrum möglicher Eingriffe deutlich erweitert werden
konnte.
Für die ambulante Operation ist grundsätzlich jeder geeignet, der nicht schwere
und überwachungspflichtige Begleiterkrankung hat, die ein erhöhtes Risiko
bergen. Selbst noch vor wenigen Jahren undenkbar erscheinende Behandlungen wie
der Verschluss eines Lochs in der Herzscheidewand sind heute dank ausgefeilter
Technologien ambulant möglich. Es sind auch weniger medizinische Gründe, die
eine ambulante Operation verbieten. Entscheidend ist die Frage der häuslichen
Betreuung. Ohne ein funktionierendes soziales Umfeld geht es nicht. Die Praxis
beweist allerdings, dass trotz einer deutlichen Zunahme von
Ein-Personen-Haushalten in der Regel eine häusliche Versorgung sicherzustellen
ist.
In den USA werden inzwischen gut 70% der möglichen Eingriffe ambulant erbracht,
in Deutschland weniger als 30%. Letztere Zahl entbehrt leider des statistischen
Nachweises, weil es bedauerlicherweise keine Verpflichtung für die Kliniken
gibt, einen Nachweis über stationär durchgeführte Operationen zu führen.
Insoweit kann nur aufgrund des Datenmaterials aus der ambulanten Versorgung ein
näherungsweiser Rückschluss gezogen werden. Interessant ist allerdings die
Tatsache, dass von allen ambulanten Eingriffen nur zwischen 5 und 10% im
Krankenhaus erbracht werden.
Finanzieller Engpass
Unser Gesundheitssystem kann es sich angesichts der viel zu knappen Ressourcen
nicht leisten, auf das mögliche Einsparpotential Ambulanter Eingriffe zu
verzichten. Der Gesetzgeber hat daher, wenn auch nur in sehr bescheidenem
Umfang, die freie Wahl zwischen ambulanter oder stationärer Behandlung für
einzelne Operationen eingeschränkt. Leider handelt es sich dabei letztlich auch
nur um eine dirigistische Maßnahme, die den Kern des Problems negiert.
Es nützt wenig, bestimmte Eingriffe obligat der ambulanten Durchführung
zuzuordnen, wenn nicht gleichzeitig bestehende Hemmschwellen beseitigt werden,
gar nicht zu reden von der Schaffung von Anreizsystemen. Nach wie vor ist die
Ambulante Operation weder vom freiberuflichen niedergelassenen Operateur
geschweige denn von den erheblich kostenträchtigeren Kliniken kostendeckend zu
leisten. Seit Jahren ist für diesen Bereich eine Quersubventionierung aus
anderen Einkommensteilen erforderlich. Letztlich hat auch der Patient keine
ökonomischen Vorteile, er profitiert „nur“ von einer Optimierung seiner
Befindlichkeit durch enge persönliche Arzt-Patienten-Bindung und die Genesung
im häuslichen Umfeld. Die Operateure gewinnen allenfalls berufliche
Befriedigung, die in Zeiten sinkender Einnahmen nicht mehr über die
finanziellen Verluste hinwegtrösten kann.
Mittlerweile sind aus diesen Gründen die Zahlen Ambulanter Eingriffe
rückläufig. Es besteht die Gefahr, dass die von allen anerkannten Möglichkeiten
des Ambulanten Operierens durch unsinnige Rahmenbedingungen der Gesetzgebung
zerstört werden, noch bevor das Potential auch nur zur Hälfte ausgeschöpft
wäre. Nötig wäre endlich ein unmittelbar dem Eingriff zugeordneter fester
Preis, der am Ort der Leistungserbringung anfällt. Eigentlich eine
Selbstverständlichkeit in jedem anderen Wirtschaftszweig, im Gesundheitssystem
aber ein Fremdwort.