Jeder für sich

Interview mit Henning Klodt, Leiter des Referates Wachstum und Strukturwandel am IfW Kiel

2005 +++ Henning Klodt +++ Quelle: kma 09/05,24

"Das Gesundheitswesen hat ein ganz grundsätzliches Problem: Die Kunden zahlen nicht direkt für die erbrachten Leistungen. Daran ändern alle Gesundheitsreformen nichts, müssten aber genau da ansetzen. Die Ideallösung wäre, wenn jeder Bürger eine Pflichtversicherung abschließen müsste. Daraus entstünde Wettbewerb. Die entstehenden sozialen Probleme müssen nach Ansicht der Ökonomen über das Steuersystem gelöst werden."

- Und ist das finanzierbar?
"Das Institut für Weltwirtschaft sagt dazu, wenn man alle Steuervergünstigungen abbaut – inklusive solcher Dinge, an die noch niemand zu denken wagt, wie die Mehrwertsteuerbefreiung für ärztliche Leistungen, die Mineralölsteuerbefreiung für Flugbenzin, dass energieintensive Wirtschaftsbereiche die volle Ökosteuer bezahlen müssen, denken Sie an die Pendlerpauschale, die Eigenheimzulage – wenn all das wegfällt, dann ist es aufkommensneutral hinzukriegen."

- Was ist an dem Thema Gesundheit so schwierig?
"Wir haben im Gesundheitswesen ein Problem, das es nirgendwo sonst gibt:
Technischer Fortschritt kostet Geld. Wenn früher eine Krankheit tödlich verlief, kann man sie heute vielleicht behandeln. Das verursacht Kosten. Von der Wiege bis zu Bahre wird es mit jeder heilbaren Krankheit immer teurer. Diese Gesetzmäßigkeit findet man in keinem anderen Bereich. Normal ist, dass der technische Fortschritt hilft, Kosten zu sparen. Im Gesundheitswesen werden dadurch enorme Kosten verursacht. Wir müssen uns also langfristig – das wurde bisher verschwiegen – darauf einrichten, dass Gesundheitsausgaben steigen. Wir werden älter. Auch gesünder, also nicht so teuer älter, aber irgendwann sterben wir dann eben doch. Das kann bei unserer Demographie und Arbeitslosigkeit kein System der Welt auffangen".

- Kann man dieses Problem wirklich aus ökonomischer Sicht angehen?
"Ich glaube, wir kommen nicht umhin.
Wir können keine Vollversorgung mehr versichern. Die Krankenkassen behaupten zwar, alles medizinisch Machbare würde getan, in der Realität ist das aber schon längst eine Fiktion."