Gesundheitsreform: Abschied von Bismarck

Der Hartmannbund tritt für ein marktwirtschaftlich orientiertes Gesundheitssystem mit Muss-, Soll- und Kann-Leistungen ein

2005 +++ Hans-Jürgen Thomas +++ Quelle: Deutsches Ärzteblatt: Jg. 102 Heft 36' 9. September 2005 A 2358-2360

Auszüge:

Weder die Regierungs- noch die Oppositionsparteien gehen mit einem schlüssigen Konzept zur künftigen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den Wahlkampf.

Das Gesundheitswesen steht in diesem Kontext nicht alleine. Alle Säulen der sozialen Sicherungssysteme haben mit dem gleichen und grundsätzlichen Problem zu kämpfen. Dieses besteht in der Koppelung der sozialen Sicherungssysteme an die Einkünfte aus Erwerbstätigkeit. Einer ständig abnehmenden Zahl von Menschen, die ihre Einkünfte und Gehälter aus unselbstständiger Arbeit beziehen, steht eine kontinuierlich wachsende Zahl an Empfängern von sozialen Transferleistungen - zu denen bei der Umlagefinanzierung auch die Gruppe der Rentner zählt - gegenüber.

Weder das bestehende GKV-System, in dem keine wirkliche Wahlalternative für die (Zwangs-)Versicherten besteht, noch das System der privaten Krankenversicherung (PKV), indem jeder Versicherte, wenn er das 45. Lebensjahr überschritten hat, wie ein neuzeitlicher Leibeigener an seine Versicherung gebunden ist, werden einem modernen marktwirtschaftlichen Wettbewerbsmodell gerecht.

Katalog mit Grundleistungen

Jeder Bürger dieses Landes muss einen Krankenversicherungsschutz haben. Dieser muss im Umfang eines Mindestkataloges als Grundleistung für jedermann gleichermaßen zur Verfügung stehen. Im Rahmen dieses Grundleistungskataloges können alle Krankenversicherungen ihre Leistungen zu gleichen Bedingungen im Markt anbieten. In diesem Segment besteht Kontrahierungszwang.

Das Leistungsangebot sollte insgesamt drei Stufen umfassen:

1.    Muss-Leistungen - oder so genannte Grund- oder Basisleistungen unterliegen der Versicherungspflicht und sind nicht abwählbar.

2.    Soll-Leistungen - sind medizinisch sinnvolle und wünschenswerte Leistungen, die jedoch nicht (lebens)notwendig sind.

3.    Kann-Leistungen - tragen zur Verbesserung des Wohlbefindens bei und beschleunigen Genesungsprozesse.

In diesen beiden letzten Segmenten gelten für Krankenversicherer und Versicherte rein marktwirtschaftliche (Wettbewerbs-) Bedingungen.

Die Gewichtung der Triade Eigenverantwortung, Subsidiarität und Solidarität muss - exakt in dieser Reihenfolge - greifen. Die Bürger müssen für ihre Verhaltensweisen - auch finanziell - einstehen.

Solidarität soll bleiben

Die entscheidende Frage ist, wie dieser Sozialausgleich zu organisieren ist. Allein in den letzten zehn Jahren haben die GKV-Kassen versicherungsfremde Leistungen in Höhe von rund 100 Milliarden Euro erbringen müssen.

Der gerechteste finanzielle Ausgleich findet in einem fairen Steuersystem statt. Dieses Steuersystem muss jedoch einfacher und gerechter sein als das bisherige. Die Bürger müssen in diesem System entsprechend ihrer wirklichen finanziellen Leistungsfähigkeit in die Verantwortung genommen werden.

Die Glaubensfrage lautet, ob ein privatwirtschaftlich organisiertes System, dem ein gesetzlicher Handlungsrahmen und Aktionsradius vorgegeben wird, oder ein staatliches System besser geeignet ist, die zukünftigen Herausforderungen unseres Gesundheitswesens zu lösen.

Das körperschaftliche GKV-System ist umfassend reglementiert, im wettbewerbsfeindlichen Risikostrukturausgleich erstarrt und deshalb für einen echten Wettbewerb mit der PKV nicht gerüstet. In der Tat handelt es sich bei der Abgrenzung von PKV und GKV um eine artifizielle und historisch gewachsene Trennlinie. Diese aufzuheben und in ein einheitliches marktwirtschaftliches System mit staatlichen Rahmenbedingungen zu überführen muss die Aufgabe des Gesetzgebers sein.