Freiheit als moralische Vision

Der amerikanische Präsident über Rose und Milton Friedman

2005 +++ George W. Bush +++ Quelle: Financial Times Deutschland, 26. Januar 2005

Auszüge:

Als Milton Friedman seine ersten Arbeiten veröffentlichte, galt der Kapitalismus als Auslaufmodell. Doch Friedman ist zu einem der einflussreichsten Reformer Amerikas geworden.

Milton Friedman hat einen brillanten Kopf genutzt, um eine moralische Vision voranzubringen: die Vision einer Gesellschaft, in der Frauen und Männer frei sind, frei zu wählen, aber in der der Staat nicht so frei ist, sich über ihre Entscheidungen hinwegzusetzen.

Diese Vision hat Amerika verändert und verändert die Welt noch heute. (...) Friedman hat uns gezeigt: Versucht der Staat, sein Urteil an die Stelle des Urteils freier Menschen zu setzen, ist das Ergebnis im Allgemeinen katastrophal. Im Gegensatz zur unsichtbaren Hand des freien Marktes, die das Leben der Menschen verbessert, zertrampelt der unsichtbare Fuß des Staates die Hoffnungen der Menschen und zerstört ihre Träume.

Friedman hat nie behauptet, dass freie Märkte vollkommen seien. Er hat aber demonstriert, dass sogar ein unvollkommener Markt bessere Ergebnisse hervorbringt als arrogante Experten und habgierige Bürokraten. Friedman ist nicht allein deshalb gegen staatliche Kontrolle, weil sie ineffektiv ist. Seine Einwände sind moralischer Natur. Er hat uns gelehrt, dass die größte Rechtfertigung eines freien Marktsystems seine moralische Stärke ist. Freiheit dient der Menschenwürde. Freiheit belohnt Kreativität und Arbeit. Man kann die Freiheit in unserer Wirtschaft nicht einschränken, ohne die Freiheit in unserem Leben einzuschränken.

Friedman schreibt: „Ich kenne keine Gesellschaft, die durch große politische Freiheit gekennzeichnet ist und die sich nicht auch etwas bedient, das mit dem freien Markt vergleichbar ist, um den Großteil der Wirtschaftstätigkeit zu organisieren.“ Dieser Standpunkt war einmal umstritten, so wie die Person Friedmans.

Als er mit seiner Arbeit begann, dachten viele, die Tage des Kapitalismus seien gezählt. Die Systeme des freien Marktes galten als ungeeignet für moderne Probleme. Heute erkennen wir, dass freie Märkte große Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Sie sind die Quelle des Wohlstands und die Hoffnung einer Welt, die der Armut und Unterdrückung müde ist.

Wir erleben, wie Friedmans Ideen in Chile zum Einsatz kommen: Dort brachte eine Gruppe von Ökonomen, die man „Chicago Boys“ nannte, die Inflation unter Kontrolle und schuf die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg. Wir haben es in Russland gesehen: Dort hat die Regierung eine Flat Tax, eine pauschale Einkommensteuer, von 13 Prozent eingeführt, mit eindrucksvollem Resultat. Wir erleben es in Schweden, das persönliche Altersvorsorgekonten eingeführt hat. Wir erleben es sogar in China, wo die Regierung längst zugegeben hat, dass der Marxismus für Chinas Probleme „nicht mehr angemessen“ sei.

Dies sind außergewöhnliche Entwicklungen. Sie zeigen, dass der Rest der Welt endlich zu Friedman aufschließt. Doch Friedman hat mehr geleistet, als die Freiheit als abstraktes Ideal zu verteidigen. Auf kreative Weise hat er die Macht der Freiheit auf die Probleme unseres eigenen Landes angewandt - und ist dabei zu einem einflussreichen sozialen Reformer geworden.

Er hat uns gezeigt, wie Freiheit unsere nationale Sicherheit vergrößern kann. Er ist der intellektuelle Pate unserer Berufsarmee. Milton Friedman argumentierte, Amerika könne sich auf die Einsatzbereitschaft von Soldaten verlassen, die dem Militär aus freien Stücken beitreten - und er hatte Recht. Wir haben in jüngster Zeit die Qualität, den Idealismus und die Fähigkeiten der Berufsarmee erleben können. Diejenigen, die unserem Land aus eigener Entscheidung dienen, tun dies ehrenhaft.

Friedman hat uns darüber hinaus gezeigt, wie Freiheit Reformen im Bildungswesen vorantreiben kann. Über Jahre hinweg hat er sich unermüdlich für die freie Wahl der Schule eingesetzt, um den Eltern mehr Einfluss zu geben und die Leistungen der Schulen zu verbessern. Bildungsreformen kommen voran, wenn die Eltern die Informationen und die Macht haben, auf Reformen zu dringen.

Und keine Macht ist stärker als die einer guten Alternative. Kinder aus armen Verhältnissen in Amerika brauchen bessere Optionen, wenn sie in Schulen gefangen sind, die nicht lehren und sich nicht ändern wollen.

Bei all diesen Themen und Debatten hat sich Friedman durch Stimmigkeit der Argumente, Mut und die ihm eigene Unverblümtheit hervorgetan. Seine Ideen haben weltweit Einfluss. Und dank der Stärke seiner Überzeugung hat er seinem Land mit Auszeichnung gedient. Dieser Dienst ist als solcher anerkannt worden - schließlich erhielt er 1976 den Nobelpreis für Wirtschaft, 1988 wurde ihm die Freiheitsmedaille des Präsidenten verliehen.

1938 heiratete Friedman Rose Director - ebenfalls eine hervorragende Ökonomin und der einzige bekannte Mensch, der jemals eine Auseinandersetzung mit Friedman gewann. Ein halbes Jahrhundert später haben Milton und Rose Friedman gemeinsam ihre Memoiren veröffentlicht unter dem Titel: „Two Lucky People“. Daran, dass Milton und Rose Friedman zwei glückliche Menschen waren, gibt es keinen Zweifel. Aber glücklicher noch kann sich Amerika schätzen: Wir hatten Glück, dass ihre Eltern sich entschlossen, von Europa nach Amerika auszuwandern. Wir hatten Glück, dass ihre Eltern ihnen die Liebe und Ermutigung gegeben haben, die sie brauchten, um mutig und erfolgreich zu sein.

Wir hatten Glück, dass Friedman einige der Aufnahmeprüfungen zur Ausbildung als Versicherungsmathematiker nicht bestand - und stattdessen Ökonom wurde. Wir sind dankbar für diese harten Prüfungen. Doch noch viel dankbarer sind wir für das Leben, die Talente und den Intellekt von Milton und Rose Friedman.

[GEORGE W. BUSH ist Präsident der Vereinigten Staaten. Der Text ist die leicht gekürzte Laudatio Bushs zum 90. Geburtstag von Milton Friedman 2002 (FTD-Übersetzung).]