Der Unternehmerlohn in der Arztpraxis

Stundenlohn für Ambulante Operateure sollte 129 Euro betragen

2005 +++ Günter Billstein +++ Quelle: BAO-Depesche Februar 2005, 10-11

Der Steuerberater erstellt für den Arzt üblicherweise zur Gewinnermittlung jährlich eine sogenannte Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Diese dient der Feststellung der steuerlichen Bemessungsgrundlage insbesondere für die Festsetzung der Einkommensteuer. Eine solche Rechnung ist nur bedingt geeignet zur Beurteilung der betriebswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Arztpraxis und erst recht nicht zur Preiskalkulation einzelner Leistungen (wie z.B. einer bestimmten ambulanten Operation).

In der Einnahmen-Überschuss-Rechnung werden lediglich die Einnahmen und Ausgaben nach dem Zuflussprinzip berücksichtigt, und zwar unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit. Beispiel: Die KV-Restzahlung für das IV. Quartal 2003 fließt erst Mitte 2004 zu. Sie wird in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2004 berücksichtigt, obwohl sie wirtschaftlich in das Jahr 2003 gehört. Gleiches gilt beispielsweise für das Steuerberaterhonorar zur Fertigung des Jahresabschlusses 2003, welches i.d.R. auch erst in einem späteren Jahr gezahlt wird. Bei einem gewerblichen Unternehmen, das seinen Gewinn aufgrund einer Bilanzierung (Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) ermittelt, erfolgt für diese Fälle eine entsprechende periodengerechte Abgrenzung. Statt Einnahmen und Ausgaben werden Aufwendungen und Erträge berücksichtigt.

Aber auch bei dieser Abgrenzung werden Kosten außer Acht gelassen, denen kein Aufwand bzw. Aufwand in geringerer Höhe gegenübersteht (Zusatzkosten). Wird beispielsweise die Arztpraxis im selbstgenutzten Einfamilienhaus betrieben, so erscheint kein Mietaufwand in der Gewinnermittlung, da der Arzt sich nicht selbst eine Miete zahlt. Die Abschreibungen werden meist nach steuerlichen Gesichtspunkten ermittelt und nicht nach der tatsächlichen Wertminderung. Aus den Beispielen wird ersichtlich, dass es Kosten gibt, die in der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und auch in einer Gewinn- und Verlustrechnung nicht bzw. in anderer Höhe auftreten. Man bezeichnet diese auch als kalkulatorische Kosten. Die wichtigsten sind

Der Arzt betreibt seine Tätigkeit regelmäßig in einer Einzelpraxis (auch bei einer Praxisgemeinschaft)  oder im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis. Anders als seinen Angestellten zahlt er sich selbst kein Gehalt. Vielmehr bezieht er für seine Tätigkeit einen Gewinn bzw. Gewinnanteil. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er aus den Entnahmen, die er im Laufe des Jahres tätigt. Anders verhält es sich bei einem Geschäftsführer einer Arzt-GmbH. Hier zahlt die GmbH üblicherweise für die Mitarbeit des Arztes ein Gehalt, welches selbstverständlich auch den Gewinn der GmbH schmälert. Somit hängt also die Höhe des Personalkostenaufwands auch von der Rechtsform ab, in der ein Unternehmen betrieben wird.

In einer Kostenrechnung sind somit die Werte zu niedrig bemessen, wenn für die Mitarbeit des Arztes nicht ein entsprechender Unternehmerlohn (Zusatzkosten) verrechnet würde. Ebenso wie beispielsweise die Eigenkapitalzinsen, soweit das Kapital betriebsnotwendig ist, in den kalkulatorischen Zinsen als Kosten verrechnet werden, muss auch das Entgelt für die Arbeitsleistung der Betriebsführung als Kostenfaktor in die Selbstkosten eingerechnet werden, wenn diese nicht zu niedrig sein sollen. Schließlich könnte der Arzt seine Arbeitskraft oder sein Kapital ja auch einem anderen Unternehmen zur Verfügung stellen und dafür ein Gehalt beziehen. Ihm würde sonst ein Nutzen in dieser Höhe entgehen. Man spricht daher auch von Kosten im Sinne von entgangenem Nutzen (Opportunity costs).

Maßstab für die Höhe des Unternehmerlohns ist grundsätzlich das Gehalt eines leitenden Angestellten, das für eine gleichartige Tätigkeit gezahlt würde. Wir gehen davon aus, dass bei einem Arzt mindestens das Jahresgehalt eines im Krankenhaus tätigen Oberarztes angesetzt werden sollte. Für das Jahr 2004 könnte die Ermittlung des ärztlichen Unternehmerlohns am Beispiel eines ambulanten Operateurs wie folgt aussehen:

Kalkulatorischer Unternehmerlohn eines ambulanten Operateurs 2004 EUR
Vergleich: Vergütung öffentlicher Dienst nach BAT (01.05.2004)
monatliches Grundgehalt Vergütungsgruppe 1, Stufe 12, ca. 4.971,00
Ortszuschlag Stufe 4, 2 Kinder 853,00
Monatsgehalt 5.824,00
13 Gehälter p.a. 75.712,00
zzgl. Urlaubsgeld 255,65
Gehalt insgesamt ca. 75.967,65
Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ca. 11.382,00
insgesamt (für Arbeitszeit öffentlicher Dienst 38-40 Std./Woche) gerundet 87.349,65
monatlich 7.279,14
Arbeitszeit ambulanter Operateure ca. 56-60 Std./Woche
Jahresgehalt x 1,5 113.951,48
10 % Zuschlag für Risikoprämie 11.395,15
Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ca. 11.382,00
insgesamt für (56-60 Std./Woche incl. Risikoprämie) 136.728,63
produktive Arbeitsstunden (lt. Hennefründ im BAO-Info III/94) p.a (bei 38-40 Std./Woche) 744 Std.
Unternehmerlohn pro produktive Arbeitsstunde bei 38-40 Std./Woche 117,41
10 % Zuschlag für Risikoprämie 11,74
Kalk. Unternehmerlohn incl. Risikoprämie pro prod. Arbeitsstunde 129,15
gerundet 129,00

Wie ersichtlich orientiert sich die Berechnung am Bundesangestelltentarif (BAT). Einbezogen werden auch die Beitragsanteile zur Sozialversicherung, die der Arbeitgeber zusätzlich übernimmt. Es wird unterstellt, dass der freiberuflich tätige Arzt mit dem gleichen Beitragsaufwand (im Beispiel 2 x 11.382 Euro = 22.764 Euro) eine vergleichbare Vorsorge erreichen kann. Der Zuschlag für die Risikoprämie könnte auch als eigene kalkulatorische Kostenart gesondert vom Unternehmerlohn angesetzt werden. Schließlich ist eine Umrechnung auf die Arbeitszeit eines Freiberuflers vorzunehmen, die in der Regel um mind. 50% höher liegen dürfte. Für weitere Zwecke kann der so ermittelte Unternehmerlohn noch auf die sog. produktiven Arbeitsstunden bezogen werden, die im Beispiel bei einem ambulanten Operateur 744 Std. im Jahr betragen. Man erhält so den kalkulatorischen Unternehmerlohn pro produktive Arbeitsstunde.

Dipl.-Volkswirt Dipl.-Betriebswirt G. Billstein