Auszüge:
Dass eine Änderung des Krankenversicherungssystems unabdingbar notwendig ist, ist inzwischen unstreitig. Richtig ist vielmehr, dass in jedem solidarisch finanzierten System Qualität und Effizienz andauernd diskutiert und hinterfragt werden müssen. Denn nichts ist unsozialer, als solidarisch aufgebrachte Mittel eigennützig zu vergeuden. Es muss also eine Reform der GKV an Haupt und Gliedern stattfinden.
Statt des von Parteien zu einem Richtungsstreit verklärten Kampfes um Bürger- oder Prämienversicherung geht es im Kern um eine zehnpunktige Entscheidungsmatrix, mit der die Zukunft der Krankenversicherung abgeprüft werden muss. Soll es eine Einbeziehung aller Bürger in eine obligatorische Krankenversicherung geben?
Im Kern geht es also bei der Frage "Alle Bürger in die GKV" so wie sie von der Politik im Moment diskutiert wird nicht um die Einbeziehung aller Bürger in den Leistungsrahmen, sondern allein um die Erstreckung des Umlageverfahrens auf alle Bürger.
Eine Gesundheitsprämie, die nicht als Prozentsatz auf dem individuellen Arbeitseinkommen aufsetzt, wird aus dem Gesamteinkommen gezahlt. Alle Einkunftsarten werden herangezogen. Den Solidartransfer zu regeln ist dann eine Aufgabe des Steuerrechts.
Die zentrale Philosophie der deutschen Familienpolitik, die notwendigen Finanztransfers über die Sozialversicherung regeln zu wollen, ist gescheitert. Kaum ein Industriestaat hat eine ähnlich schlechte Bilanz seiner Familienpolitik wie Deutschland. Die Nettoproduktionsrate ist seit mehr als 30 Jahren negativ. Ohne Zuwanderung wären wir eine "aussterbende" Gesellschaft. Angesichts dieses Szenarios ist Familienpolitik eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese sollte daher auch aus Steuermitteln, nicht jedoch über die Umlagen des Sozialversicherungssystems finanziert werden.
Kernpunkt einer Gesundheitsprämie ist aber die kopfbezogene Definition der Pauschale. Daher sollten alle Erwachsenen auch nicht mitarbeitende Ehemänner oder -frauen eine eigene Pauschale bezahlen. Dies sollte über die gesetzliche Konstituierung einer Versicherungspflicht für alle Bürger festgeschrieben werden.
Der Rahmen für die Kalkulation der Prämien wird daher gesetzlich bestimmt werden. Bei steuerfinanzierter Umverteilung würde der Gesetzgeber mit seiner Haushaltshoheit über die gerechte Verwendung der Mittel entscheiden und den Solidartransfer regeln.
Nicht der Finanzminister allein wäre zuständig, sondern die Politik müsste im Rahmen ihrer Beschlüsse Prioritäten setzen und diese auch vertreten.
Wissenschaftler werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass die Generationengerechtigkeit das zentrale Thema der Zukunft sein wird. Das Krankenversicherungssystem der Zukunft muss also vor allem künftigen Generationen Sicherheit bieten nicht heutigen Rentnern luxuriöse Versorgung.
Nimmt man alle Argumente der Matrix zusammen, wägt man Chancen und Risiken gegeneinander ab, so scheint schlüssig zu sein, dass nur eine prämienbasierte Volksversicherung mit Wettbewerb der Krankenversicherer und steuerfinanziertem Solidarausgleich zukunftssicher ist.