BSG-Urteil: Ambulant bleibt ambulant

Bundessozialgericht-Urteil vom 4.3.2004, B 3 KR 4/03 R

2005 +++ Bundessozialgericht (BSG) +++ Quelle: BAO-Depesche Februar 2005, 13

Auszüge:

Grundvoraussetzung für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses nach Maßgabe der Vorschriften des KHG und der BPflV ist, dass eine voll- oder teilstationäre Behandlung stattgefunden hat. Denn das Pflegesatzrecht und damit die Erlöse aus den Pflegesätzen nach § 4 Nr 2 KHG beziehen sich nur auf die stationären und teilstationären Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Damit übereinstimmend regelt auch § 1 Abs 1 BPflV, dass nur die voll- und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach der BPflV vergütet werden. Liegt eine ambulante Krankenhausbehandlung vor, scheidet eine auf die Vorschriften des KHG und der BPflV gestützte Vergütung aus.

Eine Abgrenzungsschwierigkeiten weitestgehend vermeidende Definition von vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung kann nur vom Merkmal der geplanten Aufenthaltsdauer ausgehen.

Es besteht auch weit gehende Einigkeit in der Literatur, dass der Patient bei der vollstationären Versorgung zeitlich ununterbrochen - also Tag und Nacht - im Krankenhaus untergebracht ist.

Ein Eingriff findet demgemäß nur "ambulant" iS des § 115b SBG V statt, wenn der Patient die Nacht vor und die Nacht nach dem Eingriff nicht im Krankenhaus verbringt.

Ist das der Fall, liegt auch keine teilstationäre Behandlung vor. Bei der teilstationären Behandlung ist die Inanspruchnahme des Krankenhauses zwar ebenfalls zeitlich beschränkt. Diese Form der stationären Behandlung erfolgt insbesondere bei Unterbringung der Patienten in Tages- und Nachtkliniken.

Kennzeichnend ist hier eine zeitliche Beschränkung auf die Behandlung tagsüber, bei der die Nacht zu Hause verbracht wird (Tageskliniken), oder auf die Behandlung abends und nachts, bei der der Patient sich tagsüber in seinem normalen Umfeld bewegt (Nachtkliniken). Aus der zeitlichen Beschränkung und den praktischen Anwendungsbereichen wird erkennbar, dass die teilstationäre Behandlung zwar keine "Rund-um-die-Uhr-Versorgung" der Patienten darstellt, sich die Behandlung aber auch nicht im Wesentlichen im Rahmen eines Tagesaufenthalts im Krankenhaus erschöpft. Vielmehr erstrecken sich teilstationäre Krankenhausbehandlungen auf Grund der im Vordergrund stehenden Krankheitsbilder regelmäßig über einen längeren Zeitraum.

Einen Sonderfall stellen Behandlungen dar, die in der Regel nicht täglich, wohl aber in mehr oder weniger kurzen Intervallen erfolgen, wie es zB bei vielen Dialysepatienten der Fall ist, die zwar nicht jeden Tag, aber mehrmals in der Woche für einige Stunden im Krankenhaus versorgt werden. Eine derartige Form der Behandlung stellt einen Grenzfall zwischen teilstationärer und ambulanter Krankenhausbehandlung dar, der in der Praxis nicht selten als teilstationär eingestuft wird, nach vorstehender Definition aber zur ambulanten Behandlung zu zählen sein dürfte.

Die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht wird in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, kann aber im Einzelfall auch noch später erfolgen. Geht es zB um Fälle, in denen der operative Eingriff zwar nach den Regeln der Heilkunst ambulant vorgenommen werden darf, und wird er auch so geplant und durchgeführt, ist eine Entlassung des Patienten nach Hause noch am gleichen Tage nach der üblichen Ruhephase ausnahmsweise aber nicht möglich, weil wegen einer Komplikation im nachoperativen Verlauf eine ständige Beobachtung und weitere Behandlung über die Nacht hinweg angezeigt erscheint, liegt nunmehr eine - einheitliche - vollstationäre Krankenhausbehandlung vor. Dementsprechend gehen die Vertragsparteien ausweislich § 6 Abs 1 Satz 2 des Vertrags nach § 115b SGB V vom 22. März 1993 (bzw § 7 Abs 2 des ab 1. Januar 2004 gültigen Vertrags) zutreffend davon aus, dass die Vergütung der im Katalog aufgeführten Leistungen dann nach dem KHG bzw der BPflV erfolgt, wenn der Patient an demselben Tag in unmittelbarem Zusammenhang mit einer ambulanten Operation "stationär aufgenommen" wird.

Auf der anderen Seite liegt eine stationäre Behandlung auch dann vor, wenn der Patient nach Durchführung eines Eingriffs oder einer sonstigen Behandlungsmaßnahme über Nacht verbleiben sollte, aber gegen ärztlichen Rat auf eigenes Betreiben das Krankenhaus noch am selben Tag wieder verlässt (Beispiel eines sog "Stundenfalls"); dann handelt es sich um eine "abgebrochene" stationäre Behandlung.