Die Finanzierung des Gesundheitswesens

Folgen der "Privatisierung"

2005 +++ Axel Olaf Kern +++ Quelle: Deutsches Ärzteblatt 2005; 102: A 1874-1877 [Heft 26]

Auszüge:

Ziel der Privatisierung von Gesundheitsleistungen ist es, mit einer Marktsteuerung und wirtschaftlichen Anreizen das Wachstum der Gesundheitsausgaben zu reduzieren, Unternehmen von Lohnzusatzkosten zu entlasten, größere Therapiefreiheit für Ärzte zu schaffen sowie die Eigenverantwortung und Souveränität der Versicherten und Patienten herzustellen. Dabei wird der Patient stärker in der Rolle des rationalen Konsumenten gesehen, der mittels Nachfrage seine individuellen Präferenzen verwirklichen kann.

Neben größerer Therapiefreiheit für den Arzt bedeutet eine Privatisierung von GKV-Leistungen, dass die Krankenkassen von einer Zahlungsverpflichtung für ärztliche Leistungen frei sind. Die Preise für Gesundheitsleistungen werden bei privatärztlicher Abrechnung gerade nicht null sein. Der Patient wird dann für alle Leistungen einen Preis bezahlen und seine Nachfrage daran ausrichten.

Nach allem, was die ökonomische Theorie lehrt und empirische Untersuchungen belegen, wird eine Privatisierung von Leistungen zu einer verringerten Inanspruchnahme und zu einem Rückgang der Nachfrage führen.

Sozioökonomischer Status und Krankheit

Damit die Wirkungen einer Privatisierung auf die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen eingeschätzt werden können, ist der Zusammenhang zu den Erkenntnissen der Sozialepidemiologie hilfreich. Grundsätzlich ist das Gesundheitsverhalten ebenso wie die Krankheitswahrscheinlichkeit von schichtspezifischen Einflüssen geprägt. So gilt der sozioökonomische Status einer Person als „one of the strongest and most consistent predictors of a person's morbidity and mortality experience". Den Merkmalen Bildung und Stellung im Beruf der Versicherten und Patienten kommt dabei große Bedeutung zu. Bildung ist für die Mobilität in der Gesellschaft erforderlich und hat maßgeblich Einfluss auf das realisierbare Einkommen. Zudem stellt Bildung eine wesentliche Voraussetzung für das Selbstkonzept und damit den Lebensstil dar. Beides beeinflusst gesundheitsorientiertes Verhalten maßgeblich.

Für den Zusammenhang von sozialer Ungleichheit und Krankheit wird allerdings schichtspezifisch unterschiedlichen, gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen und Lebensstilen größere Bedeutung zugemessen als der Verfügbarkeit, Inanspruchnahme oder Qualität medizinischer Leistungen.

Sowohl Männer als auch Frauen der unteren sozialen Schicht fühlen sich erheblich kränker als diejenigen, welche der oberen sozialen Schicht angehören. So kann von einer zwei- bis dreifach höheren allgemeinen Morbidität zwischen Unter- und Oberschicht ausgegangen werden.

Haushalte eines Haupteinkommensbeziehers in der Altersgruppe 55 Jahre bis 65 Jahre mit 58 600 Euro verfügen über das höchste Bruttogeldvermögen.

Deutlich wird dabei, dass die Ausgaben für Gesundheitsleistungen je Kopf der Bevölkerung zwischen 900 Euro und rund 12 000 Euro je Jahr betragen.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. rer. pol. Axel Olaf Kern
Fachhochschule Ravensburg-Weingarten
Doggenriedstraße
88250 Weingarten