Künstliche Gelenke für Übergewichtige? Nein!

Entscheidung einer lokalen Gesundheitsverwaltung löst in Großbritannien heftige Debatte über Rationierung aus

2005 +++ Quelle: Ärzte Zeitung 25.11.2005

Adipöse und übergewichtige Patienten erhalten in Teilen Großbritanniens seit kurzem keine künstlichen Hüft- oder Kniegelenke mehr. Das dafür benötigte Geld werde besser eingesetzt, um normalgewichtige Patienten zu operieren. Diese Entscheidung des East Suffolk Health Trust (ESHT) ist auf heftige Kritik bei Ärzten und Patienten gestoßen.

Wie ein Sprecher des ESHT - einer lokalen staatlichen Gesundheitsverwaltung - sagte, habe man das Budget für das laufende Haushaltsjahr bereits um mehrere Millionen Pfund überzogen und sei deshalb gezwungen, "klare Prioritäten" zu setzen. Es sei bekannt, dass künstliche Hüft- und Kniegelenke bei stark übergewichtigen Patienten oft nicht funktionierten. Da das Geld für derartige Eingriffe knapp sei, sei es besser, normalgewichtige Patienten bevorzugt zu behandeln.

Britische Patientenorganisationen sind geteilter Meinung, ob eine derartige Prioritätensetzung von Verwaltungsbeamten angemessen ist oder nicht. "Das ist eine bodenlose Frechheit und unglaubliche Diskriminierung", sagte Dr. David Haslam vom "National Obesity Forum" (NOF). "Adipöse und übergewichtige Patienten haben dieselben Rechte wie andere Patienten."

Sicherlich sei es ratsam, dass adipöse und übergewichtige Patienten abnähmen. Allerdings seien "derartige Druckmittel völlig unakzeptabel". Andere Patientenorganisationen äußerten dagegen Verständnis für die Entscheidung. Laut "Arthritis Research Campaign" (ARC) sei es "klinisch erwiesen", dass künstliche Gelenke besser bei normalgewichtigen Patienten funktionierten.

"Die Entscheidung des East Suffolk Health Trust erscheint auf den ersten Blick hart, ist aber aus medizinischer Sicht durchaus sinnvoll und nachvollziehbar", so ein ARC-Sprecher.

In Großbritanniens staatlichem Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) werden jährlich mehr als 30 000 Hüftgelenksoperationen gemacht. Das kostet rund 140 Millionen Pfund (225 Millionen Euro).

Der britische Ärztebund äußerte sich kritisch. Die Entscheidung sei "ein bedauerlicher Einzelfall", so eine Sprecherin in London. Der Ärztebund regte allerdings eine öffentliche Diskussion zum Thema "Rationierungen von Gesundheitsleistungen" an.