Das Gesundheitswesen ist kein Markt im üblichen Sinn

Nach Ansicht der BÄK regelt die Europäische Union in zu viele Gesundheitsbereiche hinein

2004 +++ Otmar Kloiber +++ Quelle: Ärztezeitung, 25.02.2004

Auszüge einer Rede des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers der Bundesärztekammer:

Die Gesundheitssysteme in Europa gleichen sich einander an. Motor dieser Harmonisierung auf niedrigem Niveau ist die Europäische Kommission, die den Wettbewerb zur allein seligmachenden Doktrin erkoren hat. Das Gesundheitswesen ist aber nach Meinung nicht nur der deutschen, sondern aller Ärztevertretungen kein Markt im üblichen Sinne. Deshalb bedarf das Gesundheitswesen im europäischen Gemeinschaftsrechts einer Abgrenzung zu den Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes.

Schon jetzt regelt die Union in viele Bereiche des Gesundheitswesens hinein, so zum Beispiel in Präventionsprogramme, Verbraucher- und Umweltschutz, die Produktion von Arzneimitteln oder den Umgang mit Zellen und Geweben. Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist dabei, dass diese Tätigkeitsfelder aus Bestimmungen hergeleitet werden, die mit Gesundheit nichts oder nicht viel zu tun haben. Sie zielen nicht auf den Menschen, sondern auf die Gewährung des freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs.

Demgegenüber greifen die Marktregulierungen immer tiefer in die Sozialsysteme ein. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) werden aufgrund der Verträge getroffen, die ihrer Natur nach immer noch den Charakter einer Freihandelsgemeinschaft haben. Sie wirken damit zugunsten der Marktöffnung. Dabei sind die Urteile des EuGH bisher durchaus als ausgewogen und bürgerfreundlich zu bezeichnen.

Eine Harmonisierung à la Landwirtschaft wird sich kaum jemand für das Gesundheitssystem wünschen. Gleichwohl hat die Europäische Kommission im letzten Jahr mit einer neuen Gemeinschaftspolitik zur öffentlichen Gesundheit begonnen. Sie zielt in ihren Aktionsbereichen unter anderem auf eine Verbesserung der Informationen zur Entwicklung der öffentlichen Gesundheit, die rasche Reaktionen auf Gesundheitsgefahren und eine Koordination mit anderen Politikbereichen (Forschung, Umwelt, Statistik etc.). Damit hat die Kommission einen Paradigmenwechsel vom Besonderen zum Allgemeinen vollzogen.