Auch Privatversicherungen müssen sparen. Dies tun sie am liebsten durch Nicht-Erstattung von Rechnungen ihrer Mitglieder und nicht im eigenen Haus, wo sie durch Reduktion von Verwaltungsausgaben sicher vieles einsparen könnten. In letzter Zeit sind es besonders die Ärzte, deren Vergütungen sie durch Nicht-Anerkennung von Rechnungspositionen zu Preisnachlässen zwingen wollen. Die Ärzte wiederum empfinden dieses als Angriff auf ihr Handeln und begegnen den Kürzungen der Erstattungsbeträge mit Entrüstung. Das ist jedoch der raue Wind, der nun einmal im Wettbewerb weht. Da hilft keine moralische Entrüstung, sondern nur nüchterne Gegenstrategie. Letzten Endes müssen die Ärzte auch zugestehen, dass der Patient/ die Patientin ein Recht hat, Qualität und Leistung, die er/sie bezahlen muss, zu hinterfragen oder durch seine/ihre Versicherung bzw. Berater hinterfragen zu lassen. Die beste Strategie ist, eine gute Leistung zu erbringen und dafür eine korrekte Rechnung zu stellen. Korrekte Rechnungsstellung erfordert einen Lernprozess. Der folgende Erfahrungsbericht mag dabei helfen.
Grundsätzliches
Alle ärztlichen Leistungen müssen in Deutschland nach der amtlichen Gebührenordnung GOÄ erstellt werden. Ausnahmen sind u. a. die Abrechnung ärztlicher Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dabei darf die Gebühr für ärztliche Leistungen nicht pauschaliert werden, sondern einzelne GOÄ-Ziffern müssen benutzt werden. So dürfen die Ärzte für einen Arztbericht auch nicht pauschal 20 ver verlangen, sie müssen dafür z.B. die Ziffer 75 mit der entsprechenden Steigerung in Rechnung stellen.
Arztrechnungen müssen Diagnosen oder Verdachtsdiagnosen erhalten, aus denen Patient und Rechnungsprüfer auf das Krankheitsbild und ggf. die Schwere der Erkrankung rückschließen können. Die Rechnung muss Datum der Leistung, Steigerungsfaktor und die Summe des Anspruchs enthalten.
Besonders bei Operationen können viele Gebührenziffern mit entsprechenden Bemerkungen und Sachkosten anfallen, so dass der Platz in der PC-Software für den betreffenden Tag nicht ausreicht. Dann sollten die restlichen Ziffern am nächsten Tag abgerechnet werden und das Datum der Leistungserbringung auf der Rechnung handschriftlich auf den Vortag gesetzt werden.
Rechnungen werden heutzutage überwiegend mit dem PC geschrieben. Da Fälschungen von Rechnungen relativ leicht mit einem PC hergestellt werden können, ist eine Individualisierung der Rechnungen empfehlenswert: Entweder man benutzt dazu individualisiertes Praxispapier, z.B. einen farbigen Praxiskopf, oder die Rechnung wird durch Stempel und Unterschrift individualisiert.
Die meisten Arztrechnungen werden zur Kostenerstattung eingereicht; deshalb ist es kundenfreundlich, immer eine Kopie der Rechnung beizulegen.
Grundlage einer Arztrechnung und ggf. nachfolgender Rechtfertigungen ist eine sorgfältige Dokumentation der Leistung.
Der Inhalt des Vorgesprächs wird stichwortartig, z.B. durch Kürzel, in Patientenkarte oder PC erfasst. Alle patientenrelevanten Diagnosen sollten am besten durch Kürzel festgehalten werden. Der Eintrag muss mit Uhrzeit versehen werden, wenn mehrere Gespräche am Tag stattfinden, z.B. während des OP-Tages. Aus diesen Diagnosen kann auch im Nachhinein eine Rechtfertigung für die Gesprächs-Ziffern 34 und 849 abgeleitet werden.
Der Operationsbericht muss die Indikation zur Operation, die präoperative Untersuchung und die einzelnen Operationsschritte beinhalten. Dabei hat es sich bewährt, für jede Teilleistung einen extra Abschnitt (Textbaustein) zu gestalten, besonders wenn die Teilleistung mit einer Gebührenordnungsziffer abgerechnet werden kann.
Beispiel: Operation einer ausgedehnten intraabdominalen Erkrankung, z.B. Endometriose, sollte in einzelnen Abschnitten dokumentiert werden:
Es folgen postoperative Empfehlungen und epikritische Bemerkungen.
Der Operationsbericht ist Teil der Operationsleistung und kann deshalb nicht als Arztbericht vergütet werden. Ein Arztbrief (GOÄ-Ziffer 75) muss u. a. Daten zur Anamnese und eine epikritische Stellungnahme enthalten. Deshalb hat sich eine Kombination von Arztbrief und OP-Bericht angeboten; dieser sollte sowohl Anamnese als auch OP-Bericht und epikritische Bemerkungen enthalten.
Hier hat sich ein Verlaufsbogen für die postoperative Überwachung bewährt. Jeder Eintrag wird mit Uhrzeit versehen. Jede Leistung wird getrennt dokumentiert. Leistungen sind u. a.:
In Praxen mit mehreren Ärzten kann es nützlich sein, alle privaten Leistungen nicht nur über eine Abrechnungsstelle (z.B. Consultationsart A) zu erfassen, sondern getrennt zu erfassen:
Wunschleistungen, z. B. Tubensterilisation, werden vollständig über die Selbstzahlerstelle P abgerechnet unabhängig vom Versichertenstatus, damit in der Statistik zwischen allgemein privaten und Selbstzahlerleistungen unterschieden werden kann.
Hier gilt es, Ausschlüsse zu berücksichtigen. Je nach Fachgebiet ist die Zahl der Ausschlüsse unterschiedlich groß; heutzutage kommt man deshalb in der Regel nicht ohne Hilfe eines Kommentars zur GOÄ aus. Bewährt hat sich hier in den letzten Jahren der Kommentar von Brück, Hess et al. (2003) sowie derjenige von Wezel/Liebold (2004).
Ziffer 34
Die GOÄ-Ziffer 34 wird in letzter Zeit häufiger von Versicherungen und Beihilfestellen gestrichen, da aus den Diagnosen angeblich keine lebensbedrohliche Erkrankung ersichtlich ist. Laut Brück et al. (2003) schließt die Leistung nach Nr. 34 die Planung eines operativen Eingriffs sowie die Abwägung seiner Konsequenzen fakultativ ein. Die Nr. 34 ist daher auch berechnungsfähig für das ausführliche Aufklärungsgespräch vor größeren operativen Eingriffen.
Die Ärztekammer Nordrhein zählt zu den potentiell lebensverändernden Erkrankungen ebenfalls Sterilität und Depression.
Ziffer 849
Die Leistung nach Nr. 849 ist die eigentliche Kernleistung der psychosomatischen Grundversorgung (Brück et al. 2003). Die Leistungen der psychosomatischen Grundversorgung können von allen Ärzten mit direktem Patientenkontakt erbracht werden. Des Weiteren besagt der Kommentar: Im Rahmen der Beihilfevorschriften des Bundes gibt es Bestimmungen, welche den Beihilfeanspruch des Beihilfeberechtigten deutlich eingrenzen Aufwendungen für verbale Interventionen nach Nr. 849 sind nur dann beihilfefähig, wenn die Behandlung von einem Arzt mit der Berechtigung zum Führen eine der folgenden Gebietsbezeichnung durchgeführt wird (Brück et al. 2003):
Für den Nicht-Psychiater ist es deshalb zu empfehlen, entweder hinter der Ziffer oder in der Diagnose die Krankheitsbilder anzugeben, die eine Gesprächsleistung in der psychosomatischen Grundversorgung erlauben. Hier ist die Dokumentation in den Krankenunterlagen besonders wichtig.
Die Regelspanne umfasst den 1,0- bis 3,5fachen Steigerungssatz. Für die Steigerung einer Gebührenziffer über den 2,3fachen Satz hinaus müssen Besonderheiten vorhanden sein, die genannt werden müssen. Beihilfestellen sind dazu übergegangen, nicht mehr allgemeine, sondern nur noch patientenbezogene Begründungen zu akzeptieren. Dieses geschieht am besten als Kürzel (s. Diagnose). Außerdem ist es wichtig, im OP-Bericht auf Schwierigkeiten hinzuweisen, die eine mögliche Steigerung der Gebührenziffern erlauben. Die Steigerungssätze sollten auch je nach Schwierigkeit differenziert ausfallen, so dass 3,2fache Steigerungssätze neben 3,5fachen für eine Individualisierung der Rechnung sprechen.
Die Tatsache, dass eine Operation ambulant durchgeführt wurde, erlaubte früher den 3,5fachen Steigerungssatz. Dieses Argument wird aber heute häufig nicht mehr akzeptiert. Deshalb sollte man von vorneherein patientenbezogene Begründungen benutzen.
Auch wenn der Zeitaufwand von einigen Erstattungsstellen als Begründung eines erhöhten Steigerungssatzes abgelehnt wird, sollten zeitaufwändige oder mühsame Präparationen und eine erschwerte Blutstillung im OP-Bericht erwähnt werden.
Laut § 10 GOÄ ist die Berechnung von Sachkostenpauschalen nicht zulässig.
Es können ebenfalls nicht berechnet werden:
Bezüglich der Höhe der Sachkosten ist es hilfreich zu wissen, wie hoch verhandelte Sachkosten der Berufsgenossenschaft sind. Für BG-Sachkosten gibt es entsprechende Listen, u.a. in Dingfelders neues Handbuch (2000).
Laut GOÄ müssen die Sachkosten benannt werden z.B. für die Ziffer 2101 (Probeexzision ): Sachkosten Nahtmaterial etc. = Euro. Die BG-Sachkosten betragen für Ziffer 2101 16,90 DM = 8,96 Euro).
Wenn die Sachkosten 25 Euro übersteigen, müssen sie durch Fotokopie der Einkaufsrechnungen belegt werden. Es hat sich bewährt, einen Ordner mit Rechnungskopien anzulegen und nach der Abrechnung eine Kopie der eingekauften Ware den Abrechnungsunterlagen beizulegen.
Die Orientierung an den Sachkosten der BG ist hilfreich, da diese auch als Argumentationshilfe zur Rechtfertigung von Sachkosten den Privatversicherungen gegenüber benutzt werden können. Die BG-Sachkosten sind den Ärztekammern bekannt.
Es hat sich bewährt, alle Rechnungen einmal im Monat mit dem PC automatisch zu erstellen und in dem darauf folgenden Monat die erste Mahnung ebenfalls automatisch zu versenden.
Aus Gründen der Kundenfreundlichkeit geben wir die Rechnung immer mit einer Rechnungskopie heraus. Diese Rechnungen können entweder im Durchschreibverfahren (endlos) mit einem Nadeldrucker oder auf Einzelpapier mit Laserdrucker gedruckt werden. Das Durchschreibverfahren hat den Vorteil, dass selbst lange Rechnungen (2 DIN-A-4-Seiten) samt Kopie noch unter 20 Gramm wiegen und nur ein normales Briefporto erforderlich machen. Diese 20 Gramm werden bei Verwendung von normal dickem Druckpapier überschritten. Dadurch wird ein höheres Porto fällig. Alle maschinell mittels EDV erstellten Rechnungen sollten zum Beispiel durch Stempel und Unterschrift individualisiert werden, da maschinell erstellte Rechnungen auch von Fälschern gedruckt werden können.
Es hat sich bewährt, die monatlichen Rechnungen ab einem Mindestbetrag von z. B. 10 Euro auszudrucken und ein- oder zweimal im Jahr alle Kleckerbeträge" unter 10 Euro einzusammeln.
Natürlich kann man die Rechnungsstellung und das Mahnwesen auch abgeben und für diese Bequemlichkeiten einige Prozente des Umsatzes bezahlen. Aus eigener Erfahrung aus praxisorganisatorischen Gründen haben wir neun Monate lang die Rechnung über eine bekannte Abrechnungsstelle laufen lassen wissen wir, dass die Arbeitsersparnis für den Arzt gering ist. Er oder seine Helferin müssen die Ziffern selbst eingeben, angeforderte Begründungen muss der Arzt bearbeiten und die Erstattung erfolgt ca. einen Monat später als bei eigener Rechnungsstellung. Im Übrigen haben die Abrechnungsstellen die Tendenz, wasserdichte Rechnungen herauszugeben, damit sie wenig Arbeit mit Nachfragen, Mahnungen usw. haben. Alle über das normale Maß hinausgehenden Rechnungen, z. B. mit den Gesprächsleistungen Ziffer 34 und 849 und Steigerungsraten bis zum 3,5fachen erfordern eine individualisierte Rechnungsstellung. Diese kann nur vom Leistungserbringer selbst, auch nicht von einer Arzthelferin erstellt werden.
Die Indikation zu einer Operation wird in der Regel nicht angezweifelt, wenn der überweisende Arzt ein Facharzt ist und somit zwei Fachärzte (überweisender Arzt und Operateur) die Indikation tragen.
In letzter Zeit hören wir von Belegärzten und Krankenhausärzten, dass Privatversicherungen die Indikation zu einer stationären Behandlung bei Operationen, die laut § 115 b SGB V ambulant erbracht werden können, anzweifeln. Es ist zwar so, dass in besonderen Fällen auch sog. ambulante Operationen wegen z. B. internistischer Risiken stationär vorgenommen werden müssen. Letzen Endes sollte man realisieren, dass in Deutschland vielleicht nur 10 oder 20 % aller Operationen ambulant durchgeführt werden, in anderen Industrienationen wie USA, Kanada, Australien jedoch um 75 %. Deutschland hat einen großen Nachholbedarf in der ambulanten Durchführung von Operationen. Deshalb sollten die Klagen der stationär orientierten Ärzte als Ausdruck eines Reformprozesses angesehen werden, der darauf hinausläuft, dass in Zukunft die Mehrzahl aller Operationen auch in Deutschland ambulant durchgeführt werden müssen.
Vor der Aussendung der Rechnung sollten diese durch den Leistungserbringer selbst oder, bei mehreren Partnern, durch einen auf die GOÄ spezialisierten Partner auf Form, Diagnosen und plausible Rechnungssumme überprüft werden. Diese Prüfung wird mit der Unterschrift bestätigt.
Wünschenswert wäre auch eine Überprüfung durch ein Software-Programm ähnlich demjenigen, das Privatversicherungen einsetzen und das auch im Internet http://www.derprivatpatient.de angeboten wird.
Dazu müssten die PC-Software-Hersteller entsprechende Programme anbieten.
Es besteht der Eindruck, dass jetzt viele Versicherungen routinemäßig Arztrechnungen mittels EDV überprüfen und mit dem Prüfergebnis automatisierte Briefe erstellen. Da diese Überprüfung mittels Software oder neuem Personal offenbar auf Hochtouren läuft, müssen die Ärzte im Fall einer Monierung schnell reagieren, um Schaden zu vermeiden.
Bei allen Monierungen der Rechnungsstellung sollte dem Arzt bewusst sein, dass es einen Vertrag nur zwischen ihm und Patienten gibt, nicht zwischen Arzt und Privatversicherung. Deshalb sollten alle Antworten auf Versicherungsmonierungen direkt an den Patienten gerichtet werden. Diese können das ärztliche Schreiben dann weiterleiten.
Aus unserer Erfahrung haben sich in den letzten Jahren folgende Kommentare zur GOÄ bewährt - siehe Literaturverzeichnis unten:
Zusätzlich nehmen Experten in Zeitschriften zu Gebührenordnungsfragen Stellung.
In Zweifelsfällen sollte die Gebührenabteilung der Ärztekammer um Stellungnahme gebeten werden. Dabei ist zu beachten, dass die Anfragen anonym bleiben müssen. Deshalb sollten Namen von Patienten geschwärzt werden.
Die Geschäftsstelle des BAO wird für Mitglieder Anfragen bezüglich Abrechnungspositionen an ausgewiesene Experten der jeweiligen Fachgebiete zur Beantwortung weiterleiten. Außerdem hält sie eine Sammlung von Expertenmeinungen zur GOÄ-Abrechnung vor.
Fazit
Bei Monierungen von Rechnungen sollte der Patient zügig, z.B. innerhalb von drei Wochen, eine vorläufige oder endgültige Antwort erhalten. Rechnungsmonierungen müssen als Chefsache behandelt werden. Die Antwortschreiben können teilautomatisiert sein, d. h. es müssen dann nur Textbausteine angepasst werden. Zu den verschiedenen Aspekten der GOÄ sollte eine Textsammlung in einem Extraordner angelegt werden.
Es ist sicher kundenfreundlich, wenn der Arzt den Patienten in einem Absatz auffordert, sich zu melden, wenn die Erstattungsstelle die Begründungen nicht akzeptiert hat. Dann kann man immer noch die Ärztekammer als Schlichtungsstelle anrufen.
Ein Teil der Privatpatienten wird in zunehmendem Maße realisieren, dass er unterversichert ist, weil Privatversicherungen und insbesondere Beihilfestellen
Der Arzt sollte immer bemüht sein, dass der Patient in dem Rechnungsstreit auf seiner Seite bleibt. Der Patient sollte das Gefühl behalten, dass die Ärzte fair argumentieren und sich im Zweifelsfall zu Gunsten der Patienten entscheiden.
Literatur
Brück: Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Begründet von Dr. med. D. Brück. Fortgeführt von R. Hess, R. Klakow-Franck und H.-J. Warlow. Deutscher Ärzteverlag Köln, 3. Auflage 12. Ergänzungslieferung Stand 1. Oktober 2003.
Dingfelders neues Handbuch. Gebührenordnung für Ärzte GOÄ 96 Teil II Privatabrechnung. Deutscher Ärzteverlag 2000
Wezel/Liebold: Handkommentar Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) mit BMÄ und E-GO.H. Wezel, R. Liebold. Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH Sankt Augustin