Fachärztliche Versorgung

Probleme und Perspektiven in einem sich wandelnden Gesundheitswesen

2004 +++ Jörg-Andreas Rüggeberg +++ Quelle: Gesellschaftspolitische Kommentare Nr. 12/04 + 1/05, 3-8

Auszüge:

Tatsächlich handelt es sich bei der fachärztlichen Versorgung in Deutschland aber nicht um eine doppelte, sondern um zwei sich ergänzende, faktisch jedoch getrennte fachärztliche Ebenen: Einerseits die fachärztliche stationäre Versorgung im Krankenhausbereich und andererseits die fachärztliche ambulante Versorgung in der niedergelassenen Facharztpraxis. Da dies aber keine identischen Versorgungsbereiche sind, kann man auch nicht von einer doppelten Struktur sprechen.

Nach wie vor beträgt der Anteil der Krankenhäuser am Gesamtvolumen ambulanter Operationen lediglich rund 5 Prozent, während die restlichen 95 Prozent im ambulanten fachärztlichen Bereich durchgeführt werden.

Dementsprechend muss der Patient bereit und in der Lage sein, den Anweisungen des Arztes zu folgen und sich situationsgerecht zu verhalten. Verantwortungsbewusstsein und Kooperationsbereitschaft sind also unerlässlich und wichtiger als eventuelle medizinische Risikofaktoren.

Bislang aber, das muss man nüchtern feststellen, sind alle Versuche zu einer besseren Verzahnung von ambulanter und stationärer Behandlung zu kommen, an dem Kernproblem, nämlich der strikten ökonomischen Trennung der verschiedenen Versorgungsbereiche durch die sektoralen Budgetgrenzen, gescheitert.

Dabei wird übersehen, dass die Freiberufler aufgrund ihrer Flexibilität und übrigens auch ihrer Motivation immer kostengünstiger tätig sind als vergleichbare Arbeitnehmer in angestellter Position.

Trotzdem sollte aber nicht vergessen werden, dass unser hoch entwickelter Sozialstaat in allen Bereichen, also bei der Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung durchaus auch als Modell für eine funktionierende Solidarität in unserer Gesellschaft gilt, etwas, das in anderen Staaten in dieser Form bekanntermaßen nicht existiert.

Aufgabe der Ärzteschaft ist es, mit dem Geld, das in das System fließt, eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten. Dies allerdings ist zurzeit ausgesprochen schwierig, weil die Beiträge, zumindest im ambulanten, aber auch im stationären Bereich nicht ausreichen, die Nachfrage der Patienten nach Gesundheitsleistungen abzudecken.

Im Bereich der niedergelassenen Ärzte, insgesamt rund 120.000, hat in den letzten zwei Jahren praktisch jede Praxis eine Angestellte verloren.

Die MVZs sind im Grunde als ein Instrument gedacht, um als gesonderte Neugründungseinheiten in Krankenhausambulanzen tätig zu werden.

Diese Entwicklung sollte von den niedergelassenen Ärzten nicht nur sorgfältig beobachtet werden, sondern sie sollten selbst MVZs gründen, aus Gründen des Konkurrenzschutzes oder als Abwehr gegen solche Einheiten, die auf der Basis der angestellten Ärzte und Krankenhäusern gegründet werden.

Wir stehen bei der Umsetzung solch neuer Versorgungsformen, um es einmal bildlich zu formulieren, zu 99 Prozent vor gesetzlich geschlossenen Türen. Das einzige, was offen ist, ist das Schlüsselloch, aber es fehlt der Schlüssel dazu. Und der Schlüssel, um in dem Bild zu bleiben, besteht in der völligen Aufhebung der gegenwärtigen sektoralen Grenzen.

Auch der Krankenhausbereich hat gegenwärtig mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Aktuell zeigt sich dies insbesondere am Beispiel der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), die mit Auflösungserscheinungen konfrontiert ist, im Wesentlichen verursacht durch die Gründung eines Konkurrenzverbandes von kommunalen Krankenhäusern.

Außerdem ist die DKG bekanntlich keine Körperschaft und hat daher Probleme mit ihrem Verhandlungsmandat.

Was jedoch viele noch nicht richtig realisiert haben, ist die Tatsache, dass das GMG eine grundlegende Trendwende in der Versorgungsstruktur des Gesundheitswesens eingeleitet hat; die finanziellen Lasten werden in hohem Maße den einzelnen Patienten und nicht der Solidargemeinschaft aufgebürdet.

Ein zweiter Aspekt dieser Reform ist deutlich negativer zu beurteilen, denn die gesamte gesetzgeberische Entstehungsgeschichte des GMG zeugt von einem tiefen Misstrauen der staatlichen Ebene gegenüber den Leistungsanbietern.