Sozialrichterin: Europa-kompatibel ist die GKV nur mit Kostenerstattung

Transparenz ins Dunkel der GKV bringen

2003 +++ Ruth Schimmelpfeng-Schütte +++ Quelle: facharzt.de 04.03.03 (Süddeutschen Zeitung)

Für ein Kostenerstattungsprinzip plädiert Ruth Schimmelpfeng-Schütte, Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht in Celle, in der "Süddeutschen Zeitung" (4.3.03). In einem Kommentar schreibt sie: "Das Sachleistungsprinzip, dessen Schutz heute der Aufrechterhaltung althergebrachter Einrichtungen und Zustände, weniger den Versicherten dient, entmündigt den Patienten. Schon deshalb sollte das Sachleistungsprinzip vom Kostenerstattungsprinzip abgelöst werden."

Dadurch könne endlich Transparenz in das Dunkel der GKV gebracht werden, meint Schimmelpfeng-Schütte. Der Versicherte hätte erstmals die Möglichkeit zu sehen, welche Kosten seine Behandlung verursacht und auch die Krankenkassen könnten sehen, welche Kosten im konkreten Behandlungsfall angefallen sind. "Das alles würde erreicht ohne die höchst zweifelhaften Chipkarten, die - datenschutzrechtlich höchst bedenklich - persönliche und medizinische Daten Dritten offenbaren und den Versicherten zum gläsernen Patienten machen", betont die Juristin.

Als weiteres Argument für das Kostenerstattungsprinzip führt Schimmelpfeng-Schütte Europa an: "Europa-kompatibel ist die GKV aber nur mit Kostenerstattungsprinzip. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird es mit sich bringen, dass Deutschland das Sachleistungsprinzip zugunsten des Kostenerstattungsprinzips aufgeben muss."

Eine Gesundheitsreform wird nach Ansicht von Schimmelpfeng-Schütte langfristig nur erfolgreich sein, "wenn die GKV in eine Grundversicherung mit privaten Zusatzversicherungen (oder: Basisversorgung und Wahlleistungen oder Vertrags- und Wahlleistungen) umgestaltet wird". Die Einführung von Grundversorgungselementen müsse allerdings mit deutlichen Beitragssenkungen einhergehen. "Bei einem Beitragssatz von 15 Prozent ist kein Arbeiter, kein Handwerker mit Frau und Kind noch in der Lage, Wahlleistungs-Versicherungen abzuschließen."

Auch müsse darauf geachtet werden, meint Schimmelpfeng-Schütte, welche Ziele die Ausgrenzung von Leistungen aus der GKV verfolgt. Der Vorschlag, private Unfälle aus der GKV auszugliedern und statt dessen die Beiträge zu senken, bewirke letztlich lediglich eine Senkung des Arbeitgeberanteils am Beitragsaufkommen, weil sie sich an der privaten Unfallversicherung nicht beteiligen müssen.