Klassenlose Medizin? - Nur in den Köpfen der Ärzte

Der einzig sinnvolle Streik muss sich in den Köpfen der Ärzte abspielen

2003 +++ Lothar Krimmel +++ Quelle: Arzt & Wirtschaft 2/2003, 22

Auszüge:

Das von Politik und Medien gerne kolportierte Bild von einer angeblich "klassenlosen Medizin" in Deutschland hatte nie etwas mit den leistungsrechtlichen Grundlagen der GKV zu tun, sondern hat sich immer nur in den Köpfen der Ärzte abgespielt, die für ihre Kassenpatienten stets alles "kostenlos" anschaffen wollten. Diese Haltung ist als kollektives Phänomen in der Historie der Ärzteschaft einmalig und ein Produkt der einzigartigen Konstellationen im Nachkriegs-Deutschland.

In Wahrheit symbolisiert dieses Verhalten der Ärzte und das hierdurch gezüchtete Anspruchsverhalten der Kassenpatienten eine fatale Degeneration der Wertegemeinschaft einer solidarischen Krankenversicherung. Es gibt keinen größeren Sprengsatz für eine Solidarversicherung als das Massenphänomen der unsolidarischen Inanspruchnahme der Leistungen. Die Deutschen verlernen immer mehr, dass sie selbst - und niemand anderes - für ihre Gesundheit verantwortlich sind.

Wenn die Ärzteschaft in ihrer Mehrheit nicht aufhört, dieses Klischee von der "Kostenlosigkeit" der Medizin selbst immer wieder aufs Neue zu bedienen, wird sie diesem Anspruchsdenken auf Dauer selbst zum Opfer fallen. Daran werden auch noch so viele verzweifelte Streikaktionen nichts ändern. Der einzig sinnvolle Streik muss sich in den Köpfen der Ärzte abspielen.