Ärzte müssen unternehmerisch denken und handeln

Das Reformgesetz GMG aus Sicht der Managementgesellschaft Ambulantes Operieren (MAO)

2003 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: ambulant operieren 3/2003,141-143

1999 wurde die MAO als Tochter des Bundesverbandes für Ambulantes Operieren (BAO) gegründet. Sie sollte für die wirtschaftlichen Belange der ambulanten Operateure und Anästhesisten zuständig sein und die Vermarktung krankenhausersetzender Operationen fördern. Das neue Reformgesetz (Gesundheitsmodernisierungsgesetz GMG) erwähnt zum ersten Mal in seinen Kommentaren das Wort Managementgesellschaft und erlaubt Verträge der Krankenkassen mit solchen Managementgesellschaften.

Neue Vertragsmöglichkeiten
Das Reformgesetz in seiner Fassung vom 29. August 2003 sieht u. a. für das Ambulante Operieren folgende Vertragsmöglichkeiten vor:

1. Die Grundversorgung mit entsprechenden Kernleistungen wird weiterhin im Rahmen des Sicherstellungsauftrages der KVen durchgeführt.

2. Die Krankenkassen können für spezialisierte Leistungen, z.B. ambulante Operationen, Einzelverträge mit Vertragsärzten schließen.

3. Die Krankenkassen können direkt mit neu einzurichtenden medizinischen Versorgungszentren oder mit Managementgesellschaften Verträge der integrierten Versorgung schließen.

Integrierte Versorgung
Als mögliche Beispiele für integrierte Versorgung kommen u. a. in Betracht:

1. Ein großes Krankenhaus bildet zusammen mit einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) eine integrierte Versorgung. Zum Beispiel könnte ein Groß-Klinikum zusammen mit einem MVZ agieren.

2. Ein Krankenhaus kann zusammen mit niedergelassenen Ärzten eine integrierte Versorgung aufbauen. Beispiel wäre das DMP-Programm für Brustkrebs, bei dem niedergelassene Ärzte schon heute mit einem DMP-Krankenhaus vernetzt sind.

3. Ein Krankenhaus könnte sich mit einem Ärzte-Netz verbinden. Ein Beispiel wäre die Situation in Rendsburg, wo sowohl das Krankenhaus als auch das bestehende Ärzte-Netz von den SANA-Kliniken verwaltet werden.

4. Ein Ärzte-Netz könnte mit einem Krankenhaus integrierte Versorgung praktizieren. Zum Beispiel gibt es in Deutschland schon fünf "Brust-Ambulanzen", das sind Ärzte-Netze für die Behandlung von Brustkrebs, bei denen zumindest ein Krankenhaus in jedem Netz integriert ist.

5. Unter Federführung eines MVZ kann mit einem Krankenhaus eine integrierte Versorgung stattfinden.

Für Vertragsverhandlungen wird es also darauf ankommen, von welcher Institution die integrierte Versorgung initiiert wird, von einem Krankenhaus, einem Ärzte-Netz oder einem medizinischen Versorgungszentrum.

Vertragsverhandlungen
Wer verhandelt in Zukunft Verträge? Ärzte oder professionelle Verhandler? KVen sind per Gesetz als Vertragsparteien ausgeschlossen. Also müssen die Krankenkassen entweder mit einzelnen Vertragsärzten oder mit Ärztegruppen, -genossenschaften, Ärzteverbänden oder Managementgesellschaften Verträge schließen.

Verhandlungen mit Einzelkämpfern
Verträge der Kassen mit einzelnen Vertragsärzten, mit so genannten Einzelkämpfern, existieren bereits für Spezialoperationen, sie werden jedoch nicht öffentlich genannt. Es ist zweifelhaft, ob Einzelkämpfer für Routineoperationen Einzelverträge erhalten werden, da die Kassen immer weniger Geld zur Verfügung haben werden und die Routineoperationen über die Grundversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung meist abgedeckt werden. Es fragt sich auch, ob Einzelkämpfer immer die notwendigen betriebswirtschaftlichen Daten zur Hand haben oder erforderliches Verhandlungsgeschick aufweisen. Zumindest fehlen dem Einzelkämpfer zwei Eigenschaften: Verhandlungsmacht und -routine. Es ist deshalb wenig wahrscheinlich, dass die im GMG vorgesehenen Verträge mit einzelnen Vertragsärzten von großer Bedeutung sein werden.

Verhandlungen mit Ärztegruppen
Von den größeren Ärzteverbänden ist es nur der BAO als politischer Interessenverband der ambulanten Operateure und Anästhesisten mit seiner MAO, der sich in der Vergangenheit für ambulantes Operieren eingesetzt hat. Die übrigen großen Ärzteverbände wie Hartmannbund, NAV-Virchow-Bund, Vertragsärztliche Vereinigungen, Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände GFB und MEDI-Verbund sind als Interessenvertreter der ambulanten Operateure und Anästhesisten bislang nicht bekannt geworden. Diese Situation favorisiert BAO/MAO als Verhandlungspartner für Krankenkassen.

Verhandlungen mit Managementgesellschaften
Die im GMG neugeschaffene Möglichkeit, dass Krankenkassen mit Managementgesellschaften Verträge der integrierten Versorgung schlie§en können, lässt folgende Optionen zu:

1. Eine private Managementgesellschaft der Gesundheitsindustrie, z. B der SANA-Kliniken, bietet Leistungen der integrierten Versorgung an, z. B. in Rendsburg, wo die SANA-Kliniken sowohl eines der Krankenhäuser als auch das schon seit Jahren existierende Ärzte-Netz verwalten.

2. Die MAO/BAO könnte Leistungen der Brust-Ambulanzen, bei denen Krankenhäuser schon integriert sind, als integrierte Versorgung anbieten. Ähnliches gilt für einen Zusammenschluss von anderen problemorientierten Ärzte-Netzen, Verbünden von fachgleichen Tageskliniken und Praxiskliniken, z. B. den gynäkologischen Tageskliniken.

3. Ob das GMG auch die Bildung von Managementgesellschaften durch Krankenkassen und KVen erlauben wird, muss abgewartet werden. Gegebenenfalls könnte es europarechtliche Schwierigkeiten geben, wenn Selbstverwaltungsorgane wie die Krankenkassen und KVen, die mittelbare Staatsverwaltung darstellen, private Unternehmen besitzen und dadurch selber zu Unternehmen werden.

Reformgesetz - Ende der staatsverwalteten Medizin
Der Eindruck festigt sich beim Studieren des neuen Reformgesetzes: Dieses GMG läutet das Ende der staatsverwalteten Medizin ein. Sicher ist es das Ende des KV-Monopols, denn die Verträge zur integrierten Versorgung werden ausdrücklich ohne die KVen stattfinden. Das GMG bietet mehr Vertragsfreiheit für die Krankenkassen und auch bis zu einem gewissen Grade für die Vertragsärzte. Es lässt private Träger für die neueinzurichtenden Medizinischen Versorgungszentren zu und erlaubt Krankenkassen, ihren Mitgliedern private Zusatzversicherungen anzubieten. Dieses alles bedeutet die Öffnung einer staatsverwalteten Krankenversorgung hin zu mehr Marktwirtschaft.

Wie berechnet sich ärztliches Honorar?
Diese Marktöffnung ist dringend erforderlich, wie an dem Beispiel der Vergütung der Arzt-Minute im neuen EBM 2000plus erkennbar ist: Die Selbstverwaltungsorgane KBV und Krankenkassen beharren darauf, dass die Arztminute 0,87 Euro (KBV) oder 0,66 Euro (Krankenkassen) betragen. Wirtschaftsunternehmen setzten den Unternehmerlohn jedoch viel höher an: Ausgehend von einem Oberarztgehalt kommen sie auf 2,10 Euro pro produktiver Minute (Billstein 2003[1]). Der Hauptunterschied zwischen Selbstverwaltungsorganen und freier Wirtschaft liegt offenbar in dem verschiedenen Ansatz der Produktivität, die bei ambulanten Operateuren wesentlich geringer ist als in der Grundversorgung. Der ganztägig tätige ambulante Operateur muss nämlich in einem Fallpauschalensystem die Kosten eines ganzen Arbeitstages durch die Einnahmen während der Zeit des Operierens erwirtschaften. Diese Produktivität bei Operateuren liegt bei 46 % (Hennefründ 1994[2]).

Entwicklung des Arzteinkommens in der Grundversorgung
Für die Einschätzung der Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung scheinen folgende Ü
berlegungen realistisch: Die Einkommen der Vertragsärzte in der Grundversorgung dürften in den nächsten Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit geringer werden. So kommen z. B. auf die Vertragsärzte folgende Belastungen zu: Eine Nullrunde für die Gesamtvergütung; 1 % der Vergütung müssen für die integrierte Versorgung abgegeben werden; eine Arztzahlzunahme geht voll zu Lasten der Gesamtvergütung; die Vertragsärzte müssen ein internes Qualitätsmanagement einführen, die Praxisgebühr für die Krankenkassen verwalten und Kosten- und Leistungsinformationen an die Patienten geben. Hinzu kommen ca. 2 % steigende Betriebskosten jährlich. Diese Betriebskosten sind überwiegend durch steigende Gehälter bedingt. Insgesamt dürfte sich dieses zu einer Minderung der Einnahmen von jährlich geschätzt 5 % summieren.

Grundübel - Verschuldung des umlagefinanzierten Sozialsystems
In Zukunft werden die Krankenkassen eher weniger Geld zur Verfügung haben als bisher, denn der deutsche Sozialstaat ist skandalös verschuldet. Die öffentlichen Schulden, die u. a. an die EU-Kommission in Brüssel gemeldet werden, betragen 1,3 Billionen Euro. Durch die angesammelten und auflaufenden Schulden in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung kommen nochmals 4,0 Billionen Euro Schulden hinzu, so dass sich die inoffiziellen Schulden des deutschen Staates auf 5,3 Billionen Euro belaufen (Fetzer und Raffelhüschen 2003[3]). Um diesen Schuldenberg abzubauen, müssten die Versicherten nach Raffelhüschen jährlich etwa 1.500 Euro sparen bzw. Einbußen erleiden, damit das Rentenniveau von heute gehalten werden kann. Diese enorme Verschuldung veranlasste Miegel dazu, von 30 mageren Jahren zu sprechen, die auf Deutschland zukommen (Miegel 2002[4]).

Wir Deutschen müssen uns ernstlich fragen, ob dieser hohe Schuldenberg nicht systembedingt ist und wir deshalb nicht ein anderes, kapitalgedecktes Sozialsystem einführen sollen.

Zukünftige Einkommensquellen
Woher können ambulante Operateure und Anästhesisten eine verbesserte Vergütung ihrer Leistungen erwarten, wenn die gesetzliche Krankenversicherung so hoch verschuldet ist?

1. Die Chancen, über Einzelverträge höhere Einnahmen zu erzielen, dürften insgesamt als gering eingestuft werden, denn die Krankenkassen haben wenig Geld für Einzelverträge.

2. Etwas anderes ist es mit der integrierten Versorgung. Hier scheint das Potential hoch zu sein, denn im Rahmen einer integrierten Versorgung kann Geld vom stationären Sektor in den ambulanten Bereich fließen. Dieses werden die Krankenhäuser zu verhindern versuchen. Es wird also einen harten Wettbewerb geben. Wir ambulanten Operateure gehen jedoch davon aus, dass wir einen fairen Wettbewerb mit den Krankenhäusern überleben werden.

Bei der integrierten Versorgung müsste darauf geachtet werden, dass das Morbiditätsrisiko weitgehend bei den Krankenkassen verbleibt und nicht auf die Leistungserbringer gewälzt wird.

3. Langfristig gesehen dürfte die neue Möglichkeit für alle GKV-Versicherten, Kostenerstattung zu wählen, über eine vergrößerte Privatklientel zu Mehreinnahmen bei niedergelassenen Ärzten führen. Dieses hängt sehr davon ab, ob es attraktiv für GKV-Versicherte wird, besonders für diejenigen mit Einkommen etwas unterhalb der Beitragsbemessensgrenze, sich ambulant als Privatpatienten behandeln zu lassen. Letzteres wiederum wird von dem Verhalten der Vertragsärzte abhängen, inwieweit die Zwei-Klassenmedizin in Deutschland sich ausbreitet.

4. Nicht zuletzt sollten die Vertragsärzte im umliegenden europäischen Ausland Ausschau halten; denn innerhalb von Europa gilt, dass die Kosten für alle ambulanten Operationen von den jeweiligen Gesundheitssystemen zumindest teilweise getragen werden müssen. Diejenigen Patientinnen und Patienten in unseren Nachbarländern, bei denen Warteschlangen für Operationen bestehen, könnten sich auch in deutschen Operationszentren ambulant behandeln lassen. Dazu müsste entsprechende Öffentlichkeitsarbeit unter anderem durch die MAO in diesen Nachbarländern geleistet werden.

Europa ruft
Die Zukunft für die niedergelassenen deutschen Ärzte liegt in Europa. Europa ist ein großer freier (Gesundheits-)Markt mit freiem Dienstleistungsverkehr. Die Ärzte sind Unternehmer nach Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 1998[5]). Die Unternehmerrechte sind sogar in der neuen Verfassung der Europäischen Union, zumindest der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Artikel 16 festgeschrieben. Das Europäische Parlament hat allen Mitgliedsstaaten eine Basis-Krankenversicherung empfohlen, ebenso eine Gebührenordnung für Ärzte, da sonst Wettbewerbsbestimmungen der EU verletzt werden könnten. In Europa ist schon seit längerem informierende Werbung auch von Ärzten in der Öffentlichkeit akzeptiert. Europäisches Recht beeinflusst in zunehmendem Maße die nationale Rechtsprechung. Experten gehen davon aus, dass schon etwa 70 % aller nationalen Gerichtsurteile durch Europarecht beeinflusst sind.

Deutschland liegt im Herzen Europas. Deshalb sollten auch die Deutschen Ärzte Vorreiter des neuen Europas werden. Dazu müssen sie neben den guten alten ärztlichen Fähigkeiten wie qualitativ hochwertige Leistungen und Kommunikation mit Patienten (Empathie) auch unternehmerische Fähigkeiten erwerben, u. a. betriebswirtschaftliches Handeln und Praxismanagement.

Die Deutschen Ärzte sollten Diener der Patienten sein, jedoch nicht Diener des deutschen Staates!

Hilfe durch MAO
Beim Erwerb der unternehmerischen Fähigkeiten will die Managementgesellschaft Ambulantes Operieren (MAO) den ambulanten Operateuren und Anästhesisten helfen: Kostenermittlung, Vertragsverhandlungen mit Kassen, Qualitätsmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Praxismanagement und Weiterbildung in allgemeinen tagesklinischen Problemen sind die Schwerpunkte der MAO-Arbeit. Nicht zuletzt bieten die internationalen Verbindungen, die der BAO zu Nachbarländern pflegt, Kooperationen an, die bei der Öffentlichkeitsarbeit für Tages- und Praxiskliniken eine Rolle spielen können. Weitere Informationen über die MAO sind im Internet unter www.mao-bao.de erhältlich.

Ausblick
Das Reformgesetz GMG stellt die einzelnen Vertragsärzte und insbesondere die ambulanten Operateure und Anästhesisten vor die Frage, ob sie sich nur an der Grundversorgung der KV oder auch an Verträgen über integrierte Versorgung beteiligen wollen. Für solche Vertragsverhandlungen empfiehlt sich professionelle Hilfe. Die MAO dürfte eine zunehmende Rolle beim Ausbau der integrierten Versorgung erlangen.

Literatur:
[1] Billstein 2003 in Brökelmann, J: Welches Stundenhonorar ist für den niedergelassenen Facharzt angemessen? ambulant operieren 2/2003, 93 (Auszüge: www.arzt-in-europa.de)
[2] Hennefründ, J: Arbeitskapazität des Operateurs einer Tagesklinik. BAO-Info III/94, 8-11
[3] Fetzer, St., Raffelhüschen, B: Eine Nachhaltigkeitslücke von vier Billionen Euro bleibt, SZ - 27.08.2003 (Auszüge: www.arzt-in-europa.de)
[4] 30 magere Jahre. Zukunft des Sozialstaates heißt sparen, sparen, sparen. M. Miegel. Die Zeit Nr. 31, 25.Juli 2002. (Auszüge: www.arzt-in-europa.de)
[5] EuGH 1998: Niedergelassene Ärzte sind Unternehmer. Az.: C-180/98 bis C-184/98 (Auszüge: www.arzt-in-europa.de)