Tageskliniken zu Qualitätszentren ausbauen

Gedanken zur Situation des Ambulanten Operierens nach dem 13. Symposium des VAAO

2003 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: ambulant operieren 2/2003, 90-91

Der Kongress für ambulante gynäkologische Chirurgie in Velen vom 16.-18. Mai 2003 war ein rundum gelungenes Symposium - gut organisiert, interessante Vorträge, freundliche Gesellschaftsabende.

Es bleibt jedoch der Eindruck, dass nicht nur die Zahl der ärztlichen Kongressteilnehmer stagniert, sondern dass wir auch unser Grundkonzept des Ambulanten Operierens überdenken müssen (s. unten). Obwohl die Krankenhäuser vermehrt das Ambulante Operieren aufgreifen wollen, kommen die Krankenhausärzte selten zu unseren Symposien. Da hilft es auch wenig, dass wir unsere Mitarbeiterinnen mitbringen und diese den Kongress bevölkern - irgendwie bleibt das Gefühl, dass das Ambulante Operieren für gynäkologische Operateure in Deutschland nicht mehr so attraktiv ist wie früher. Offensichtlich ist die Idee des Ambulanten Operierens richtig, denn letzteres breitet sich weltweit aus; jedoch hapert es in Deutschland an der Umsetzung. Warum?

Bei der Analyse der jetzigen Situation spielen m.E. zwei Gründe eine wichtige Rolle: Einmal ist es die finanzielle Situation, zum anderen das Grundkonzept unserer Tageskliniken.

Finanzielle Situation
Das Ambulante Operieren ist seit Jahren unterbezahlt. Es scheint sich eine Lethargie auszubreiten, weil die KVen keine kostendeckende Vergütung mehr gewährleisten können. Wenn die KVen es nicht schaffen, dann müssen die Fachärzte sich selbst einen Ruck geben und tätig werden. Das heißt, die Fachärzte müssen sich ändern und analysieren, was sie in ihrem eigenen Unternehmen besser machen können und welche andere (!) Organisation außer der KV ihnen bei ihrer Arbeit helfen kann. Dazu ist eine Analyse der Betriebswirtschaft der Praxis notwendig. Die Analyse muss eine klare Antwort geben auf die Frage, wie hoch die Kosten der einzelnen Leistungen und die Kostendeckung im jetzigen System ist. Dann erst können strategische Entscheidungen gefällt werden.

Grundkonzept der Tageskliniken
Die Live-Operationen haben wieder einmal demonstriert, dass ambulante Operateure ausgeprägte Individualisten sind und genauso operieren, wie es sonst nur Chefärzten möglich war und ist. Zudem wurden alle in Velen übertragenen Operationen ohne ärztliche Assistenz durchgeführt! Das heißt, es wurde damit demonstriert, dass der assistierende Kollege entbehrlich ist und dass die Assistenz nicht für die Ausbildung eingesetzt wird. Nur ausnahmsweise kam es zu einer Bemerkung, dass z.B. die "Münchner Methode der Myomoperation" übernommen wurde. Von den meisten der dargestellten Operationen ist nicht bekannt, ob die anderen Kollegen der jeweiligen Tagesklinik diese Operation ähnlich durchführen oder jeder Operateur nach seinem Gusto operiert. Wie soll ein junger Arzt, der solche Individualisten auf dem Bildschirm sieht, sich für das Ambulante Operieren in Tageskliniken erwärmen? Er steht doch zwischen den Alternativen, entweder in einem Chefarztsystem alter Prägung im Krankenhaus zu lernen, auch wenn z.T. veraltete Methoden angewandt werden, oder sich in einen Haufen von Arzt-Individualisten zu begeben, deren Ziel es ist, ihr eigenes Können auszuleben und wenig für die Weiterbildung heranwachsender Operateure tun.

Dabei ist noch nicht entschieden, wo den Jungärzten langfristig gesehen eine bessere medizinische Ausbildung angeboten wird, in einem Chefarztsystem oder in einer Tagesklinik, in der die Patientinnen und die Jung-Ärzte von der Individualität des Operateurs abhängen, ohne dass dieser einer funktionierenden Qualitätskontrolle unterworfen ist. Bislang hat sich das Ambulante Operieren hauptsächlich wegen der OP-Möglichkeiten, die eine Tagesklinik bietet, trotz der niedrigen Vergütung ausgeweitet. Es wurde jedoch noch nicht überzeugend durch Veröffentlichungen u.a. von Komplikationsraten belegt, dass die Qualität der Leistungen der Tageskliniken wirklich besser ist als im Krankenhaus. Dieses würde eine Qualitätssiche–rung von mehreren Tageskliniken erfordern, bei der das Urteil der operierten Patientin wesentlich einfließt.

Es wäre deshalb zu überlegen, unsere Tageskliniken zu Qualitätszentren umzubauen. Dazu müsste jedes Zentrum bzw. jede Tagesklinik wissen:

Ziel einer solchen Qualitätskontrolle in Tageskliniken sollte sein, dass die Operateure jeder Tagesklinik sich auf die besten Operationsmethoden einigen und sie einheitlich praktizieren. Sollte es Meinungsverschiedenheiten über Operationsmethoden geben, dann sollten die Ärzte eine kleine wissenschaftliche Studie durchführen und die in Frage stehenden Operationsmethoden nach Op-Zeiten, Kosten und Nutzen vergleichen. Dann müsste jedoch auch Einverständnis darüber bestehen, dass alle Operateure einer Tagesklinik diese als beste befundene Methode akzeptieren und nach außen vertreten. Die Kongresse der Tageskliniken könnten dann ein Diskussionsforum für beste Operationspraktiken (best practice) werden.

Die Gemeinschaftspraxen würden dann zu "Test-Instituten" für beste Operationsmethoden werden. Dieses setzt voraus, dass der Qualität höchste Priorität eingeräumt wird: Dann herrscht nicht mehr ein Chefarzt oder ein individueller Arzt, sondern das Gebot der bestmöglichen Qualität, dem sich alle Ärzte unterordnen.

Solche Qualität ist attraktiv für Patientinnen und auch für Jungärzte, die eine Weiterbildung wünschen. Wenn eine Patientin weiß, dass alle Ärzte einer Praxisklinik einheitlich eine bewährte Methode für ihr Problem praktizieren und die Komplikationsraten niedrig sind, wird sie sich dort eher operieren lassen als von einem individuellen Arzt, von dem sie nur gehört hatte, dass er gut sein soll.

Beide Formen des Individualismus - der Chefarzt als Möchtegern-Alleskönner mit Machtbefugnissen über eine Gruppe bzw. "Truppe", und der Solo-Operateur, der sich überwiegend autodidaktisch weitergebildet hat und keiner Qualitätskontrolle unterliegt - müssten vom Qualitätsprinzip kontrolliert werden.

Zusätzlich sollten bewährte Operationsmethoden an Jüngere weitergegeben werden. Deshalb sollte die Assistenz wieder zur Lehre genutzt werden. Gerade gute Operateure müssten willens sein, "Schülern" zu assistieren. Die Tageskliniken sollten also zu Lehrstätten für bestmögliche Operationsmethoden ausgebaut werden. Dann hat das Ambulante Operieren Zukunft.