Schwerpunktpraxen im Netzwerk der ambulanten Versorgung

Brustambulanzen organisieren Öffentlichkeitsarbeit

2003 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: BAO-Depesche

Experten staunen manchmal über die plötzliche Hektik, die Verantwortliche in der Gesundheitspolitik an den Tag legen können. Vor wenigen Wochen erst kam die Mammographie in die Diskussion. Es herrsche Unterversorgung. Berichte in Fach- und Publikumsmedien lösten entsprechende Aktivitäten bei Gesundheitspolitikern auf Bundes- und Landesebene aus.

Vergleichbar ist die Situation mit Gesetzen. Passiert etwas, wird sofort ein neues Gesetz angeregt, obwohl es in den meisten Fällen ausreichen würde, bestehende Gesetze einfach anzuwenden.

Im übertragenen Sinne trifft dies auch auf die Gynäkologie zu. Anstatt nun fieberhaft nach neuen Formen der Versorgung zu suchen, würde es bereits helfen, sich einen Überblick über das Vorhandene zu verschaffen. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Versorgungsformen, die zusammengenommen dem Eindruck einer mangelnden Versorgung der Frau widersprechen. Eine davon sind die Brust-Ambulanzen, die als Schwerpunktpraxen organisiert sind – und das nicht erst seit gestern. In Bonn, Hamburg und München bestehen sie bereits seit längerem.

Aber auch die Experten können aus den vergangenen Wochen lernen: "Tue Gutes und rede darüber". Damit wollen die Brust-Ambulanzen beginnen und organisieren nun Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Schwerpunktpraxis als Versorgungsform wird in Zukunft eine besondere Bedeutung in der Szene ambulanter Operateure bekommen. Die ambulante Versorgung an Brustkrebs erkrankter Frauen beim niedergelassenen Gynäkologen ist intakt und ausbaufähig. Sie ist nicht nur eine Ergänzung, sondern steht an der Seite der Kliniken.

Schwerpunktpraxen sind Praxiskliniken, die sich innerhalb eines Fachgebietes auf eine bestimmte Körperregion spezialisiert haben. Unter den Gynäkologen sind dies zum Beispiel die Brust-Ambulanzen. Um Patientinnen optimal zu versorgen, haben wir in Bonn ein Versorgungsnetzwerk aus Gynäkologen, Radiologen, Onkologen, Pathologen, Physio- und Psychotherapeuten aufgebaut. Wir stellen, um eine Analogie zur Verdeutlichung heranzuziehen, eine Klinik mit verschiedenen Abteilungen dar.

Doch gibt es gewichtige Unterschiede. Brust-Ambulanzen in Bonn, Hamburg und München sind dezentral organisiert. In der Klinik muss man mit den vorhandenen Abteilungen zusammenarbeiten, während wir uns mit den Besten zusammenschließen können. Das ist ein wichtiger Aspekt für die Qualitätssicherung. Es ist also nicht zwingend erforderlich, ja gar nicht wünschenswert, das wir alle unter einem Dach arbeiten.

Nur in einer dezentralen Struktur kann sich auch das freie Spiel der Leistung entfalten. Letztendlich bleibt es aber ein betriebswirtschaftliches Rechenexempel, in welcher Organisationsdichte sich Einzelne zusammenschließen wollen oder auch müssen.
Im Bereich der Brust-Ambulanzen können wir uns folgende Finanzierungsformen vorstellen:

Zur Zeit operieren wir eine Brustknotenentfernung für bundesdurchschnittlich 200 Euro. Dass dies keine Kosten decken kann, ist jedem einsichtig. Deshalb wird diese Leistung häufig nur privat angeboten.

Der Ablauf für eine Patientin sieht in etwa so aus: Sie sucht ihren Gynäkologen auf. Nach Feststellung eines Verdachts kann er seine Patientin an eine Schwerpunktpraxis überweisen. Wir haben ein flexibles Patientenmanagementsystem, mit dem in Verdachtsfällen unnötige Wartezeiten vermieden werden.

Ist die Patientin einmal bei uns, werden alle notwendigen Untersuchungen veranlasst: Pathologie, Radiologie, Strahlentherapie. In Bonn sind die Wege so organisiert, dass das Aufsuchen des einzelnen
Arztes ohne Zeitverlust erfolgen kann. Die Patientin wird zeitlich optimal mit minimaler Belastung geführt. Die Wege, die sie zurücklegt, sind im Vergleich zum Krankenhaus nicht aufwendiger.

Brust-Ambulanzen, die in ein derartiges Kooperationsnetz eingebunden sind, benötigen keine übergeordnete Bürokratie. Auch Probleme mit dem Datenschutz gibt es bei uns nicht. Wir sind keineswegs technologiefeindlich. Aber die telemedizinischen Standards sind noch nicht ausgereift. Daher sind Patientinnen im wahrsten Sinne des Wortes "Datenträger".

Nicht eine gemeinsame Verwaltung ist das Verbindende, sondern die Qualitätssicherung. Alle beteiligten Praxen haben sich entsprechend den Normen der European Society of Mastology (EUSOMA), der Deutschen Gesellschaft für Senologie sowie der Deutschen Krebshilfe vorbereitet. Hierfür ist jede Praxis selbst verantwortlich.

Die Qualitätssicherung ist auch das wesentliche Kriterium, mit dem über eine vernetzte Zusammenarbeit entschieden wird. Wer die Normen nicht (mehr) erfüllt, scheidet aus dem Verbund aus. Dies schon deshalb, weil ein unter dem Aspekt der Qualitätssicherung organisierter Praxisbetrieb Voraussetzung für die zeitlich optimal gestaltete Betreuung der Patientin auf den verschiedenen Therapieebenen ist. Wer seine Praxis schlecht organisiert hat, ist ein Bremser im System.