Nur hausärztlich tätige Ärzte sollen noch in Kassenärztlichen Vereinigungen arbeiten
2003 +++ Jost Brökelmann +++ 23. März 2003Der
überarbeitete Entwurf des GMG vom 13.03.2033 sieht gegenüber dem
3. Rohentwurf des GMG vom 18.02.03 keine wesentlichen Änderungen vor.
Es bleibt dabei:
1.
Nur hausärztlich
tätige niedergelassene sowie in Gesundheitszentren angestellte Ärzte sollen
noch in der vertragsärztlichen Versorgung eingebunden sein (§77 Abs.3).
2.
Niedergelassene
und angestellte Ärzte sind gleichberechtigte Mitglieder der Kassenärztlichen
Vereinigung (§77 Abs.3).
3.
Alle übrigen
Fachärzte nehmen als freiberuflich tätige Ärzte an der fachärztlichen
Versorgung teil (§73 Abs. a). Sie können, müssen aber nicht
(Einzel-)Verträge mit den Krankenkassen abschließen (§106b).
4.
Für solche Einzelverträge
gilt keine amtliche Gebührenordnung, d.h. sie sind völlig frei verhandelbar
(§106b).
5.
Die ambulante Behandlung
im Krankenhaus wird auf chronische Erkrankungen beschränkt (§116b).
6.
Die Krankenkassen
können sich europaweit Leistungen einkaufen (§140d).
7.
Vertragsärzte müssen
an einer praxisübergreifenden Qualitätssicherung teilnehmen und praxisintern
ein Qualitätsmanagement durchführen (§135 a).
8.
Krankenkassen informieren
ihre Versicherten umfassend über... Leitungserbringer (§305 Abs.3).
Kommentar
Zu 1 und 2:
Die vertragsärztliche
Versorgung wird auf die hausärztlich tätigen Ärzte beschränkt,
wobei die niedergelassenen Ärzte den angestellten gleichgestellt werden
und keine Rechte eines Freiberuflers gegenüber der Kassenärztlichen
Vereinigung mehr haben. Dieses ist eine neue, gesetzlich sanktionierte Form
der "Versklavung" von Freiberuflern ohne Gewährung von Vorteilen
der Beamtung (Festgehalt, Pensionsanspruch u.a.). Die Hausärzte sowie
die hausärztlich tätigen Augen- und Frauenärzte müssen
sich deshalb überlegen, ob sie diese Versklavung wünschen.
Zu 3:
Alle Fachärzte sind
"Freiwild" für die Krankenkassen. Sie müssen sich deshalb
dringend zu einem nationalen Interessenverband vereinigen, um den Krankenkassen
Paroli bieten zu können.
Zu 4:
Der Vorschlag, außerhalb
einer amtlichen Gebührenordnung Verträge abzuschließen, widerspricht den Beschlüssen
des EU-Parlaments und wahrscheinlich auch europäischem Kartellrecht.
Zu 5:
Auch wenn die ambulante
Behandlung in Krankenhäusern jetzt "nur" auf die Behandlung
von chronischen Erkrankungen beschränkt werden soll, sind dieses 70 bis
80% der Gesamtvergütung der jetzigen Kassenärztlichen Versorgung.
De facto werden die Krankenhäuser also für die ambulante Versorgung
geöffnet. Den niedergelassenen Fachärzten entstehen dadurch potentielle
Konkurrenten. Da die jetzige Regierung Staatsmedizin fördert, wird es
voraussichtlich auch zu keinem fairen Wettbewerb um die ambulante fachärztliche
Versorgung im Krankenhaus und in der Praxis kommen. Die EU-Kommission in Brüssel
kämpft zwar für einen fairen Wettbewerb in Europa, macht aber vor
den Toren des jeweiligen Staates Halt. Da zu befürchten ist, dass die
Krankenkassen wegen ihrer "sozialen Aufgaben ohne Gewinnabsicht"
vom EuGH nicht als Unternehmen im Sinne europäischen Kartellrechts eingestuft
werden - das Bundessozialgericht hat sich schon in dieser Hinsicht geäußert
-, stehen den niedergelassenen Fachärzten Deutschlands schwierige Zeiten
bevor.
Zu 6:
Die Krankenkassen sollen
wie Unternehmen Leistungen in ganz Europa einkaufen dürfen, sich selbst
aber nicht an die Regeln des europäischen Wettbewerbs halten müssen. Dieses
widerspricht wahrscheinlich europäischem Kartellrecht.
Zu 7:
Qualitätssicherung
und Qualitätsmanagement wird für alle Ärzte gefordert sein. Wir sollten
deshalb die Initiative ergreifen und schon jetzt beides in die Wege leiten.
Zu 8:
Im Gegenzug sollten
die Interessenvertretungen der niedergelassenen Fachärzte über die Leistungen
der Krankenkassen informieren.
Fazit
Das geplante GMG bedeutet
den Entzug des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen
und entmachtet sie.
Alle Kassenärzte
sollten jetzt den Schritt in die Freiberuflichkeit unverzagt wagen und nicht
mehr den "guten alten Zeiten der Rundumversorgung durch die KVen"
nachtrauern.
Sie müssen Arzt-Unternehmer
werden und ihre Interessen durch eine entsprechende Vereinigung (Genossenschaft
o.ä.) vertreten lassen.
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Anhang:
Auszüge aus dem 1. Arbeitsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems (Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz-GMG)
Auszüge:
§73
Abs. 1a Satz 2
Die Augenärzte, Frauenärzte und die übrigen
Fachärzte, soweit sie keinen Vertrag nach §106 a Abs. 1 schließen,
nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil.
§77
Abs.3
Die zugelassenen Ärzte und die in den zugelassenen Gesundheitszentren
angestellten Ärzte, sofern sie haus-, augen- oder frauenärztlich tätig sind,
sind Mitglieder der für ihren Arztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung.
§95
Abs.3
Die Zulassung des Gesundheitszentrums bewirkt, dass die in
dem Gesundheitszentrum angestellten Haus-, Augen- und Frauenärzte Mitglieder
der für den Vertragsarztsitz des Gesundheitszentrums zuständigen Kassenärztlichen
Vereinigung sind und dass das zugelassene Gesundheitszentrum insoweit zur
Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet
ist.
§101
Abs.4
(4) Bei der Berechnung des Versorgungsgrades in einer Planungsregion
sind die in einem zugelassenem Gesundheitszentrum angestellten Ärzte entsprechend
ihrer Arbeitszeit anteilig zu berücksichtigen.
§103
Abs. 4a
Verzichtet ein haus-, augen- oder frauenärztlich tätiger Vertragsarzt
in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind,
auf seine Zulassung, um in einem Gesundheitszentrum tätig zu werden, so
hat der Zulassungsausschuss die Anstellung zu genehmigen: eine Fortführung
der Praxis nach Absatz 4 ist nicht möglich. Soll die vertragsärztliche Tätigkeit
in den Fällen der Beendigung der Zulassung nach Absatz 4 Satz 1 von einem
Praxisnachfolger weitergeführt werden, kann die Praxis auch in der Form
weitergeführt werden, dass ein Gesundheitszentrum den Vertragsarztsitz übernimmt
und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in der
Einrichtung weiterführt. Absätze 4 und 5 gelten. Zugelassenen Gesundheitszentren
ist die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen
angeordnet sind.
§106b
Sicherstellung der fachärztlichen Versorgung
Einzelverträge
Die Krankenkassen ... schließen ... zur Sicherstellung
der ambulanten fachärztlichen Versorgung mit Ausnahme der Versorgung
mit Leistungen der in §73 Abs. 1a Satz 2 genannten Hausärzte, der
Augenärzte und Frauenärzte Verträge. Die Verträge können
abgeschlossen werden mit
Ein Anspruch auf Vertragsabschluß besteht nicht. Das Angebot
zum Abschluss eines Vertrages ist unter Bekanntgabe objektiver Auswahlkriterien
öffentlich auszuschreiben. ...
Bei der Regelung zur Vergütung gelten die amtlichen Gebührenordnung
nicht. ...
§115 a
Abs. 2
(nachstationäre Behandlung) einen Monat
§116b
Ambulante Behandlung im Krankenhaus
Die Krankenkassen, die Landesverbände der Krankenkassen
oder ihre Verbände der Ersatzkassen können mit Wirkung für
ihre Mitgliedskassen mit zugelassenen Krankenhäusern, die an einem strukturierten
Behandlungsprogramm nach §137g teilnehmen, Verträge nach §
106b über ambulante ärztliche Behandlung der entsprechenden chronischen
Erkrankung schließen.
§ 135 a
Abs. 2
Vertragsärzte ... sind verpflichtet,
§ 139a
Deutsches Zentrum für Qualität in der Medizin
(1)
Das Zentrum wird ... für die Bewertung des medizinischen Nutzens
und der Qualität sowie der Wirtschaftlichkeit der Leistungen ... tätig.
§ 140 d
Verträge mit Leistungserbringern im Geltungsbereich des EG-Vertrages
Krankenkassen dürfen zur Versorgung ihrer Versicherten ...
Verträge mit Leistungserbringern im Geltungsbereich des EG-Vertrages abschließen.
§ 305
Abs. 3
Die Krankenkassen informieren ihre Versicherten auf Verlangen umfassend über in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringer, Gesundheitszentren ...