GFB: Patientenquittung nur mit Kostenerstattung nachvollziehbar

Stellungnahme der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) zum Entwurf des GMG an den Vorsitzenden des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung, Klaus Kirschner

2003 +++ Jörg-A. Rüggeberg +++ www.facharzt.de

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

gerne nehme ich für die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) die Gelegenheit wahr, eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes/GMG abzugeben. Leider wird es mir angesichts der kurzfristigen Terminierung der Anhörung im Deutschen Bundestag nicht möglich sein, unsere Argumente persönlich vorzutragen. Ich bitte diesbezüglich um Verständnis.

Die Stellungnahme befasst sich bewusst nur mit den Passagen des Gesetzentwurfs, die Auswirkungen auf die fachärztliche Versorgung der Patienten bzw. auf die konkrete Berufsausübung der Fachärzte haben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit erlaube ich mir nach einleitenden grundsätzlichen Aussagen die betreffenden Paragraphen chronologisch abzuarbeiten.

Vorbemerkung:

Die Deutschen Fachärzte begrüßen den gesetzgeberischen Ansatz einer Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Versicherten. Allerdings erreicht der Entwurf dieses Ziel nicht, sondern verharrt auf ersten Teilschritten, die in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass lediglich eine erhöhte finanzielle Belastung der Versicherten und erst recht der Patienten ohne wirkliche Übernahme von Steuerungskompetenzen eingeführt wird. Nach Auffassung der GFB sollten die Versicherten spürbar von auf sie entfallenden Beitragssätzen entlastet werden und diese zur eigenen Verfügung frei gewordenen Mittel dann im Rahmen privater Vorsorge für den Fall der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen zu verwenden. Auf diese Weise wird jeder Bürger genau prüfen, ob und wenn ja zu welchen Bedingungen er Leistungen des Gesundheitssystems einfordert. Die aktuelle Diskussion um die Frage einer Bürgerversicherung oder eines Kopfpauschalsystems ist davon unabhängig zu führen. Letztlich geht es darum, unter selbstverständlicher Wahrung einer solidarischen Grundsicherung die eigenverantwortliche Entscheidung des Bürgers zu fördern und die durchaus weit verbreitete Mentalität, eingezahlte Beiträge auch auszunutzen, auf einen vernünftigen Umgang mit den Ressourcen des Sozialstaates zurückzuführen. Dieser Gedanke ist im vorliegenden Entwurf zwar skizziert, aber nicht konsequent umgesetzt.

Detaildiskussion:

Zu 4. (§13)
Die Einführung der Kostenerstattung als Option ist ein entscheidender Schritt hin zum kostenbewussten Umgang mit Gesundheitsleistungen und wird von der GFB uneingeschränkt bejaht. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die so genannte Patientenquittung nach § 305 nur auf der Basis einer Kostenerstattung nachvollziehbar sein kann und auch vom Arzt anders nicht ausgestellt werden kann.

Zu 15. (§ 28 Abs. 4)
Die GFB hat sich bereits öffentlich im Grundsatz für die Einführung einer Praxisgebühr ausgesprochen. Allerdings fehlen konkrete Ausführungsbestimmungen, von deren Ausgestaltung letztlich die Akzeptanz dieser Gebühr bei Patienten und Ärzten abhängen wird. Die Tatsache, dass diese Gebühr nach § 43b Abs. 2 im Gegensatz zu allen anderen Gebühren ausschlie§lich in die Inkassoverantwortlichkeit des Arztes fällt, hat zu einer erheblichen Unruhe unter den Vertragsärzten geführt. Zudem handelt es sich formal um einen Teil der Gesamtvergütung, die sozusagen als Vorauszahlung von den Ärzten eingezogen werden soll, aber dennoch Teil der Gesamtvergütung bleibt. Demzufolge ist es konsequent, hier die Bringschuld seitens der Kostenträger einzufordern. In der aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs wird die Praxisgebühr immer zu erheben sein, wenn keine Überweisung vorliegt, also auch in einer Vielzahl von Fällen, bei denen überhaupt kein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattfindet (Ausstellung von Wiederholungsrezepten, Einweisungen zur terminierten stationären Behandlung in Folgequartalen, Anfragen von Krankenkassen etc.) Die Praxisgebühr läge in diesen Fällen deutlich über dem Wert der Leistung und entspricht auch nicht dem Kriterium einer patientenseitig geplanten Konsultation. Diesem Umstand ist relativ einfach redaktionell abzuhelfen, indem die Praxisgebühr auf die erste persönliche Inanspruchnahme im Quartal begrenzt wird.

Zu 35. (§§ 53,54)
Unter Bezugnahme auf obenstehende Grundsatzargumente zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Bürger begrüßt die GFB die neu geschaffene Möglichkeit für die Kassen, Modelle mit Selbstbehalt resp. Beitragsrückzahlung einzuführen. Es bleibt unverständlich, warum dieses nur auf den Kreis der freiwillig Versicherten begrenzt bleiben soll.

Zu 37. (§ 60)
Die Streichung der Erstattung von Fahrtkosten ist aus fachärztlicher Sicht bedenklich. Es ist evident, dass mögliche fachärztliche ambulante Leistungen, insbesondere auch stationsersetzende Leistungen doch wieder in die kostenintensive stationäre Versorgung verlagert werden, weil die Patienten die Kosten des notwendigen Fremdtransportes nicht tragen werden. Ambulante Operationen und auch andere invasive Maßnahmen, die typischerweise in der fachärztlichen Versorgung anfallen, verbieten oftmals die Fahrt im eigenen PKW oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Taxitransport ist demnach obligat aus Gründen der medizinischen Sorgfaltspflicht, anderenfalls eben eine stationäre Betreuung notwendig wird. Zwar weist der § 60 darauf hin, dass weitere Ausführungsbestimmungen vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassen sein sollen, ein gesetzgeberischer Hinweis auf Ausnahmetatbestände wäre aber hilfreich.

Zu 49. (§ 73b)
Die geplante Einführung einzelvertraglicher Regelungen mit "besonders qualifizierten" Hausärzten wird von den in der GFB repräsentierten Fachärzten genauso kategorisch abgelehnt, wie wir dieses im Vorentwurf des GMG getan haben, als nur die Fachärzte betroffen waren. Die Argumentation wird nicht geändert durch die Tatsache, dass Fachärzte jetzt nicht unmittelbar betroffen sind. Für die Patienten wird es vollkommen undurchschaubar sein, welcher Arzt mit welcher Kasse welchen Vertrag geschlossen hat. So wie es den Patienten nicht zugemutet werden kann, nach Ärzten zu fahnden, die mit ihrer Kasse einen Vertrag geschlossen haben, kann es auch nicht den Ärzten zugemutet werden, ihre Patienten nach Kassenzugehörigkeit zu sortieren. Dieses dürfte auch nicht im Interesse der Krankenkassen liegen. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich erst, wenn es sich um Vertragsbeziehungen zwischen Kassenverbänden und Arztgruppen, also größeren gemeinsamen Kollektiven handelt, die unter den Bedingungen eines gemeinsamen Bundesmantelvertrages besondere Qualifikationen berücksichtigen. Die GFB begrüßt den Ansatz zur Schaffung eines qualitätsorientierten Wettbewerbs, aber keinesfalls auf der Ebene des einzelnen Arztes. Unter dieser Prämisse muss auch der § 73c Absatz 2 Satz 2 überarbeitet werden, indem nicht auf den einzelnen Arzt, sondern auf Gemeinschaften von Ärzten als Verhandlungspartner Bezug genommen wird.

Zu 73. (§ 95)
Die Einführung der medizinischen Gesundheitszentren im aktuellen Wortlaut des Gesetzentwurfs wird von der GFB begrüßt. Im Gegensatz zum Vorentwurf ist jetzt der Betrieb ausdrücklich auch in der Verantwortung von Ärzten möglich, die durch kooperativen Zusammenschluss die Behandlungsmöglichkeiten optimieren können. Zusammen mit der Option integrativer Versorgungsformen des §140 wird damit ein Wettbewerb eröffnet, der unsererseits schon lange gefordert wurde, immer unter der Voraussetzung gleicher Ausgangsbedingungen, wie sie jetzt geschaffen sind.

Zu 76. (§ 95d)
Fachliche Fortbildung ist für Fachärzte eine Selbstverständlichkeit und muss nicht vom Gesetzgeber reglementiert werden. Bisher ist diese Fortbildung von den Ärztekammern mit gutem Erfolg zertifiziert worden, konnte allerdings nicht z. B. werbend genutzt werden. Dies ist inzwischen durch Änderung der Musterberufsordnung geändert worden. Die Fachärzteschaft wird kein ernsthaftes Problem haben, wenn in Zukunft Fortbildung zum Erhalt von Abrechnungsmöglichkeiten nachgewiesen werden muss, obwohl damit der eigentliche Sinn von Fortbildung auf ein bedenkliches Niveau herabgewürdigt wird. Es ist aber wegen der Bedeutung von Fortbildung zum Nutzen einer qualitätsorientierten Behandlung der Patienten absolut erforderlich, dass die konkrete Ausgestaltung in der Verantwortung der Kammern bleibt und nicht unter sozialrechtlichen Aspekten von Kassen und/oder Kassenärztlichen Vereinigungen missbraucht wird.

Zu § 115b (nicht im Entwurf enthalten)
In der ersten Fassung des GMG der Regierungskoalition waren explizite Änderungen zum §115 b aufgeführt, die im vorliegenden Entwurf fehlen. Aus Sicht der operativ und stationsersetzend tätigen Fachärzte ist es weiter notwendig, die Änderungen des §115 b wie ursprünglich vorgesehen aufrechtzuerhalten. Der Hinweis auf entsprechende Regelungen in den §§ 85 und 87 Abs. 2a beinhaltet grundsätzlich auch die stationsersetzenden Leistungen, aber nur im Rahmen allgemeiner Bestimmungen zur Struktur einer Vergütungsordnung. Es ist nicht zutreffend, dass die dreiseitigen Vertragspartner sich inzwischen auf eine wie ursprünglich vorgesehene Abrechnung von Fallpauschalen verbindlich geeinigt hätten. Der dreiseitige Vertrag sieht diesbezüglich nur eine Absichtserklärung vor, deren verbindliche Umsetzung angezweifelt werden darf. Aus diesem Grund empfiehlt die GFB, in das Gesetz eine bindende Regelung zum § 115b wieder aufzunehmen.

Zu 85. (§ 116b)
Wie schon in den Ausführungen zum § 73b und c lehnt die GFB einzelvertragliche Beziehungen auch für den Krankenhausbereich mit der gleichen Argumentation ab. Die vorgesehene Öffnung der Krankenhäuser zu bestimmten Katalogleistungen aus dem ambulanten Sektor ist grundsätzlich unter wettbewerblichen Aspekten nicht abzulehnen, allerdings besteht gegenüber dem ambulanten Bereich eine massive Wettbewerbsverzerrung in Folge der unverändert bestehenden dualen Finanzierung. Ein echter Wettbewerb unter dem Prinzip gleicher Bedingungen liegt erst dann vor, wenn ambulante Versorgung am Krankenhaus in eigenständigen und eigenwirtschaftlichen Abteilungen unter den Bedingungen der übrigen vertragsärztlichen Versorgung stattfindet. Dies würde im übrigen den gewünschten Zusammenschluss stationärer und ambulanter Versorger im Sinne integrativer Versorgungsmodelle befördern.

Zu 99. (§ 135 Abs. 2)
Die Möglichkeit, bestimmte medizinisch-technische Leistungen nur noch durch diejenigen Fachärzte erbringen zu lassen, zu deren Kerngebiet diese Leistungen gehören, gefährdet die wohnortnahe und unmittelbare Versorgung der Patienten. Die bisherigen Regelungen heben sinnvollerweise ab auf eine nachzuweisende Fachkunde und entsprechende apparative Voraussetzungen, um diesen Leistungsbereich unter optimaler Qualität abzudecken. Die Beschränkung auf sogenannte Kernleistungen der jeweiligen Fachgebiete führt dazu, dass trotz ausgewiesener fachlicher und apparativer Befähigung diagnostische und therapeutische Leistungen nicht mehr unmittelbar in der Praxis des behandelnden Arztes durchgeführt werden können. Die Folge sind massive Verzögerungen, aufwändige Transporte und auch qualitative Defizite. Die in Frage stehenden medizintechnischen Leistungen (Röntgen, Labor, Sonographie etc.) sind zum einen in der Akutdiagnostik unverzichtbar (Beispiel Röntgen im Umfeld einer Knochenbruchbehandlung), zum anderen setzt die Anfertigung und Auswertung der Befunde das Gebietswissen des behandelnden Facharztes voraus, das dem methodendefinierten Leistungserbringer in diesen Fällen fehlt.

Zu 116. (§ 140d)
Die erstmals vollzogene Zusammenführung von Anteilen der sektoralen Budgets aus den Bereichen stationäre und ambulante Versorgung ist uneingeschränkt zu begrüßen. In der Vergangenheit hat die sektorale Trennung alle Versuche der Ärzteschaft, integrative Versorgungsformen aufzubauen, zunichte gemacht. Die GFB erwartet von allen Partnern jetzt eine konstruktive Ausgestaltung, verweist in diesem Zusammenhang aber auf die Ausführungen zu Punkt 85.

Zu 177. (§ 305 Abs.2)
Zur Patientenquittung ist bereits Stellung genommen worden unter Punkt 4. Die GFB hat in der Vergangenheit freiwillig Patientenquittungen angeboten, die mangels Konsequenz von den Patienten nicht ernsthaft zur Kenntnis genommen wurden. Haupthindernis einer sinnhaften Quittung ist die Tatsache, dass einerseits nichts quittiert wird, für das der Empfänger der Quittung kostenpflichtig ist, der Begriff der Quittung also nicht zutrifft. Andererseits kann auch keine konkrete Summe quittiert werden, weil der Wert der Leistung auch dem Leistungserbringer nicht bekannt ist. Die GFB setzt sich durchaus für das Instrument einer Quittung ein, hat aus eigener Erfahrung aber feststellen müssen, dass derartige Quittungen nur unter den Bedingungen einer Kostenerstattung Sinn machen.

Zu Artikel 13
Die Einstellung zusätzlicher Gelder zur Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ist begrüßenswert, allerdings dürfte die Summe auch nicht im Ansatz ausreichen, die Folgen des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofes zur Wertung der Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit auszugleichen.

Ich hoffe mit obenstehenden Ausführungen notwendige Anregungen verständlich vorgetragen zu haben und verbleibe

Mit vorzüglicher Hochachtung

Ihr

Dr. med. Jörg-A. Rüggeberg

Präsident der GFB