Ende der Kassenarten - Ende des Korporatismus?

Zeit für eine moderne Neustrukturierung des Organisationsrechts der Krankenkassen

2003 +++ Günter Neubauer +++ Quelle: Forum für Gesundheitspolitik Nov./Dez. 2003, 379-381

Auszüge:

Mit der Einführung der freien Kassenwahl für die Versicherungspflichtigen im Jahr 1996 hat sich die Berechtigung für die Kassenarten aufgelöst. Ebenfalls ein Fossil aus alter Zeit ist der Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Krankenkassen. In einem wettbewerblich orientierten System kann ein solcher Rechtsstatus nur hinderlich sein. Ein ähnlicher Veränderungsbedarf ergibt sich dann auch im Bereich der paritätischen Selbstverwaltung der Krankenkassen.

Eine direkte Folge der Aufhebung der paritätischen Selbstverwaltung ist das Ende der paritätischen Finanzierung. Die einmalige Auszahlung des Arbeitgeberanteils an die Versicherten ist dabei die sauberste Lösung.

Die Krankenkassen sind in ein System eingebunden, das wir aus ökonomischer Sicht in drei Teilmärkte zerlegen können. Im Versicherungsmarkt haben die Krankenkassen ihren Versicherten entsprechenden Versicherungsschutz zu gewähren. In diesem Bereich wird weiterhin Sozialrecht anzuwenden sein, sofern der Staat nicht bereit ist, sämtliche Umverteilungsaufgaben über Steuern zu finanzieren. Hierzu sehen wir im Augenblick aber wenig Bereitschaft.

Im Vertragsbereich hingegen, also dort, wo die Krankenkassen den Leistungserbringern gegenüberstehen, ist das Wettbewerbsrecht stärker durchzusetzen. Umgekehrt bedeutet dies aber ebenso, dass auch die Leistungserbringer sich nicht länger zusammenschließen dürfen, um Marktmacht ausüben zu können, auch wenn dies mit der Sicherstellung und Gewährleistung der Versorgung begründet wird.

Im Leistungsmarkt, auf dem sich Patienten und Leistungserbringer gegenübertreten, werden weiterhin Sozialrecht und Wettbewerbsrecht ein Stück nebeneinander zu bestehen haben. Wettbewerbsrechts wird vor allen Dingen dann gelten, wenn der Versicherte über das Recht der Kostenerstattung dem Arzt direkt als Schuldner gegenübertritt. Gleichwohl werden auch in diesem Fall noch die Gebührenordnung, mittels denen der Preisspielraum begrenzt wird, sinnvoll sein.

Aus unserer Sicht wäre ein Ende des Korporatismus erst erreicht, wenn die oben angeführten Punkte Schritt für Schritt umgesetzt sind. Der Verfasser ist überzeugt, dass die Entwicklung in den nächsten Jahren in diese Richtung gehen wird. Gleichwohl wird es, wie immer im Nachkriegsdeutschland, keine radikale Umstellung geben, obwohl dies manchmal für alle Betroffenen leichter wäre. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass über ein Jahrzehnt eine Umstellung des Organisationsrechts der GKV erfolgen wird. Der Korporatismus als ein Ordnungsmodell, in dem Verbände bzw. Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft und staatlicher Gewalt ausgestattet sind, geht dem Ende entgegen. Die Alternative zum Korporatismus kann nur der geregelte Wettbewerb sein.