Sicherstellungsauftrag: Einzelverträge und Kollektivvertragssystem schließen sich aus

Gutachten für die KV

2003 +++ Fritz Beske +++ Quelle: Schütze-Brief 5/2003, 4-5 und Schriftenreihe Fritz Beske, Institut für Gesundheits-System-Forschung, Kiel, Band 94

Auszüge:

In einem Gutachten für die Kassenärztliche Bundesvereinigung kommt Prof. Fritz Beske zu dem Ergebnis, dass es nicht möglich ist, das geltende Kollektivvertragssystem mit einem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen durch ein System von Einzelverträgen zwischen Ärzten/Ärztegruppen und den Krankenkassen zu ergänzen.

In der zusammenfassenden Bewertung kommt Prof. Fritz Beske zu folgenden Feststellungen:

Es scheint erkannt worden zu sein, dass zurzeit die vollständige Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen nicht realistisch ist. Bei den Krankenkassen fehlt die erforderliche Infrastruktur. Es wären aber auch Auswirkungen auf die Krankenkassenlandschaft zu erwarten. Schon bald nach einem Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen dürften sich Veränderungen in Zahl und Struktur der Krankenkassen ergeben. Es wird daher von verschiedener Seite ein nur schrittweises Vorgehen vorgeschlagen.

Ein schrittweises Vorgehen bedeutet, dass Krankenkassen die Möglichkeit erhalten, in zunehmendem Umfang Einzelverträge abzuschließen, und dass im gleichen Umfang der durch die Kassenärztlichen Vereinigungen abgedeckte Leistungs- und Finanzrahmen reduziert wird, mit allen damit verbundenen Risiken für die Kassenärztlichen Vereinigungen. Ein solches Vorgehen ist nach den oben gemachten Ausführungen nicht möglich. Die Politik muss sich daher entscheiden, ob der Weg in die Zukunft durch eine Übertragung des Sicherstellungsauftrages für die vertragsärztliche Versorgung an die Krankenkassen und damit durch einen wohl revolutionären Systemwechsel bestimmt sein soll, oder durch eine systemkonforme Weiterentwicklung des Sicherstellungsauftrages dergestalt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen Wege suchen, um vorrangige Probleme in der Versorgung wie integrierte Versorgung und Qualitätssicherung in gemeinsamer Verantwortung zu lösen.

Ausschlaggebend für einen derartigen Weg sollte die Erkenntnis sein, dass am Ende von Einzelverträgen ohne Einschaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen mit einer letztlich vollständigen Übertragung des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen ein freier Gesundheitsmarkt steht, der mit einer Auflösung der solidarisch orientierten und selbstverwalteten gesetzlichen Krankenversicherung verbunden ist. Die damit auch verbundene Auflösung der gemeinsamen Selbstverwaltung als unterstaatlicher Normgeber im Bundesausschuss Ärzte/Krankenkassen könnte nur durch eine vermehrte staatliche Reglementierung und Kontrolle abgelöst werden, die das deutsche Gesundheitswesen in die Nähe staatlicher Gesundheitsdienste bringen würde.