Entschließung des Europäischen Parlaments zu Marktregelungen und Wettbewerbsregeln für die freien Berufe

Wichtiges Dokument für die Freien Berufe, u.a. Ärzte

2003 +++ Europäisches Parlament +++ Quelle: Ausgabe 16/12/2003

Die Freien Berufe haben vom Europäischen Parlament (EP) Rückendeckung erhalten - ein erfreuliches Signal, das die Mitglieder der Europäischen Kommission nicht werden ignorieren können. Die Entschließung vom 16.12.2003 zu den "Marktregelungen und Wettbewerbsregeln für die Freien Berufe" wurde mit großer Mehrheit angenommen (457 Ja-Stimmen, 60 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen).
Das Europäische Parlament hatte bereits in seiner Resolution vom 5.04.2001 mehrheitlich die besondere Rolle und Stellung der Freien Berufe in unserer Gesellschaft betont und die Auffassung vertreten, dass die Mitgliedstaaten befugt seien - unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls -, verbindliche Honorare für die Freien Berufe festzulegen.

Im Folgenden lesen Sie den gesamten Text der Entschließung.


Entschließung
16.12.03

Das Europäische Parlament,
- unter Hinweis auf die Artikel 6, 43, 45, 49, 81 und 82 des EG-Vertrags,
- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. April 2001 zu verbindlichen Honoraren für gewisse freie Berufe, vor allem Rechtsanwälte, und der besonderen Rolle und Stellung der freien Berufe in der modernen Gesellschaft(1),
- gestützt auf Artikel 42 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die freien Berufe einen der Stützpfeiler des Pluralismus und der Unabhängigkeit in der Gesellschaft darstellen und Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen,
B. in der Erwägung, dass die freien Berufe im Interesse der Verbraucher, der Qualität der Dienstleistungen sowie der EU-Wirtschaft insgesamt weitestgehend für den freien Wettbewerb geöffnet werden müssen, und zwar sowohl in den einzelnen Mitgliedstaaten als auch innerhalb der EU-Grenzen,
C. in der Erwägung, dass die Bedeutung der Einhaltung der Standesregeln, der Wahrung der Vertraulichkeit im Verhältnis zum Kunden sowie eines hohen Maßes an spezialisiertem Wissen die Organisation von Systemen der Selbstregulierung erfordert, wie sie Berufsvereinigungen und -kammern anwenden,
D. in der Erwägung, dass die Kommission den besonderen Charakter der einzelnen Berufsstände für wirtschaftliche und soziale Belange sowie Fragen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen hat

1. bekräftigt, dass die freien Berufe Ausdruck einer auf dem Gesetz beruhenden demokratischen Grundordnung sind und insbesondere ein wesentliches Element der europäischen Gesellschaften darstellen;
2. unterstreicht die Bedeutung von Regeln, die im spezifischen Kontext jedes Berufs erforderlich sind, um Unparteilichkeit, Kompetenz, Integrität und Verantwortung der Angehörigen dieses Berufsstandes zu gewährleisten und so die Qualität ihrer Dienste zum Nutzen ihrer Kunden und der Gesellschaft im allgemeinen sowie die Wahrnehmung des öffentlichen Interesses zu sichern;
3. verweist darauf, dass jede Tätigkeit des betreffenden Berufsverbands getrennt betrachtet werden muss, so dass der Verband nur dann den Wettbewerbsregeln unterliegt, wenn er ausschließlich im Interesse seiner Mitglieder handelt;
4. weist darauf hin, dass eine berufsständische Vereinigung weder ein Unternehmen noch eine Unternehmensgruppe im Sinne von Artikel 82 des EG-Vertrags darstellt;
5. verweist auf die hohen Qualifikationen, die die freien Berufe aufweisen müssen, auf die Notwendigkeit, die Qualifikationen zu schützen, die die freien Berufe zum Wohle der europäischen Bürger auszeichnen, sowie auf die Notwendigkeit, ein besonderes, auf Vertrauen begründetes Verhältnis zwischen den freien Berufen und ihren Kunden zu schaffen;
6. nimmt zur Kenntnis, dass die freien Berufe im Gesundheitssektor besonders berücksichtigt werden müssen, um zu gewährleisten, dass die Grundsätze von Artikel 152 des EG-Vertrags eingehalten werden;
7. ist der Auffassung, dass in der Kultur, Rechtsgeschichte, Soziologie und Ethnologie der verschiedenen Berufsgruppen in den Mitgliedstaaten begründete Unterschiede begrenzt werden müssen, um den Erfordernissen einer gemeinsamen europäischen Gesellschaft gerecht zu werden;
8. verweist darauf, dass es für die freien Berufe notwendig und von Nutzen ist, dass der Wettbewerb und die freie Erbringung von Dienstleistungen in ihren eigenen Mitgliedstaaten und in der Europäischen Union insgesamt gefördert werden;
9. ist jedoch der Auffassung, dass das Ziel der Förderung des Wettbewerbs unter den Berufsständen in jedem einzelnen Fall in Einklang mit dem Ziel der Einhaltung für jeden Beruf spezifischer Standesregeln gebracht werden und dass bei der Verfolgung dieses Ziels die Aufgaben im öffentlichen Interesse gewahrt werden müssen, die den freien Berufen obliegen;
10. weist darauf hin, dass die besonderen Merkmale des Marktes für freiberufliche Dienstleistungen eine angemessene Regulierung erfordern;
11. schließt, dass im besonderen Kontext jedes Berufsstandes Regeln generell notwendig sind, insbesondere solche, die sich auf die Organisation, die Qualifikationen, die Standesethik, die Überwachung, Haftung, Unparteilichkeit bzw. den Sachverstand der Berufsangehörigen beziehen oder die Interessenskonflikte und irreführende Werbung verhindern sollen, sofern sie a) dem Endverbraucher die Sicherheit geben, dass die notwendigen Garantien im Hinblick auf die Integrität und die Erfahrung gegeben sind, und b) keine Wettbewerbsbeschränkungen darstellen;
12. fordert die Kommission auf, bei der Analyse der Regeln für die Ausübung der verschiedenen freien Berufe in den Mitgliedstaaten die in dieser Entschließung formulierten Grundsätze und Anliegen sorgfältig zu berücksichtigen;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission zu übermitteln.

op (1) ABl. C 21 E vom 24.1.2002, S. 364.