Verfassungsrechtler kritisieren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Recht auf angemessene Vergütung / Primat der Beitragssatzstabilität nicht uneingeschränkt gültig

2003 +++ Quelle: Ärzte Zeitung vom 29.09.03

Mit dieser harschen Kritik an der Rechtsprechung ihrer Standeskollegen haben sich jetzt führende Verfassungs- und Verwaltungsrechtler aus Bonn, Erlangen und Mainz auf die Seite der Kassenärzte gestellt. Die Ansprüche auf angemessene Vergütung seien nicht dadurch ausgeschlossen, "dass ihre Befriedigung die finanzielle Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung" gefährden könnte, stellt der Bonner Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Professor Raimund Wimmer klar.

Denn: Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung sei nach der Verfassung keine Gemeinwohlaufgabe, die Vergütungsgrundrechte der Vertragsärzte zunichte machen könne. Wimmer: "Wenn der seit 2000 gesetzlich beschränkte Ausschluss von Beitragssatzerhöhungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung" – Primat der Beitragssatzstabilität – "zur Folge hat, dass Vertragsärzten keine angemessenen Vergütung mehr gezahlt werden kann, ist dieser Ausschluss nicht verfassungskonform. Honorare unter der Selbstkostengrenze und ohne Arztlohn sind schlechthin unzulässig."

Schwere Vorwürfe gegen die "inkonsistente Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes" erhebt auch der Mainzer Universitätsprofessor Friedhelm Hufen. Diese vernachlässige das Grundrecht der Berufsfreiheit "geradezu notorisch, wenn es um die Kostenbegrenzung und den Erhalt des derzeitigen Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung geht."

Es gehe "um die wirtschaftliche Freiheit schlechthin, um Grundrechte der medizinischen Leistungserbringer wie aller Bürger", mahnt der Erlanger Professor Walter Leisner. "Die Bürger müssen entscheiden können, was ihnen ihre Gesundheit wert ist, nicht ein Gesetzgeber, der ihre Leistungsfähigkeit bevormundend festlegt."