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Soziale Marktwirtschaft für Patienten und Ärzte wagen
Thesen: 1. Deutschlands
politische Parteien huldigen der Zwangsvorstellung, man könne das aus
der Bismarck-Ära überkommene deutsche Gesundheitssystem retten
koste es, was es wolle. Es ist morsch und brüchig wie ein verfaulter
Zahn und dies aus drei zwingenden Gründen: · Gesellschaftspolitisch ist es unverantwortlich,
einer zahlenmässig schrumpfenden, aber hart arbeitenden jüngeren
Generation, die Lasten von immer mehr (und immer früher in Rente gehenden!)
Alten aufzuladen. Weder die soziale Alters- noch die Gesundheitsversicherung
rechnet sich für die junge Generation. Sie zahlt mehr ein als sie je
herausbekommen kann und wird. Gleichwohl verbietet ihr die Politik, aus diesem
System auszusteigen. · Wirtschaftspolitisch ist es ein zweifacher
Unsinn, die Einnahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
an ein zudem noch schrumpfendes Teil-Segment der Lohneinkommen aus abhängiger
Beschäftigung zu binden: bis zu derzeit rd. 3.375 Euro im Monat und Einzelfall.
Erstens macht man mit dieser (oder jeder anderen) Pflichtgrenze
die Einnahmen der GKV von Konjunktur und Arbeitsmarkt abhängig. Zweitens
begrenzt man damit die Einnahmebasis der GKV. Die Beitragssätze dürfen
nicht steigen, weil noch höhere Lohnnebenkosten noch katastrophalere
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hätten als ohnedem! Die Einnahmen der
GKV können aber auch nicht steigen wegen der starken (und womöglich
noch wachsenden) Beschäftigungsausfälle. Fazit: Die finanzielle
Krisensituation der GKV resultiert nicht aus explodierenden Gesundheitsausgaben,
sondern implodierenden Gesundheitseinnahmen ein Effekt,
der in Zukunft (mit zunehmender Alterung und weiterer Verteuerung der Arbeit)
noch fataler zu Buche schlagen wird. · Gesundheitspolitisch ist es unverantwortbar,
aus der systembedingten Finanzmisere des Systems den Schluss zu
ziehen, das deutsche Gesundheitswesen sei überteuert, seine Kosten könnten
und müssten gedämpft werden, der konzertierte Irrtum
aller Gesundheits-reformer von Blüm über Seehofer, Fischer
bis Schmidt. Und: Das System enthalte bei den Leistungserbringern (insbesondere
Ärzten und Krankenhäusern) wahre Schätze an Leistungspotentialen
(Produktivitätsreserven), die es zu heben gelte. Die schlichte, aber
triste Wahrheit ist: Man mutet vor allem den Ärzten und ihren Helfern
Gratisarbeit und erhebliche Verluste an Realeinkommen zu und erwartet, dass
sie trotz Ausbeutung unverdrossen ihre Leistung steigern und ihren Service
verbessern! 2.
Dazu kommt als zweite Finanzierungslinie der Rückgriff auf die
privaten Altersrücklagen der älteren Generation. Sie müssen
nicht um jeden Preis vererbt werden, auch wenn Blüms Pflegeversicherung
diesen unheilvollen Trend verstärkt. Der Leistungsgesellschaft ist mit
strengen Erbschaftssteuer-Gesetzen mehr gedient als mit laxen, wie das Beispiel
der (gewisslich nicht-kommunistischen) angelsächsischen Länder lehrt.
Ältere, öfter oder dauernd kranke Menschen erhalten so die Motivation,
ihre vorhandenen Vermögen verstärkt in die Erhaltung ihrer Gesundheit
auszugeben statt für Ferienreisen oder die zweite Immobilie. Diese Individualisierung
des Gesundheitsrisikos entlastet nicht nur den Staat, sondern vor allem die
jüngere Generation. Sie bekommt günstigere, vom Solidarausgleich
mit den Alten entlastete Tarife. 3. Der
Ausweg aus dem von der Politik noch beschleunigten Bankrott des staatlichen
Gesundheitssystems heißt somit: Mehr Markt wagen! Ein
solcher Gesundheitsmarkt könnte der grösste und dynamischste Dienstleistungsmarkt
unserer Volkswirtschaft sein oder es werden: ein Beschäftigungsprogramm
für bis zu 2 Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze bei Ärzten,
Krankenhäusern, Pflegestationen, Helfern und in derzeit wegen der GKV-Sparprogramme
verkümmernden Heilregionen, wenn es die Politik nur zuliesse. Das gegenwärtige
Misch- (oder Murks-)System mit Wettbewerb auf der Angebotsseite bei Ärzten
und Krankenhäusern (denn sie müssen ihre Kosten betriebswirtschaftlich
kalkulieren und erwirtschaften) aber staatlich bewirtschafteter Nachfrage
und Preisen für Behandlung und Therapie (denn wegen des GKV-Zwanges mit
staatlich gestoppten Beitragssätzen verordnet sich das System sein eigenes
Defizit!) muss voll und vor allem wieder sowohl in die Geldwirtschaft
wie in die Privatrechtsordnung integriert werden. Der
Krankenschein (oder chip) als ein staatlich lizensiertes und manipuliertes
Spezialgeld für medizinische Leistung und Versorgung gehört abgeschafft.
Sein Kaufkraftverlust für Ärzte und sein Realwertverlust für
die Patienten (sie müssen für ihre sachgerechte Behandlung immer
mehr dazu zahlen) übersteigt bei weitem den des gesetzlichen
Geldes von DM bis Euro. Dem
Patienten ist bei genereller Versicherungspflicht (Jeder Erwerbstätige
in Deutschland, gleichviel ob Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Selbständiger
oder Beamter muss sich obligatorisch krankenversichern) die Wahl von Krankenversicherung
und tarif freizustellen. Korrespondierend zur freien Arztwahl bedarf
es systemnotwendig der freien Versicherungswahl! Die GKVen werden dadurch
nicht überflüssig. Sie treten in den vollen Wettbewerb mit den privaten
Krankenversicherungen (PKV) und erhalten die Option, sich selber auch zu privatisieren. Letzteres
besagt für Staat und Steuerzahler, dass beim Übergang von der staatlichen
zur privaten Krankenversicherung keine unbezahlbaren Übergangskosten
anfallen. Sie werden innerhalb des Systems aufgefangen bzw. verrechnet. 4. Aus
der Abschaffung von Krankenschein bei Beibehaltung der generellen Versicherungspflicht
jedoch individueller Versicherungsfreiheit resultiert ein modernes, leistungsstarkes
und patientenfreundliches Gesundheitswesen. Es ist
volkswirtschaftlich nicht mehr begrenzt durch Beiträge auf das pflichtige
Lohneinkommen eines Teiles der Arbeitnehmerschaft. Die neu entstehende Volks-Versicherung
schöpft buchstäblich aus dem Vollen: dem gesamten Volkseinkommen
und Wertschöpfungspotential der Volkswirtschaft einschliesslich Unternehmergewinnen,
Kapitaleinkünften, Selbstständigen- und Beamteneinkommen (Schweizer
Modell). Weil sich dadurch der Finanzierungstopf um rund 40 Prozent
vergrössert und der Wettbewerb der Krankenkassen um ihre Patienten ein
europaweiter wird (denn das neue System fügt sich nahtlos in den liberalisierten
europäischen Versicherungsmarkt ein!) können bei gesteigerter Leistung
die Beitragssätze sogar kräftig sinken. Sie werden es, wie das Schweizer
Beispiel belegt. Der
neue Gesundheitsmarkt stößt also weder an Finanzierungsgrenzen
noch belastet er den Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: Er senkt die Lohnnebenkosten
deutlich und entlastet den Arbeitsmarkt von der Kostenseite und macht die
Arbeit rentabler! Sie erhält im Wettbewerb mit dem billigen Kapital wieder
eine Chance! 5.
Für Patienten und Leistungserbringer bringt die Reform folgende Veränderungen
und Vorteile mit sich. Es gibt nur noch · Privatpatienten erster Klasse (Die Zwei-Klassen-Medizin
verschwindet) · Nur noch Privat- und keine Kassenärzte
mehr · Kein Dreinreden von GKV und anderen Kassen
in die Intimsphäre von Patient und Arzt. Die Ärzte erhalten ihre
durch keinerlei Leistungskataloge und Finanzierungsauflagen der GKV beschränkte
Therapiefreiheit zurück. Sie müssen nicht mehr unter (Abrechnungs-)Kostenaspekten
therapieren. · Ärzte und Patienten kehren zurück
in die Privatrechtsordung. Sie schliessen ihre Verträge individuell miteinander
ab, nicht mehr mit einem Dritten: der GKV. (Insoweit werden auch die KVen
für andere Aufgaben frei!) · Der Arzt erhält sein Honorar vom Patienten,
der Patient Kostenerstattung von seiner Kasse gemäss gewähltem Tarif. 5. Dennoch
müssen, um US-ähnliche Verhältnisse (40 Prozent der Patienten
sind dort un- oder unterversichert) folgende soziale und familienpolitische
Auflagen und Sicherungsklauseln vom Gesetzgeber vorgegeben bzw. in das Tarif-
und Prämiensystem eingebaut werden: · Es gibt eine Mindestversicherungsgrenze
vergleichbar der Haftpflicht bei der Kfz-Versicherung · Es gibt einen von den Arbeits- bzw Sozialämtern
verwalteten Sozialkrankenschein für Einkommenslose und schwache
mit Einnahmen unterhalb des steuerlich anerkannten Existenzminimums; er wird
von Amts- oder Vertrauensärzten überprüft bzw verordnet · Die Krankenversicherungen erhalten vom Gesetzgeber
eine Vorgabe für familien- und kinderfreundliche Tarifgestaltung. Kinder
und ihre Erzieher sind automatisch mitversichert. Das bedeutet, dass Kinderlose
(Singles oder Paare) über ihre Tarifaufschläge die Kosten für
anderer Leute Kinder und deren Erzieher finanzieren. Nur so lässt sich
der Humanbestand der Gesellschaft erhalten und lassen sich die
sozialen Kosten und Ungerechtigkeiten des Alterungsprozesses dämpfen. · Die Arbeitgeber bleiben in der Pflicht, sich
an den Krankenversicherungskosten ihrer Mitarbeiter zu beteiligen. Die Gewerkschaften
erhalten das Mandat, diese Beiträge oder Zuschüsse in ihre Tarifverhandlungen
einzubeziehen. Mit
diesem 4-Punkte-Programm wird aus dem Gesundheitsmarkt ein neues und wichtiges
Stück sozialer Marktwirtschaft 6. Parteien,
die sich ein solches ebenso liberales wie soziales Programm auf ihre Fahnen
schreiben, hätten nicht nur eine gute Chance über den Zuspruch aus
den Kreisen der aus der Abhängigkeit von der GKV-Herrschaft befreiten
Patienten und Ärzten, neue Wähler zu gewinnen. Sie
würden über den 22. September hinaus eine Botschaft verkünden,
die für alle unerledigten und verschleppten Reformen unseres Staates
und seiner Volkswirtschaft gilt: Wir brauchen mehr Effizienz und mehr Gerechtigkeit
im Berufsleben wie bei der Neuordnung der Sozialsysteme. Nicht zufällig
leiden wir überall da unter Krise und Verkrustung, wo es zuviel Bürokratie
und Reglementierung gibt und zu wenig marktwirtschaftliche Elemente. In unserer
europäisierten und globalisierten, in Wahrheit jedoch besitzstandsfixierten
Welt kann nur ein Markt alte, längst kontraproduktiv arbeitende Strukturen
aufbrechen - kein aus diesen Strukturen gebildetes und sie festschreibendes System.
Freilich:
Dieser Markt muss politisch überwacht und sozial in die gewünschten
Bahnen gelenkt werden. Diese
Botschaft Ludwig Erhards ist im deutschen Gesundheitswesen aktueller denn
je.