Sozialgericht weist Klage zurück
2002 +++ Jost Brökelmann +++ Quelle: Sozialgericht Köln, AZ.: S 19 KA 186/00Am
6.02.02 wies das Sozialgericht (SG) Köln die Klage von Prof. Dr. med. Jost
Brökelmann gegen den Berufungsausschuß f. Ärzte, Psychotherapie
für den Bezirk der KV Nordrhein wegen Entzugs der Kassenzulassung zurück
(AZ.: S 19 KA 186/00).
Auszüge aus den Entscheidungsgründen: "Eine zum Zulassungsentzug berechtigende gröbliche Pflichtverletzung
liegt nur vor, wenn sie derartige Auswirkungen auf das System der vertragsärztlichen
Versorgung hat, dass zu deren Schutz die Entziehung der Zulassung erforderlich
erscheint. Im Hinblick darauf, dass etwa 90 vom 100 der Bevölkerung gesetzlich
krankenversichert sind, kommt die Zulassungsentziehung letztlich einem Berufsverbot
nahe. Damit wird schwerwiegend in das Grundrecht der Berufsfreiheit des betroffenen
Arztes aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes eingegriffen. Unter Berücksichtigung
des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes darf die vertragsärztliche
Zulassung deshalb nur entzogen werden, wenn sie das einzige Mittel zur Sicherung
und zum Schutz der vertragsärztlichen Versorgung ist. "In dem vom Kläger über etwa 3 Jahre hin angewandten Verfahren,
gesetzlich Krankenversicherten zwischen Mitte 1997 und Mitte 2000, ambulante
Operationen anzubieten, sieht die Kammer einen derart intensiven Verstoß
gegen vertragsärztliche Pflichten, dass dem System der gesetzlichen Krankenversicherung
seine weitere Teilnahme nicht mehr zugemutet werden darf. Dies gilt zunächst
auch in Hinblick auf die übrigen Mitglieder der Beigeladenen zu 5) (i.e.
KVNordrhein), auch wenn sie das Entziehungsverfahren nicht betrieben hat und
im vorliegenden Rechtsstreit auch keinen Antrag stellt. Nach Auffassung der
Kammer nimmt sie die Pflichtverletzung zu leicht, die infolge des Zweiten
Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der
gesetzlichen Krankenversicherung (Zweites GKV-Neuordnungsgesetz 2.GKV-NOG)
in jener Fallgruppe zu beobachten war, der auch das Verhalten des Klägers
zuzurechnen ist. "Die Kammer sieht zunächst einen Verstoß gegen vertragärztliche
Pflichten darin, dass der Kläger gesetzlich Krankenversicherte veranlasste,
für ambulante Operationen das Kostenerstattungsverfahren zu wählen. "Neben den Argumenten, dass der Vertragsarzt (lediglich) einen Anspruch
auf leistungsgerechte Teilnahme an der Gesamtvergütung hat, nicht aber
auf Gewinnmöglichkeit jeder Einzelleistung, zwingen nach Auffassung der
Kammer systematische Gründe, den Arzt grundsätzlich zu verpflichten,
sein gesamtes Leistungsangebot soweit es im System abrechenbar ist
den gesetzlich Krankenversicherten zur Verfügung zu stellen. Sofern
jeder Vertragsarzt entsprechend seinen eigenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen
zur Gewinnmaximierung gesetzlich Krankenversicherten nur Leistungen zur Verfügung
stellt, die er im Rahmen seiner Praxisstruktur und organisation für
profitabel hält, muss dieses das System von innen her auflösen. "Durch die große Anzahl der in die Pflichtverletzung des Klägers
verwickelten Patientinnen jedoch kann dem System der gesetzlichen Krankenversicherung
eine weitere Teilnahme des Klägers nicht mehr zugemutet werden. Jede
gesetzlich Krankenversicherte muss sich darauf verlassen können, dass
die für sie notwendige Therapie ohne Rücksicht auf ihren Versichertenstatus
allein nach medizinischen und nicht merkantilen Gesichtspunkten ohne Säumen
durchgeführt wird. Darüber hinaus ist nach Auffassung der Kammer
der Verbleib des Klägers im System den gesetzlichen Krankenkassen nicht
zuzumuten." Fazit Mit diesem Urteil versucht das SG, die Kassenärzte (Vertragsärzte)
zu verpflichten, Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausschliesslich
unter medizinischen und nicht unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten
zu behandeln. Es urteilt offenbar unter der Annahme, dass die Solidargemeinschaft
der GKV ein Anrecht auf uneigennützige, bis hin zur Selbstaufopferung
gehende Tätigkeit der Vertragsärzte hat. Dieses ist der Versuch
eines staatlichen Gerichtes, die Vertragsärzte zu Sklaven des Systems
der GKV zu machen. Das SG hält das System der GKV für absolut schützenswert,
obwohl es schon lange bekannt ist, dass die GKV wegen ihrer Ausdehnung auf
ca. 90% der Bevölkerung verfassungswidrig ist (Sodan 1997). Es hängt
seine Entscheidung an der Ausübung der Kostenerstattung auf, die damals
jedoch gesetzlich erlaubt war (2. NOG) und heute von politischen Parteien
(FDP, CDU,CSU) und vom deutschen Ärztetag 2002 in Rostock wieder gefordert
wird. Dabei übersieht das SG, dass niedergelassene Ärzte (Kassenärzte,
Vertragsärzte) Freiberufler sind und keinen Vertrag mit den Krankenkassen
haben. Sie haben über das Zulassungsverfahren quasi einen ungeschriebenen
Arbeitsvertrag mit ihrer jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
Diese jedoch sieht die angebliche Verpflichtung der Kassenärzte zu uneingeschränkten
Kassenleistungen anders: Die KVNo schrieb 1997 in ihren Honorarverteilungsmasstab
" Ärztliche Leistungen, die vom einzelnen Vertragsarzt nicht kostendeckend
erbracht werden können, müssen von ihm nicht erbracht werden".
Ausserdem hat die KVNo - trotz politischen Drucks - ein Disziplinarverfahren
gegen Prof. Brökelmann nicht eingeleitet und die Klage der Krankenkassen
auf Zulassungsentzug nicht unterstützt. Das SG Köln berücksichtigt in seinem Urteil nicht, dass es sich
im vorliegenden Fall um ambulante Operationen handelte, die nicht im Sicherstellungsauftrag
der KVen enthalten sind, also auch nicht zum "Kernbereich" der kassenärztlichen
Versorgung gehören. Es geht über die Urteile des BSG hinaus, wenn
es postuliert, dass ein Vertragarzt sämtliche, im EBM abrechenbare Leistungen,
die er u.a. Privatpatientinnen anbietet, ohne Rücksicht auf betriebswirtschaftliche
Notwendigkeiten, anbieten muss. Es lässt ausser Acht, dass keine einzige
der operierten Patientinnen sich beschwert hatte; im Gegenteil, dem Berufungsausschuss
lag u.a. die schriftliche Äusserung einer operierten Patientin vor, die
sich darüber beklagte, die Krankenkasse würde unterstellen, dass
sie in die Entscheidung zur Kostenerstattung gedrängt worden sei. Aus allem wird deutlich, dass es sich um ein politisches Urteil handelt:
Es ging den Krankenkassen ( ) und dem Sozialgericht darum, einen vermeintlichen
Systemgegner durch ein Berufsverbot zu schädigen und kalt zu stellen,
quasi als abschreckendes Beispiel für viele Vertragsärzte, die heute
Kostenerstattung praktizieren. Mit diesem Urteil verletzt das SG Grundrechte der freiberuflich tätigen
niedergelassenen Ärzte, u.a. das Recht auf freie Berufsausübung,
und macht sie ohne Gesetzesgrundlage per Gerichtsbeschluss zu Sklaven der
GKV. Es verletzt europäisches Recht, denn niedergelassene Ärzte
sind Unternehmer (EuGH C-180/98 C-184/98 ), denen nach Artikel 16 der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union alle Unternehmerrechte
zustehen. Es verletzt ausserdem europäisches Kartellrecht, indem es halbstaatliche
Monopole wie die GKV, die ebenfalls als Unternehmen eingestuft werden müssen(
siehe ), gegen freie Unternehmer unterstützt.