Die European Union of Medical Specialists (UEMS) arbeitet daran, eine Harmonisierung sowohl hinsichtlich der Dauer und des Inhalts der medizinischen Ausbildung als auch der Praxis der einzelnen Disziplinen in der Europäischen Union (EU) herbeizuführen. Sie definiert in Zusammenarbeit mit Spezialistengremien die Bedingungen für eine qualitativ hochwertige Weiterbildung.
Definition der Fachmedizin
Der Facharzt hat sich entschlossen, seine Praxis im Wesentlichen auf ein einzelnes medizinisches Feld zu beschränken. Das bedeutet, dass er eine hohe Fachkompetenz auf seinem gewählten Gebiet besitzen und beibehalten muss, indem er sich Fortschritte und Neuerungen sowohl bei den Daten als auch in den Behandlungsweisen zu eigen macht.
Bei einigen Fachrichtungen droht die Mehrung des Wissens zu Superspezialisten zu führen, die sich auf bestimmte Techniken oder ein eng definiertes Feld der Pathologie konzentrieren. Die nationalen Behörden erkennen oftmals diese Kompetenzen offiziell an, die jedoch innerhalb des breiten Rahmens der Hauptfachrichtung bleiben sollten. Diese Entwicklungen dürfen nicht zur unkontrollierten Vermehrung neuer Fachrichtungen führen, da die Anzahl der Fachärzte bewusst gesteuert werden muss. Die Entwicklung von Behandlungsweisen darf nicht die Erkenntnis verhindern, dass die Fachmedizin eine klinische Disziplin ist, die stets den Patienten ins Zentrum stellen muss.
Die Praxis des Allgemeinmediziners und des Facharztes ergänzen einander natürlich. Ihre genauen Aufgaben und Arrangements bezüglich des Zugangs zu Spezialbehandlungen unterscheiden sich von Land zu Land. Die Patienten müssen im Rahmen des Gesundheitssystems des Landes, in dem sie leben, freie Arztwahl und ungehinderten Zugang zu der Behandlung haben, die sie benötigen. Eine gute Praxis in beiden Disziplinen hängt von einer effektiven Kooperation und einem funktionierenden Informationsaustausch ab.
Auf nationaler Ebene wird die Weiterbildung von Fachärzten durch die nationale Behörde geregelt. Dies kann eine Kombination aus kompetenten Fach- oder Universitätsgremien, einem nationalen Vorstand oder einer nationalen staatlichen Behörde sein, die von Fachorganisationen beraten wird. Sie gibt gemäß den nationalen Regelungen und der EU-Gesetzgebung Normen vor und berücksichtigt dabei auch die UEMS-Empfehlungen für die Anerkennung von Weiterbildungsprogrammen, von Ausbildern und Weiterbildungszentren, die Sicherung der Qualität der Weiterbildung, die Qualifikationen von Fachärzten und die Personalplanung.
Spezielle Aspekte einer Facharztweiterbildung
Inhalt und Praxis der Fachrichtung bestimmen notwendigerweise die erforderliche Schulung. Ein System der zentralisierten Klassifizierung, die den wahren Inhalt jeder Fachrichtung und ihre historische Entwicklung in Rechnung stellt, zeigt, dass die Weiterbildung in medizinischen und chirurgischen Spezialgebieten unterschiedlichen Wegen \n6olgt. Jedoch existieren unabhängig von diesen Hauptgruppierungen noch organbezogene Disziplinen, die sowohl medizinische als auch chirurgische Elemente enthalten.
Diese Art der Klassifizierung ermöglicht es, ein Facharztweiterbildungsprogramm zu gestalten, das auf einem gemeinsamen Rumpf aufbaut und sich dahingehend erweitert, dass es die Abteilungen und Unterabteilungen sowohl medizinischer als auch chirurgischer Fachrichtungen umfasst.
Anstelle der Klassifizierung in den Artikeln 26 und 27 der bestehenden Ärztedirektiven, die die Beziehung der Fachrichtungen untereinander außer Acht lassen (s. den Anhang auf der UEMS-Website), sollte eine Umgruppierung der Fachrichtungen verabschiedet werden, wie sie 1983 vom Advisory Committee on Medical Training (ACMT) vorgeschlagen wurde.
Hinsichtlich des Inhalts der Weiterbildung und der Beziehung zwischen gemeinsamem Rumpf und Facharztweiterbildung hat die Arbeit der UEMS-Abteilungen und der europäischen Vorstände im Oktober 1995 zur Veröffentlichung einer genaueren Definition geführt. Gleichzeitig darf aber eine genaue Definition des Weiterbildungsinhalts nicht so aufgefasst werden, als sei die Facharztpraxis ein System wasserdichter Abteilungen. Weil sich Disziplinen häufig überlappen, muss es Raum für Flexibilität geben, obgleich natürlich kein Spezialist eine Behandlung vornehmen sollte, für die er nicht hinreichend geschult ist.
Continuing Medical Education (CME)
Die ständige fachliche Fortbildung (Continuing Medical Education, CME) ist gleichwohl eine Notwendigkeit wie eine Pflicht, die für den Beruf des Mediziners in gleichem Maße gilt wie für jeden anderen Beruf. Der Prozess der Ausbildung dauert über die gesamte berufliche Laufbahn des Arztes fort: er beginnt mit dem Studium, setzt sich über die Facharztweiterbildung fort und erstreckt sich auf den restlichen Teil der ärztlichen Laufbahn als sog. ständige medizinische Fortbildung.
Im Grunde muss die CME eine freiwillig übernommene Verantwortung des einzelnen Facharztes sein. Die zuständige nationale Berufsorganisation kann in eigenem Ermessen auf demokratische Weise entscheiden, eine formale Pflicht zur Erfüllung der CME-Anforderung aufzuerlegen. Zwar kann jemand, der diese Anforderung nicht erfüllt, nicht seinen Status als Arzt oder Facharzt verlieren, doch er muss sich darüber im Klaren sein, dass er möglicherweise auf andere Weise Nachteile erleidet.
Der Inhalt der CME muss die konkrete Situation des Spezialisten in Rechnung stellen und ist daher individueller Art. Bewertungssysteme, die Leistungspunkte vergeben, sind jenen vorzuziehen, die eine Neubewertung oder Neuzertifizierung des Fachwissens des Spezialisten beinhalten. Die Kontrolle über solche Systeme muss in den Händen von Organisationen bleiben, die die medizinische Fachwelt repräsentieren. Diese Systeme könnten auch Selbstbewertungsmodelle beinhalten.
Organisation der Fachmedizin
Die Arbeit des Facharztes kann sich auch an anderen Orten als in Krankenhäusern oder privaten Räumlichkeiten vollziehen, wie beispielsweise in Polikliniken, Betrieben, Schulen oder sonstigen Orten, wo die Anwesenheit eines Facharztes erforderlich ist. In allen Fällen muss der Facharzt die Möglichkeit haben, seine Patienten ohne äußere Beschränkungen zu behandeln.
Dem Facharzt muss zweckdienliche medizinische Ausrüstung zur Verfügung stehen. Die Qualität der medizinischen Betreuung darf in keinem Zusammenhang mit der Bezahlung stehen, und die Einhaltung der ärztlichen Qualitätsstandards muss im Rahmen einer Bewertung durch den Ärztestand gewährleistet sein.
Die Verträge mit Spezialisten müssen - unabhängig davon, ob sie angestellt sind oder privat praktizieren - Regelungen für die Unkosten enthalten, die dein Arzt bei der Erfüllung seiner CME-Pflicht entstehen, und die Bezahlung des Arztes muss die damit verbundenen Unkosten decken.
Die Unabhängigkeit von äußerem Druck bei der Wahl der Betreuung unk. Behandlung des Patienten bleibt unverändert der Eckpfeiler der medizinischen Versorgung. Arzt und Patient müssen die Freiheit behalten, eine verantwortungsbewusste Entscheidung zu treffen.
Schlussfolgerungen
Die UEMS kennt von 34 fachmedizinischen Abteilungen die Bedingungen, die jede Fachrichtung erfüllen muss, um eine Harmonisierung sowohl hinsichtlich der Dauer und des Inhalts der Weiterbildung als auch der Praxis der einzelnen Disziplinen herbeizuführen. Sie sind in den Ärztedirektiven eingetragen. Die UEMS kann jedes EU-Mitgliedsland über diese Bedingungen in allen Ländern und Fachrichtungen informieren.
Dank der europäischen Vorstände (Arbeitsgruppen der Facharztabteilungen von wissenschaftlichen und akademischen Gremien) ist die UEMS in der Lage, für jede Disziplin die Bedingungen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu gewährleisten sowie die notwendigen Kriterien für ein Weiterbildungszentrum zu definieren. Die UEMS kann auf Wunsch Vorschläge zu der Verfahrensweise von Bewertungen unterbreiten, denen sich Ärzte unterziehen können.
Die in diesem Beitrag wiedergegebenen Empfehlungen sind auf der UEMS-Website verfügbar: http://www.uems.be.
Dr. R. Pfeiffer
UEMS, Secretariat, Av. de la Couronne 20, B-1050 Brussels