Sozialstaat in der Schuldenfalle

Das Ende des Sozialstaats als Herrschaftsinstrument

2002 +++ Meinhard Miegel +++ Quelle: Meinhard Miegel. Die deformierte Gesellschaft. Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen. Propylen-Verlag

Auszüge:

Der um die Erwerbsarbeit kreisende Sozialstaat hatte sich schon gegen Ende der 70er Jahre maßlos verschuldet.

Trotz des anhaltenden Wachstums der Wirtschaft war schon zu Beginn der 80er Jahre wieder der relative Schuldenstand der unmittelbaren Nachkriegszeit erreicht: Fast 40%. Absolut hatte er sich sogar auf 469 Milliarden Euro real fast verfünffacht.

Die Kehrseite dieses selbstherrlichen Staates, der vorgibt, auch über das Blühen von Landschaften oder die Zahl der Arbeitlosen gebieten zu können, ist, dass er die Kosten der Wiedervereinigung ebenso wenig aufdecken darf wie die der Sozialpolitik.

Von 1990 bis 2000 kletterte die Gesamtverschuldung um recht genau die Hälfte, von rund 40 auf 60% des Bruttoinlandsprodukts. Im Geldwert von 2000 verdoppelte sich die Schuldensumme von 615 Milliarden Euro auf 1.227 Milliarden Euro.

Schon Anfang der 90er Jahre bezifferten Fachleute den staatlichen Transferbedarf des Ostens auf insgesamt 1.125 Milliarden Euro.

Der Staat will größer und mächtiger erscheinen, als er in Wirklichkeit ist, und die Bürger haben diese Großmannssucht zu finanzieren.

Noch etwa viermal höher als die offen ausgewiesenen Schulden des Staates liegen die in den sozialen Sicherungssystemen, namentlich in der gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung, versteckten. Je nach Berechnungsverfahren liegen sie gegenwärtig zwischen etwa vier und sechs Billionen Euro. Ob aber nun vier oder sechs Billionen oder irgendein Betrag dazwischen, feststeht, dass sich der Staat zur Finanzierung seiner laufenden Sozialleistungen bei den Bürgern in einem Ausmaß verschuldet hat, das alle Vorstellungskraft übersteigt.

Um den Sozialstaat stünde es heute besser, wenn ihm nicht so viele vertrauten. Zwar ist dieses Vertrauen rissig geworden. Aber noch immer ist die Zahl derer groß, die sich sagen: Wozu Kinder, wozu eigene Ersparnisse, wo doch der Staat vorsorgt? Wenn in Deutschland seit 30 Jahren zusammen mit der Geburtenrate die Sparquote fällt, ist das ein verlässliches Zeichen dafür, dass der Sozialstaat die Bevölkerung hoffnungslos in die Irre geführt hat. Wiedersinniger, als sich die Menschen seit einer Generation verhalten, konnten sie sich nicht verhalten. Sie wollten weniger Kinder. Das war ihre Entscheidung. Dann aber hätten sie verstärkt durch Kapitalbildung vorsorgen müssen. Dass sie das nicht getan, sondern dem politisch verantwortungslosen Geschwätz von sicheren Renten und dergleichen Glauben geschenkt haben, ist eine tragische Folge von 100 Jahren sozialstaatlicher Indoktrination.

J.B.