Kein verfassungsrechtliches Gleichbehandlungsgebot zwischen Gesetzlich- und Privatversicherten

Dr. jur. I. Pflugmacher widerspricht dem Bundessozialgericht

2002 +++ Ingo Pflugmacher +++ Quelle: „Der ambulante Operateur in der Zange der sozialen Rechtsprechung“. Der Urologe [B] 3-2002, 208-213

In einer bemerkenswerten Expertise widerspricht der Bonner Rechtsanwalt Dr. Pflugmacher der Meinung des Bundessozialgerichtes vom 14.03.2001, dass der Vertragsarzt sämtliche Leistungen, zu deren Erbringung er aufgrund der fachlichen Kompetenz und aparativen Ausstattung in der Lage ist, auch GKV-Versicherten anbieten muss und diese nach den Bestimmungen des EBM abzurechnen hat. Pflugmacher stellt die Frage, ob das BSG mit dieser Entscheidung Rechtsschutz oder aber Systemschutz gewährt hat. Pflugmacher führt aus, dass weder die Vorschriften des SGB V noch diejenigen der Zulassungsverordnung für Ärzte, der Bedarfsplanungsrichtlinien oder anderer untergesetzlicher Normen oder Normverträge Vorschriften enthalten, die ein Leistungsbeschränkungsrecht des Vertragsarztes ausschießen. "Die Rechtspflicht von Vertragsärzten, am Sicherstellungsauftrag ihrer Kassenärztlichen Vereinigung mitzuwirken, hängt unmittelbar davon ab, dass die KV die betreffenden Einzelleistungen so vergütet, wie es das Gesetz vorschreibt," so Pflugmacher. "Eine nicht einmal kostendeckende Vergütung - wie sie bei einigen Leistungen des ambulanten Operierens festzustellen sein dürfte - ist nicht angemessen. Nach der gesetzlichen Wertung ist somit die unrentable Vergütung einzelner Leistungen - entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts - ein Umstand, der nach §13 Abs. 6 BMV-Ä zur Ablehnung der vertragsärztlichen Behandlung berechtigt." Eine Gefährdung des Sicherstellungsauftrags durch Ausgliederung einzelner Leistungen durch einzelne Praxen sei schlechterdings nicht begründbar. So urteilte das BSG am 17.09.1997 (BSG E 81,86,93) "Der Vertragsarzt ist nicht gehalten, alle im Rahmen seines Fachgebietes zulässigerweise erbringbaren, im EBM als abrechnungsfähig bezeichneten Leistungen in seiner Praxis vorzuhalten, um sie im Einzelfall bei entsprechender medizinischer Indikation einsetzen zu können." Den ambulanten Operateuren sagt Pflugmacher: "Da mit der Zulassung als Vertragsarzt nicht feststeht, dass dieser Arzt - auch - ambulante Operationen durchführen wird, so kann er Leistungen des ambulanten Operierens - selbst wenn er diese zunächst gegenüber GKV-Versicherten erbracht hat - später wieder aus seinem vertragsärztlichen Angebot herausnehmen."

Pflugmacher vermutet, dass der 6. Senat mit seiner Entscheidung eine Diskriminierung der Versicherten der GKV unterbinden wollte. "Man wird aber hinterfragen dürfen, ob die - angebliche - Diskriminierung nicht systemimmanente Gründe hat: Weshalb ist die effektive Vergütung nach GOÄ höher als die nach EBM? Zahlen PKV-Versicherte höhere Beiträge und rechtfertigt dies ein 'mehr' an Leistung? Wäre die Frage der 'Diskriminierung' anders zu beurteilen, wenn jeder zwischen gesetzlicher und privater Versicherung frei wählen könnte? ... Wenn sich aus rechtlich zulässigem Verhalten der Vertragsärzte eine 'Diskriminierung' oder die Befürchtung einer solchen ergibt, so ist nicht der Arzt, sondern der Gesetzgeber hierfür verantwortlich."

 

Prof. Dr. Jost Brökelmann