Gesetzentwurf sieht Kostenerstattung vor

Hankel und Schachtschneider schlagen grundlegende Reform des deutschen Gesundheitssystems vor

2002 +++ Hankel / Schachtschneider +++ Quelle: www.facharzt.de 08.07.2002

Auszüge:

Der Ruf nach Kostenerstattung wird immer lauter – konkrete Vorschläge zur Umsetzung fehlen. Abhilfe schaffen soll jetzt ein Gesetzentwurf, den die Professoren Wilhelm Hankel und Karl Albrecht Schachtschneider im Auftrag der Vertragsärztlichen Vereinigung (VV) Bayern erarbeitet haben. Schlagworte: frei wählbarer Versicherungsschutz, Kostenerstattung, keine Budgetierung.

Die Krankenversicherungspflicht müsse sowohl privatisiert als auch generalisiert werden. Jeder in Deutschland Erwerbstätige müsse sich ohne jede Einkommensbegrenzung nach oben krankenversichern – und zwar bei einer Kasse und zu einem Tarif seiner Wahl.

Die Zulassung zum Kassenarzt entfällt nach Vorstellungen Hankels, denn zwischen Arzt und Krankenkasse soll es künftig weder Vertrag noch Ansprüche geben. Die Kasse ist demnach nur noch für ihren Kunden – den Patienten – zuständig. Patient und Arzt hingegen schließen ihren privaten Heil- und Honorarvertrag. Letzterer soll der Kasse zur Erstattung oder Abtretung an den Arzt oder das Krankenhaus vorgelegt werden, das heißt: Kostenerstattung mit je nach Vertrag gestalteter Zuzahlung durch den Patienten.

Ziel ist laut Hankel, dass der Leistungserbringer endlich zum freien Diensleistungsanbieter und Unternehmer wird, der seinen Betrieb – Praxis oder Klinik – nach betriebswirtschaftlichen Kriterien führen und auch so finanzieren kann. Das Honorar für ihre Leistungen bestimmen dann Markt und Wettbewerb mit den Kollegen – nicht mehr Zahl der Scheine und Honorarsätze der GKV.

Auch auf die Selbstverwaltungsorgane kämen nach Hankels Vorstellungen Veränderungen zu: Die neu gestalteten Kassenärztlichen Vereinigungen seien nicht mehr Organe der 'mittelbaren Staatsverwaltung', sondern freie Service-Organisationen für die Ärzte.

Eckpunkte des Gesetzesentwurfes zur Kostenerstattung:

Mit dieser generellen und obligatorischen Krankenversicherungspflicht für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Selbstständige unbeschadet von Einkommenshöhe und –quelle (einschliesslich Gewinne, Kapitaleinkünfte) erweitert sich die volkswirtschaftliche Finanzierungsgrundlage für sämtliche Gesundheitsausgaben von der begrenzten Lohnsumme eines Teils der Arbeitnehmerschaft auf das gesamte Volkseinkommen um schätzungsweise 40 Prozent.

Das neue System ist effizienter, billiger – und europäischer, denn mit seiner Einführung werden alle europäischen Krankenkassen und –versicherungen am deutschen Gesundheitsmarkt als Anbieter zugelassen. Die GKV verlieren ihr Gebiets- und Kundenmonopol.

Durch Privatisierung und generelle Versicherungspflicht verwandelt sich das überkommene deutsche Gesundheitssystem in einen freien, wenngleich staatlich überwachten Gesundheitsmarkt – den vermutlich schon bald grössten und dynamischsten Dienstleistungsmarkt der Volkswirtschaft, vergleichbar dem der USA – nur deutlich sozialer.

Die Liberalisierung des Gesundheitsmarktes wäre somit das grösste und wirksamste Beschäftigungsprogramm der Nachkriegszeit, ein zweites Beschäftigungswunder mit regionalen Schwerpunkten.

Deutschlands "Zwei-Klassen-Medizin": die Unterteilung in Privat- und Kassenpatienten wird hinfällig: Es gibt nur noch privatversicherte Patienten 1. Klasse.

Zu den unverzichtbaren sozialen Rahmenbedingungen dieses Modells gehören staatliche Auflagen über die Ausgestaltung der am Markt angebotenen Krankenversicherungspolicen und –tarife. Dazu zählen "Familienfreundlichkeit" (Mitversicherung erziehender Elternteile und von Kindern) sowie "Sozialtarife" für Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und einkommensschwache Rentner.