Operative Arztpraxen und besonders Tageskliniken sollten wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden
2001 +++ Jost Brökelmann +++ ambulant operieren 1/2001, 14-17Einleitung
Operative Arztpraxen und besonders Tageskliniken sind von ihrem Umsatz her mittelständische
Unternehmen. Sie sollten deshalb wie Wirtschaftsunternehmen geführt werden.
Dieses bedeutet zum einen eine genaue Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung,
die aktuell, d.h. monatlich erstellt wird. Zum andern müssen die Leistungen,
das sind die Operationen, derart erfasst werden, dass der Preis für die Leistung
bzw. das Produkt kalkuliert und eine Kostendeckung überprüft werden kann. Dieses
ist heute im Rahmen eines Praxismanagements möglich.
Material und Methoden
Die finanzwirtschaftliche Auswertung (FIWA) wird von der Firma nilaplan Köln
vorgenommen. Alle Ausgaben werden zwei Kostenstellen zugeordnet, der Praxisabteilung
und der Operations(OP)-Abteilung. Beide Abteilungen bilden zusammen die Gesamtpraxis.
Die Gesamtpraxis ist eine Partnerschaft mit drei Partnern. Für jeden Partner
wird im Rahmen der FIWA ein Sonderbetriebskonto geführt. Die Sonderbetriebsausgaben
werden zu den Betriebskosten der Praxis- und OP-Abteilung addiert und ergeben
die Gesamtbetriebskosten.
Für die Einnahmensituation wird das Praxis-PC-Programm DAVID der Firma DATA
VITAL (Göttingen) benutzt, da die Einnahmen über die Kassenärztlichen Vereinigungen
meist erst nach fünf Monaten abgerechnet werden. Es werden die DM-Beträge der
abgerechneten Leistungen genommen und jeweils um einen Faktor korrigiert: Der
Korrekturfaktor im Kassenarztbereich orientiert sich an den tatsächlichen Vergütungen
der KVen im Verhältnis zu den angeforderten DM-Beträgen und lag in 3/1999 bis
2/2000 um 11%. Der Korrekturfaktor im Privatversichertenbereich rechnet sich
an den Außenständen für Arztrechnungen, die bis zum 01.07. eines Jahres gestellt
worden waren. Dieser Faktor lag 2000 bei 0,2%.
Bei den Einnahmen sind auch Betriebskostenbeteiligungen der Anästhesisten, Gelder
aus Studien usw. berücksichtigt.
Die Leistungen werden über Produktionsminuten charakterisiert. Dabei wird aus
Vereinfachungsgründen unterstellt, dass der finanzielle, physische und geistige
Aufwand für alle Leistungen pro Zeiteinheit gleich ist.
Die Produktionszeiten entsprechen den Nutzungsstunden, die in der OP-Abteilung
OP-Blockierungsstunden und in der Praxis Nutzungsstunden heißen. Die OP-Blockierungszeit
ist diejenige Zeit, die vorgehalten wird, um operieren zu können, das ist in
unserer Praxis an vier Tagen in der Woche von 8.00-14.00 Uhr. Die Nutzungsstunden
in der Praxis entsprechen den Praxisöffnungszeiten.
Die Auslastung des Operationsraumes wird mit Hilfe der AODT-Statistik des DAVID-Programmes
berechnet.
Die Zahl der Fälle pro Jahr wird für jeden Partner sowohl im Kassen- als auch
im Privatbereich getrennt mittels der Statistik nach Zeit (DAVID) erstellt.
Die Zahl der neuen Fälle pro Jahr wird mit Hilfe der Datenrecherche (DAVID)
für jedes Jahr zwischen 1992 und 2000 ermittelt.
Ergebnisse
Einnahmen
Die Abrechnung von den einzelnen Ärzten über Kürzel und die Zuordnung zu den
Kostenstellen werden seit 1992 durchgeführt. Alle Leistungen in der OP-Abteilung
werden unter dem Arztkürzel "C" eingegeben. Arzt "E" steht u.a. für Kostenerstattung
und Privatabrechnung bei Kassenpatientinnen. Die Leistungen in der Praxisabteilung
werden von den jeweiligen Partnern A, B und D abgerechnet.
Ausgaben
Die Ausgaben werden den beiden Kostenstellen OP-Abteilung und Praxis-Abteilung
und dann wiederum den Konten Personal, Raumkosten, Praxisbedarf usw. zugeordnet.
Das größte Einzelkonto ist das Konto Personal; dann folgen Raumkosten usw. Der
Personalanteil ist in der Praxis größer als in der OP-Abteilung, in der überwiegend
Teilzeitkräfte arbeiten und es weniger Nutzungsstunden (OP-Blockierungsstunden)
gibt als in der Praxisabteilung (Abb.1).
Nutzungsstunden
Die OP-Blockierungszeiten für die operative Laparoskopie unterscheiden sich
im Mittel der Jahre 1996-2000 nur um wenige Minuten (Abb.2). Ähnliches gilt
für die Tubenkoagulation (TK), die operative Hysteroskopie (Op. HSK) und die
Mammatumorexstirpation.
In Abbildung 3 sind die OP-Blockierungszeiten linear dargestellt. Die Kurven
können in vier Gruppen eingeteilt werden: 30 Min.-Operationen, 45 Min.-Operationen,
60 Min.-Operationen und 90 Min.-Operationen.
Für die tägliche OP-Planung werden die OP-Blockierungszeiten in 15 Min.-Abständen
geplant, und nur individuell, d.h. beim Bekanntwerden von Faktoren, die die
OP-Zeit verlängern könnten, wird die geplante Operationszeit herauf- oder herabgesetzt.
Patientinnen werden 30-45 Min. vor dem geplanten OP-Beginn eingestellt; die
Dauer der postoperativen Überwachung kann relativ genau vorherbestimmt werden.
Betriebskosten pro Nutzungsstunde
Die Ausgaben pro Kostenstelle sowie die Summe der Nutzungsstunden pro Jahr lassen
die Betriebskosten pro Nutzungsstunde kalkulieren. So betrug die OP-Blockierungsstunde
im Jahre 1999 663,- DM und im Jahre 2000 651,- DM (Abb.4). Die Praxisnutzungsstunde
lag 1999 bei 215,- DM und im Jahre 2000 bei 206,- DM.
Eine Umfrage bei den gynäkologischen Tageskliniken des VAAO ergab für drei Tageskliniken
für das Jahr 1999 Betriebskosten von 680,- DM, 875,- DM und 663,- DM pro OP-Blockierungsstunde
(Abb. 5). Zwei Jahre zuvor hatten 6 gynäkologische Tageskliniken durchschnittlich
818,- DM Betriebskosten pro OP-Blockierungsstunde und 18 chirurgische und gynäkologische
Tageskliniken im Mittel 811,- DM pro Stunde angegeben (Billstein 1997).
Addiert man zu den Betriebskosten von 818,- DM (s. oben) noch den kalkulatorischen
Unternehmerlohn von 227,- DM/h (Billstein 2000), so kommt man zu Praxiskosten
von 17,- DM pro OP-Blockierungsminute. Diese Kosten sind offenbar unabhängig
von der "Größe" der Tagesklinik, d.h. der Anzahl der OP-Räume, da die Tagesklinik
Nr.I vier OP-Räume, die Praxisklinik Nr. III nur einen OP-Raum haben (Abb. 5).
Praxiskosten für operative Leistung
Für die Tagesklinik Bonn betrugen die Praxiskosten im Jahre 2000 für eine operative
Laparoskopie ohne Anästhesie bei einer durchschnittlichen OP-Blockierungszeit
von 98 Min. 1538,-DM. Für die operative Laparoskopie hatte das Zentralinstitut
für die Kassenärztliche Versor-gung (ZI) im Jahre 1995 mittels einer modularen
Kalkulation Praxiskosten von 1431,- DM errechnet (ZI 1995). Unter Berücksichtigung
einer Inflationsrate von 2% wären dieses für das Jahr 2000 1580,- DM. Diese
Kosten liegen nahe an den über die OP-Blockierungszeit eruierten Kosten für
die gleiche Operationsart.
Kostendeckung im Kassenärztlichen Bereich
Die Kostendeckung der einzelnen Operationen hängt im Kassenbereich von dem Punktwert
ab, den die jeweilige KV zahlt. Bei einem angenommenen Punktwert von 10 Pf liegen
die wichtigsten Operationen unseres Fachgebietes, nämlich die operative Laparoskopie,
die Tubensterilisation, die operative Hysteroskopie und die Entfernung eines
Mammatumors unter den Praxiskosten, d.h. dieses sind Leistungen in roten Zahlen
(Abb. 6). Bei 10 Pf pro Punkt deckt die Vergütung für die Tubensterilisation
und die operative Hysteroskopie noch einen Teil der Betriebskosten. Bei der
operativen Laparoskopie und dem Mammatumor deckt die Vergütung nicht die Betriebskosten.
Bei 5 Pf pro Punkt liegen sämtliche Operationen unter den Betriebskosten.
Vergleich OP-Abteilung und Praxisabteilung (Kassenbereich)
Gewinn und Verlust pro Nutzungsstunde bezogen auf die Betriebskosten schwankten
stark zwischen 1993 und 2000 (Abb. ...) Für den OP-Bereich lag die Vergütung
im Jahre 1998 unter den Betriebskosten; in den übrigen Jahren waren die Betriebskosten
gedeckt.
In der Praxisabteilung waren die Betriebskosten für Kassenleistungen nur in
den Jahren 1994-1996 gedeckt. Seit 1997 nimmt die Unterdeckung zu; sie hat bis
Mitte des Jahres 2000 85,- DM pro Praxis-Nutzungsstunde erreicht. Zur gleichen
Zeit wurde die OP-Blockierungsstunde mit plus 10,- DM über Betriebskosten, jedoch
minus 217,- DM unter Praxiskostendeckung für Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen
kalkuliert.
Auslastung des Operationsraumes
Von den 1122 OP-Blockierungsstunden des Jahres 2000 wurden laut AODT-Statistik
944 Stunden für Anästhesiezeiten benötigt. Dieses entspricht einer Auslastung
von mindestens 84 %, da die Wechselzeiten zwischen den Operationen und die Zeiten
für das Umlagern nicht berücksichtigt wurden. Die Differenz zwischen den Anästhesiezeiten
und den Operationszeiten kennzeichnet die Ein- und Ausleitungszeit; sie beträgt
17% der Anästhesiezeit.
Archivierung
Praxisdokumentationen müssen 10 Jahre lang aufbewahrt werden. Für Operationen
im Krankenhaus gilt als Aufbewahrungsfrist 30 Jahre. Um den Raumbedarf für die
Archivierung von Karteikarten zu kalkulieren, wurde die Zahl der Fälle kalkuliert,
die im Durchschnitt pro Jahr zusätzlich archiviert werden müssen. Dieses sind
bei durchschnittlich 1060 Operationen pro Jahr im Mittel 1700 Karteikarten.
Aus der durchschnittlichen Dicke der Karteikarten kann berechnet werden, wieviele
Meter Karteikarten jährlich hinzukommen, wenn die Karteikarten von operierten
Patientinnen 30 Jahre lang wie im Krankenhaus in ihrer ursprünglichen Dicke
aufbewahrt werden. Dieses sind ca. 1,5 Meter pro Jahr.
Vergleich Krankenhaus - Tagesklinik
1994 hat die DKI GmbH und das ZI mit Unterstützung des Bundesministers für
Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie eine multizentrische Evaluierung
endoskopischer Operationsverfahren durchgeführt (S. Eichhorn, H. Eversmeyer
1999). Verglichen wurden verschiedene endoskopische Operationen und ihre Kosten
im Krankenhaus und in der Praxis. Für die operative Laparoskopie wurden direkte
Kosten von 3649,- DM für das Krankenhaus und 1672,- DM für die Praxis berechnet.
Die Kosten der Operation in der Praxis betrugen also 46% der Kosten im Krankenhaus
(Abb. 8).
Neben den direkten Kosten wurden auch die indirekten Kosten wie häusliche Pflege
und Ar-beitsunfähigkeit berücksichtigt. Dieses ergab Gesamtfallkosten für die
operative Laparoskopie im Krankenhaus von 5205,- DM und in der Praxis von 2717,-
DM (Abb. 9).
Diskussion
Für die laufende finanzwirtschaftliche Evaluierung des Arztunternehmens Praxisklinik
hat sich bei den Einnahmen die Zuordnung zu Ärzten und Kostenstellen über den
Praxiscomputer bewährt. Diese Einnahmenberechnung steht praktisch einen Tag
nach der Leistungserbringung zur Verfügung. Für die Ausgabenkalkulation hat
sich eine externe Berechnung durch ein spezialisiertes Unternehmen als kostengünstig
erwiesen.
Größter Ausgabenanteil ist der Personalsektor - sowohl in der Praxis als auch
in der OP-Abteilung.
Die Messung der OP-Blockierungszeiten hat sich für die Operationplanung überaus
bewährt. Dadurch sind die Wartezeiten für die Patientinnen vor der Operation
auf 30-45 Min. verkürzt; in dieser Zeit finden Vorgespräche mit Operateur und
Anästhesistin statt.
Die Messung der Nutzungsstunden hat sich ebenfalls für das wirtschaftliche Denken
im Praxisteam bewährt; denn alle Mitarbeiterinnen wissen, dass eine Minute OP-Blockierungszeit
17,- DM kosten. Dieses Kostenbewusstsein motiviert besonders den Operateur,
nicht zu viel und zu lange zu operieren und die geplanten Zeiten einzuhalten.
Die Operationszeiten sind durch Standardisierung der Prozesse weitgehend konstant.
Dadurch ist der ganze Ablauf für Patientinnen und Mitarbeiterinnen kalkulierbar
und überschaubar.
Die Umfrage bei den VAAO-Kliniken ergab folgende interessante Punkte: Durch
immer besseres Praxismanagement können die Betriebskosten gesenkt werden. Sie
scheinen außerdem unabhängig von der sog. Größe der Tagesklinik, d.h. der Anzahl
der Operationen und der operierten Fälle zu sein. Die Betriebskosten einer Tagesklinik
mit nur einem OP-Raum können noch unter denjenigen einer Tagesklinik mit vier
Operationsräumen liegen. Offenbar kommt auch hier ein "Airbus"-Phänomen zum
Tragen: Jeder OP-Raum entspricht einem Airbus. Nur ein voller Airbus ist wirtschaftlich,
ein halb gefüllter nicht. Ähnlich scheint es mit den OP-Räumen zu gehen.
Die Kalkulation der Praxiskosten über die OP-Blockierungszeit ist relativ einfach.
Sie kann offenbar ähnliche Ergebnisse zeitigen wie die aufwendige, modulare
Kalkulation von Opera-tionen. Die ständige Erhebung der OP-Blockierungszeiten
hat zusätzlich für das Management in einer Praxisklinik erhebliche Vorteile:
OP-Zeiten werden kürzer, Wartezeiten für Patientin-nen ebenso, außerdem stellen
die Daten die Grundlage für eine Selektion nicht-kostendeckender Operationen
dar. Denn die Vermeidung von "Leistungen in roten Zahlen" gehört in einer Zeit
der Budgetierung von Vergütungen zu den wichtigsten Methoden des Praxismanagements.
Letzteres gilt sowohl für die OP-Abteilung als auch für die Praxis.
Die Operationsplanung nach durchschnittlichen OP-Blockierungsstunden führt offenbar
auch zu einer wesentlich besseren Auslastung der Operationsräume. Die durchschnittliche
OP-Auslastung in operativen Praxen wurde 1992 mit 64% angegeben (Brenner et
al. 1992).
Die großangelegte Studie von Eichhorn und Eversmeyer (1999) belegt, dass die
Kosten für ein und dieselbe Operationsart in der Tagesklinik halb so hoch sind
wie bei stationärer Ver-sorgung. Die Studie berücksichtigt auch erstmals die
indirekten Kosten für häusliche Pflege und Arbeitsunfähigkeit. Für die untersuchten
Operationen liegen die Kosten in der Praxis im Durchschnitt halb so hoch wie
im Krankenhaus.
Literatur
Billstein, G.: Umfrage zur Ermittlung von praxiskostendeckenden
Fallpauschalen. BAO-Info IV/1997, 18-28.
Billstein, G.: Unternehmerlohn des Operateurs 1999. Ambulant operieren 2/2000,
99.
Brenner, G., J. Heuer, H. Koch, A. Pfeiffer. Wirtschaftliche und medizinische
Aspekte des ambulanten Operierens. Deutscher Ärzte-Verlag Köln 1992.
Eichhorn, S., Eversmeyer, H.: Evaluierung endoskopischer Operationsverfahren
im Kranken-haus und in der Praxis aus Sicht der Medizin, des Patienten und der
Ökonomie. Thieme Verlag Stuttgart, New York 1999.
ZI (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung): Vorläufige Ergebnisse
des Projektes "Betriebswirtschaftliche Kalkulation ambulanter Operationen ".
Fachgruppenspezifischer Teil für das Fachgebiet Gynäkologie. 1. Februar 1995.
Köln.