Zur Nachhaltigkeit der Generationenverträge: Eine Diagnose der Kranken- und Pflegeversicherung
Die Nachhaltigkeitslücke beträgt schon jetzt 2,5 Bruttoinlandprodukte
2001 +++ Stefan Fetzer, Stefan Moog, Bernd Raffelhüschen +++ Quelle: Institut für Finanzwissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 99/01
Zusammenfassung
und Ausblick
Offenkundig
ist die gegenwärtige Fiskalpolitik nicht nachhaltig. Offenkundig ist auch,
dass dies hauptsächlich an den Generationenverträgen der umlagefinanzierten
Sozialversicherungssysteme liegt. Welches Ausmaß allerdings die Nachhaltigkeitslücken
in diesen Systemen annehmen, wird selbst von pessimistischen Zeitgenossen
hoffnungslos unterschätzt. Die isolierte Betrachtung der Pflege- und Krankenversicherung
zeigte, dass beide schon dann unter vehementen Druck geraten und nur noch
mit deutlich zunehmenden Beitragssätzen finanzierbar sein werden, wenn kein
Kostendruck im Gesundheitssektor zu verzeichnen wäre. Unter diesen optimistischen
Voraussetzungen beziffern sich die kapitalisierten Mehrbelastungen zukünftiger
Generationen allein in diesen beiden Sicherungssystemen auf fast ein ganzes
Bruttoinlandsprodukt. Realistischere Annahmen, die den medizinisch-technischen
Fortschritt mit ins Kalkül einbeziehen, implizieren eine deutlich größere
Nachhaltigkeitslücke von 2,5 Bruttoinlandsprodukten.
Es
wäre mehr als gewagt anzunehmen, dass zukünftige Beitragszahler bereit sein
werden, etwa 30 Prozent Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen.
Mit realistischen Annahmen hinsichtlich der Renten- und Arbeitslosenversicherung
käme man unter diesen Umständen zu Sozialversicherungsabgaben in der Größenordnung
von fast Zwei-Drittel des Einkommens. Mithin liegt es im Selbstinteresse
der heutigen Erwerbstätigen, zukünftige Generationen nicht zur Kündigung
der Generationenverträge zu zwingen. Damit ist eine umfassende Reform insbesondere
der Kranken- und Pflegeversicherung unausweichlich.
Wie
genau soll diese Reform aussehen und wie wird sie zu einer wirklich nachhaltigen
Reform? Hier kann in Zukunft eine Generationenbilanz potentieller Reformen
eine Hilfestellung bieten. Eines zeichnet sich jedoch schon anhand der vorgelegten
Berechnungen ab: Da das Problem selbst dann nicht in den Griff zubekommen
wäre, wenn alle Kostendämpfungsgesetze der Vergangenheit ihren Zweck vollständig
erfüllt hätten, mag es angezeigt sein, die bisher erfolglosen Regulierungsbemühungen
durch erfolgversprechende Deregulierungsmaßnahmen zu ersetzen.